Die Wut-Notfallbox

In meinem vorherigen Blogartikel ging es um Kinder von krebserkrankten Eltern. Manche Kinder reagieren in solchen Situationen mit starken Wutausbrüchen und in dem Zusammenhang habe ich auf eine Methode aus meinem Buch: „Schätze finden statt Fehler suchen“ hingewiesen, die ich hier einmal etwas näher beschreiben möchte.

Diese sog. Wut-Notfallbox kann selbstverständlich auch bei Wutausbrüchen jeglicher Art im pädagogischen Alltag zum Einsatz kommen, um die Kinder darin zu unterstützen ihre Wut zu kanalisieren und ihnen nach und nach Möglichkeiten zur Selbstregulation anbieten zu können.

Dafür wird eine solche Wut-Notffall-Box gemeinsam mit dem Kind zusammengestellt.

Dort können zum Beispiel:

  • ein Kissen, in dass das Kind laut schreien oder rein boxen kann
  • Knete, die nach Lust und Laune bearbeitet werden kann
  • ein Knautschball, zum Kneten
  • ein Igelball zum Massieren
  • Papier zum Zerreißen und zerknüllen
  • Luftpolsterfolie zum Luftbläschen zerdrücken
  • eine Brötchentüte zum aufblasen und zerplatzen lassen
  • ein Foto von draußen oder einem anderen Lieblings-Ruheort, mit dem das Kind der Fachkraft oder die Fachkraft dem Kind ohne Worte signalisieren kann, dass es jetzt gerne nach draußen gehen darf und kann, wenn es das gerade braucht

fest deponiert sein.

Zunächst wird die Fachkraft dem Kind die vereinbarte Möglichkeit zur Verfügung stellen. Erfahrungsgemäß wählen und nutzen die Kinder nach und nach selbst die für sie geeignete Selbstregulationsmöglichkeit.

Was bietest du den Kindern in deinem pädagogischen Alltag an, damit sie Wege finden, ihrer Wut Raum zu geben, ohne andere oder sich selbst zu verletzen?

Streiten lernen – Konflikte zwischen Kindern achtsam begleiten

Streitereien und Konflikte zwischen Kindern gehören zum Alltag von pädagogischen Fachkräften und stellen zugleich eine der größten Herausforderungen dar. Sie sind so vielfältig wie die Menschen, die in Kindertageseinrichtungen aufeinandertreffen. Ich freue mich, für dieses hoch interessante und wichtige Thema meine Kollegin Sabrina Dittmann gewonnen zu haben. Ich wünsche dir viele erhellende Momente.  Deine Anja

Streit zwischen Kindern – Eine alltägliche Herausforderung

Konflikte zwischen Kindern kommen laut daher und leise. Sie führen zu hilfesuchenden Blicken, Beschwerden und manchmal zu Tränen. Sie werden mit grimmigen Blicken ausgetragen, finden als verbaler Schlagabtausch statt oder gehen mit körperlichen Übergriffen einher.

Konflikte ereignen sich zwischen zwei Kindern, versetzen eine ganze Gruppe in Aufruhr oder spielen sich im Inneren eines Kindes ab, ohne dass es bemerkt wird. Manche Konflikte sind absehbar, andere kommen plötzlich und scheinbar grundlos zum Ausbruch.

Für Konflikte gibt es die unterschiedlichsten Motive und Anlässe. Es gibt Streit um eingestürzte Bauwerke, um den besten Platz im Morgenkreis, um den roten Bagger. Kinder streiten darum, wie ein Spiel gespielt wird, wer bestimmen darf, wer sich zuerst beim Essen bedient. Wer ist wessen Freundin, wer hat wen beschimpft, wer ist zum Geburtstag eingeladen und wer nicht? Das alles sind Fragen, die in Konfliktsituationen immer wieder auftauchen. Und es gibt noch viele mehr.

Hand auf’s Herz: Wie geht es dir, wenn du das liest? Bekommst du Schnappatmung oder kannst du schmunzeln? Denkst du „Oh nein, muss das wirklich sein?“ oder sagst du dir eher „Okay, wie machen wir das jetzt?“

Deine Haltung zu Konflikten – Schlüssel zu einer gelungenen Konfliktbegleitung

Nimm dir einen Moment Zeit, um deinen Gefühlen und Gedanken nachzuspüren. Sie sind ein Ausdruck deiner persönlichen Einstellung zu Konflikten und stehen in engem Zusammenhang mit deiner Wahrnehmung sowie deinem pädagogischen Handeln bei der Konfliktbegleitung. Wahrnehmung, Haltung, Gefühle, Gedanken, Handeln – alle beeinflussen sich gegenseitig.

Wenn du Konflikte als Chance oder Lernfeld siehst, empfindest du eher Interesse und Neugier. Beliebte Gefühle wie Freude oder Zufriedenheit bekommen einen größeren Raum. Wer Konflikte überwiegend als Störfaktor oder Beeinträchtigung betrachtet, empfindet in Konfliktsituationen eher Anspannung, Skepsis oder Unsicherheit. Unbeliebte Gefühle wie Wut oder Angst treten in den Vordergrund.

Bei einer grundsätzlich positiven Einstellung ist deine Wahrnehmung geschärft. Du nimmst Konfliktsignale frühzeitig wahr. Dein Blick öffnet sich für Möglichkeiten der Klärung und der Lösung. Dadurch wächst auch deine Bereitschaft, dich auf Konflikte einzulassen. Du gehst eher aktiv, offen und kreativ an die Konflikt­lösung heran. Du erlebst dich als kompetent, dein Selbstwertgefühl wächst und stabili­siert sich.

Wer Konflikte eher negativ bewertet, nimmt Konflikt­signale dagegen erst spät wahr oder übersieht sie sogar. Bei offensichtlichen Konflikten ist die Wahr­nehmung auf Hindernisse und Gegensätze gerichtet. Aus dieser Gefühlslage und Sichtweise heraus werden Konflikte eher vermieden oder unterbunden. In der Kommunikation mit Kindern können Sätze wie „Streitet euch doch nicht.“ oder „Klärt das mal unter euch.“ ein Indiz für diese Haltung sein. Durch das Vermeiden fehlt die Gelegenheit, gute Lösungen zu finden und sich als erfolgreich zu erleben.

In einer Art Kreislauf verstärken sich jeweils die Folgen von Bewerten, Fühlen, Wahr­nehmen und Handeln. Bei einem negativen Kreislauf entsteht zunehmend ein Sieg-oder-Niederlage-Denken. In einem positiven Kreislauf wächst die Überzeugung, dass Konflikte und Schwierigkeiten gemeistert werden können und eine Gelegenheit zum gemeinsamen Lernen und Wachsen sind.

Wenn du Kinder in Konfliktsituationen hilfreich begleiten und sie gleichzeitig dabei unterstützen möchtest, Konflikte zunehmend selbständig zu lösen, ist es eine grundsätzlich wohlwollende Haltung zu Konflikten von großer Bedeutung. Setze dich deshalb mit deiner Haltung zu Konflikten und mit deinem persönlichen Konfliktstil auseinander. Zusätzlich kann der Blick auf deine Konfliktbiographie helfen, deine Werte und Verhaltensweisen besser zu verstehen.

Reflexionsfragen zu deinem Konfliktverhalten

  • Wie steht es um deine Haltung zu Konflikten? Kannst du Konflikten etwas Positives abgewinnen?
  • Fühlst du dich in der Lage, eigene Konflikte zu klären? Wie verhältst du dich in Konfliktsituationen?
  • Unterbindest du Streit zwischen Kindern nach Möglichkeit? Was sind die Gründe dafür? Unterbindest du Streit, wenn bestimmte Kinder daran beteiligt sind?
  • Traust du Kindern grundsätzlich zu, eigene Schritte zur Konfliktlösung zu unternehmen? Wie ermutigst du sie? Wie unterstützt du sie?
  • Gelingt es dir, deinen Erfahrungsvorsprung und deine eigenen Bewertungen in der Schwebe zu halten?

Reflexionsfragen zu deiner Konfliktbiografie

  • Wie wurde in deiner Herkunftsfamilie mit Konflikten umgegangen? Durfte gestritten werden? Wurden gemeinsame Lösungen gefunden?
  • Welche Strategien der Konfliktbewältigung hast du erlebt?
  • Haben Erwachsene dir zugehört, wenn du von deinen Streitigkeiten erzählt hast? Wurden deine Gefühle und Gedanken, deine Sichtweisen ernst genommen?
  • Haben Erwachsene ihren Erfahrungsvorsprung und ihre eigenen Bewertungen in der Schwebe gehalten? Haben sie dir ihr Wissen ohne Besserwisserei zur Verfügung gestellt?
  • Haben Erwachsene dich ermutigt, dich auf Konflikte einzulassen und haben sie dich unterstützt, wenn du dir in Konfliktsituationen nicht allein zu helfen wusstest?

Streiten lernen – welche Fähigkeiten braucht es?

Das Klären und Lösen von Konflikten ist eine sehr komplexe Aufgabe und erfordert eine Reihe von sozial-emotionalen und kognitiven Fähigkeiten:

  • eigene Bedürfnisse, Gefühle, Interessen und Grenzen wahrnehmen und mimisch, gestisch oder mit Hilfe von Worten ausdrücken
  • die Folgen des eigenen Handelns absehen und bei der Handlungsplanung berücksichtigen
  • Mimik, Gestik und Worte von anderen wahrnehmen und die damit verbundenen Bedürfnisse, Gefühle, Interessen und Grenzen erkennen und berücksichtigen
  • Gefühle regulieren, Bedürfniserfüllung aufschieben und Impulse kontrollieren
  • sich in die Lage anderer versetzen

Schon sehr junge Kinder verfolgen die eigenen Interessen sehr zielgerichtet und drücken ihre Gefühle mimisch und gestisch aus. Über viele der oben genannten Fähigkeiten verfügen sie jedoch noch nicht, da diese sich erst mit der Reifung der Großhirnrinde entwickeln. Aus diesem Grund kommt es bei Kindern unter drei Jahren häufig zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Sie benötigen eine vorausschauende, verlässliche und umfängliche Konfliktassistenz von Erwachsenen, auch zu ihrem Schutz.

Mit fortschreitender Entwicklung der Kinder, insbesondere ab einem Alter von etwa drei Jahren, bietet jede Konfliktsituation die Gelegenheit, diese Fähigkeiten zu erproben, zu erweitern und dazuzulernen. Wenn du hier vorschnell eingreifst und Konflikte für die Kinder löst, nimmst du ihnen diese Gelegenheit. Außerdem setzt du dich selbst mächtig unter Druck. Findest du keine gerechte Lösung, werden Konflikte nicht wirklich beigelegt und flammen immer wieder auf.

Als pädagogische Fachkraft bist du also gefordert, eine gute Balance zu finden. Du darfst begleiten und schützen, wenn Kinder nicht allein zurechtkommen. Du darfst zutrauen und ermutigen, wenn Kinder selbst aktiv werden können und wollen.

Zutrauen und Ermutigung – Kompetenzen der Kinder sehen

In gewaltfreien und gleichberechtigten Konfrontationen ist dein Zutrauen gefragt. Beobachte aufmerksam, begib dich gegebenenfalls in Hörweite, halte dich aber mit Vorschlägen und deiner persönlichen Meinung zurück.

Fachkraft Matti wird auf Emil und Ben aufmerksam. Beide liefern sich ein lautstarkes Wortgefecht. „Du bist schon drei Runden gefahren. Jetzt will ich das Auto haben.“ – „Das stimmt überhaupt nicht! Ich habe es gerade erst bekommen!“ – „Aber vorhin hat dir Suse das Auto gegeben.“ – „Ja, aber dann war ich auf dem Klo!“ So geht es immer hin und her, beide haben vor Erregung gerötete Gesichter. Matti begibt sich Stück für Stück in ihre Nähe und hört sich den Streit eine Weile an.

Solange die Beteiligten Worte für ihre Positionen finden und ihre Gefühle durch Lautstärke ausdrücken, besteht die Chance, dass sie zu einer Lösung finden. Bleib in der Nähe. Allein dadurch bietest du Kindern Sicherheit und kannst im Bedarfsfall rechtzeitig unterstützen.

Sehr häufig kommt es vor, dass sich Kinder an Fachkräfte wenden und sich über andere Kinder beschweren. Manchmal zeigen sie auf diese Weise, dass sie Begleitung benötigen. Manchmal reicht es schon aber schon, zuzuhören und kleine Impulse zu geben. Du kannst sie nach den bisherigen Lösungsschritten fragen oder zu einzelnen Handlungsschritten ermutigen.

Elif kommt zu Erzieher Piet gelaufen: „Merle nimmt immer unsere Decke weg.“ Piet spiegelt Elifs Gefühle und fragt nach: „Oh, das stört dich wohl, du scheinst sehr verärgert. Weiß denn Merle, dass du das nicht möchtest? Hast du es ihr gesagt?“ Elif überlegt kurz und läuft dann beschwingt davon.

Nach einiger Zeit kehrt Elif zurück: „Merle nimmt immer wieder die Decke. Sie hört nicht, was ich sage.“ Piet spiegelt und fragt erneut: „Das ist ja wirklich ärgerlich. Wie kann ich dir denn jetzt helfen?“ – „Du musst ihr das sagen.“ – „Du möchtest gern, dass ich ihr das sage?“ – „Ja!“ Piet schlägt vor: „Elif, was hältst du davon, wenn ich das mal beobachte. Wir können dann auch gemeinsam mit Merle reden. Bist du einverstanden?“

Wenn du den weiteren Verlauf des Konflikts verfolgst, fühlen sich Kindern ermutigt. Außerdem kannst du konkrete Unterstützung anbieten und Vorschläge machen. Offene Fragen oder das Einholen des Einverständnisses signalisieren den Kindern dein Vertrauen in ihre Fähigkeiten fordern sie zugleich heraus, aktiv am Prozess mitzuwirken.

Auf Kollisionskurs – Einschreiten und Ko-Regulieren in Konflikten

In manchen Situationen reichen Ermutigung und Zutrauen allein nicht mehr aus. Stattdessen ist deine Hilfe gefragt. Kinder haben ein gutes Gespür dafür, wann sie Hilfe benötigen und zeigen das auf unterschiedliche Weise. Achte deshalb in kritischen Situationen auf die Signale des Kindes. Schaut es sich suchend nach dir um? Ruft es nach dir? Beschwert es sich? Weint es vielleicht? Zieht es sich zurück? Das alles kann bedeuten: „Ich weiß nicht weiter. Bitte hilf mir.“   

Wenn du unsicher bist, ob Hilfe benötigt wird oder du vermutest, dass eine Situation eskalieren könnte, bleib auf jeden Fall in der Nähe. Du kannst die Kinder auch fragen, ob sie Hilfe benötigen.    

Du bist schon drei Runden gefahren. Jetzt will ich das Auto haben.“ – „Das stimmt überhaupt nicht! Ich habe es gerade erst bekommen!“ – „Aber vorhin hat dir Suse das Auto gegeben.“ – „Ja, aber dann war ich auf dem Klo!“ So geht es immer hin und her, Emil und Ben haben vor Erregung gerötete Gesichter. Fachkraft Matti hört sich den Streit eine Weile an und sagt dann: „Ich habe euren Streit schon von Weitem gehört. Kommt ihr zurecht?“.

Es kann sein, dass Emil und Ben ihr Wortgefecht über Eck fortsetzen und auf diese Weise die Hilfe der Fachkraft einfordern. Dann reichen meist kleine Impulse, die das weitere Gespräch begleiten und moderieren. Wenn Kinder mit sehr unterschiedlichem Temperament oder Entwicklungsstand (Sprache, Impulskontrolle oder Perspektivübernahme) aufeinandertreffen, ist mehr Vermittlung nötig.

Besonders aufmerksam solltest du sein, wenn sehr junge Kinder in einen Konflikt geraten. Viele Eskalationen und Verletzungen lassen sich durch vorausschauende Begleitung vermeiden.

Rudi steht am Waschbecken und lässt sich genüsslich das Wasser über die Hände laufen. Adi kommt dazu, um ebenfalls an den Wasserhahn zu gelangen und drängt Rudi dabei immer mehr zur Seite. Rudi gerät ins Wanken, seine Augen sind schreckgeweitet. Tagesvater Lutz hält Adi sanft an der Schulter zurück und sagt: „Adi, warte. Rudi braucht noch einen Moment. Du möchtest auch an den Wasserhahn, gleich bist du dran.“

Deine Unterstützung ist unbedingt erforderlich, wenn Kinder zuschlagen, einander Spielzeug entreißen oder die Gefahr besteht, dass jemand auf andere Weise verletzt wird. Das gilt auch für verletzende Worte und Ausgrenzungen aller Art. Handgreiflichkeiten stoppst du, indem du hingehst und dich schützend zwischen die Kinder stellst. Manchmal ist es nötig, dass du ein Kind festhältst. Sprich das Kind mit Namen an und sage ihm, was es tun soll.

Sarah buddelt ganz vertieft mit einer roten Schippe im Sand. Max hat nun genau diese Schippe für sich entdeckt. Er will Sarah die Schippe aus der Hand ziehen und ruft: „Meine!“. Sarah gibt nicht nach, beide ziehen hin und her, die ersten Tränen steigen auf. Fachkraft Robin kommt dazu und berührt Max am Arm: „Max, lass‘ los.

Eben noch haben Jo und Frida scheinbar friedlich Bausteine zu einem Turm gestapelt. Im nächsten Moment brennt die Luft. Frida zieht Jo an den Haaren, Jo holt mit dem Arm aus. Erzieherin Petra spricht ruhig, aber bestimmt: „Jo! Stopp! Frida, lass los! Auseinander!“ und schiebt die Kinder auseinander.

Dabei ist es ist wichtig, ruhig und besonnen zu agieren. Zeige den Kindern durch deine Stimme und Haltung, dass du sie unterstützen möchtest und einen Ausweg aus dem Konflikt zeigen kannst. Im nächsten Schritt brauchen die Kinder Unterstützung bei der Emotionsregulation. Gib ihnen die Gelegenheit, sich zu beruhigen. Biete zum Trost deine Hand oder eine Umarmung an, vielleicht möchten sie sich auch einen Moment zurückziehen.

Wenn die Kinder sich beruhigt haben und ansprechbar sind, dann kann über den Konflikt gesprochen werden. Bei jüngeren Kindern bedeutet das vor allem, die Gefühle, Bedürfnisse und Interessen beider Kinder zu versprachlichen und Lösungsmöglichkeiten anzubieten.

Fachkraft Robin kommt zum Sandkasten und berührt Max am Arm: „Max, lass‘ los!“ – „Ich sehe, du ärgerst dich, weil Sarah die Schippe nicht hergibt.“ – „Und Sarah, du bist ganz erschrocken, weil Max die Schippe nehmen will.“ – „Ihr braucht beide gerade eine Schippe.“ – „Max, schau mal, hier ist noch eine Schippe.“, sagt Robin und zeigt auf eine weitere Schippe.

Je älter die Kinder werden, desto öfter geht es darum, das Gespräch durch Fragen anzuregen, das gegenseitige Verstehen zu unterstützen und den Konfliktlösungsprozess zu moderieren. Orientierung bieten dabei die Phasen, die im Rahmen einer Mediation durchlaufen werden.

Einen Eisberg zum Schmelzen bringen – Mediation in Konflikten

Voraussetzung für ein hilfreiches Gespräch ist, dass du allen Kindern offen begegnest. Es geht nicht darum, Schuldige zu identifizieren oder jemanden zu verurteilen, sondern gemeinsam zu einer Einigung zu kommen. Wenn du selbst verärgert bist oder eines der Kinder noch ängstlich oder wütend ist, dann gib euch Zeit zur Beruhigung oder bitte eine:n Kolleg:in um Unterstützung.

Das Gespräch beginnt damit, die unterschiedlichen Sichtweisen der Kinder anzuhören und gemeinsam herauszufinden, worum geht es eigentlich geht. In der Mediation spricht man von der Konfliktdarstellung und der Konflikterhellung. Deine Aufgabe ist es, durch offene Fragen das Erzählen anzuregen, aktiv zuzuhören und die Aussagen der Kinder zusammenzufassen. Beschuldigende Äußerungen der Kinder kannst du durch Nachfragen und Umformulierungen entschärfen. So hilfst du den Kindern auch dabei, die Interessen und Perspektiven des anderen nachzuvollziehen.

Ihr habt euch ja gerade mächtig gestritten. Was ist denn eigentlich passiert?“
„Ich habe gesehen, dass du Jo an den Haaren gezogen hast. Wie ist es denn dazu gekommen?“   

„Julius, du hast gesagt, Max hat dich angegriffen. Was meinst du denn damit?“
„Ach, du bist über sein Bein gestolpert? Und du hast gedacht, er hätte dir absichtlich ein Bein gestellt?“

Du wolltest den Platz für dich haben und Cem hat das nicht verstanden? Da wusstest du dir nicht anders zu helfen und hast ihn weggestoßen?“

Du wolltest eine Decke zum Kuscheln haben? Habe ich das richtig verstanden? Deswegen hast du sie immer wieder genommen. Kann es sein, dass du müde bist?“
„Hast du das gehört, Elif? Merle brauchte etwas zum Kuscheln.“

Wenn geklärt ist, was alle Beteiligten wollten – manchmal reichen dazu wenige Sätze – kannst du zur Lösungssuche überleiten. Manchmal kommen die Kinder von sich aus auf Ideen. Je nach Situation kann eine der folgenden Fragen hilfreich sein:

Und nun? Wie geht es jetzt weiter?“
„Was könnt ihr denn nun machen, damit ihr beide zufrieden seid?“
„Habt du auch eine Idee? Was würde dir helfen?“

Ich habe auch noch eine Idee. Möchtet ihr die hören?“
„Was haltet ihr davon, wenn …?“

Fasse auch hier wieder in deinen Worten zusammen und frage dann die Kinder, welche der Lösungen für sie passt bzw. ob sie mit einem Vorschlag einverstanden sind.

Jo hat vorgeschlagen, dass sie den Turm wieder aufbaut. Würde dir das gefallen?“
„Jo, Frida möchte lieber etwas anderes spielen und hätte gern, dass du die Bausteine einräumst. Bist du einverstanden?“

Bleibe anschließend noch in der Nähe. Manchmal brauchen Kinder Unterstützung bei der Umsetzung, vielleicht bedarf es noch einer Änderung oder einer Spielbegleitung. Nicht immer sind alle mit einer Lösung glücklich. Das ist auch in Ordnung. Dann besteht die Aufgabe darin, die betreffenden Kinder noch zu begleiten.

Du wolltest so gerne mit Johanna spielen und Johanna mag jetzt lieber allein sein. Das ist traurig für dich. Hhm. Ich kann eine Weile mit dir traurig sein. Wie wäre das?“

Erfolge feiern

Streiten kann man lernen. Es ist ein Lernprozess für alle Beteiligten. Manchmal strengt es dich nur wenig an, manchmal raubt es allen die letzte Energie. Sei freundlich mit dir und mit den Kindern. Vielleicht magst du für dich selbst oder gemeinsam mit den Kindern überlegen: Was ist uns heute gut gelungen? Wie haben wir den Konflikt gelöst? Wer hat wie dazu beigetragen? Kleine Erfolge zu wertschätzen, direkt nach dem Konflikt oder am Ende eines Tages, kann für alle ein beglückender Moment und zugleich Mutmacher sein.

Für die Konflikte, die dir demnächst begegnen, wünsche ich dir Neugier, Zuversicht und die nötige Portion Gelassenheit.

Herzliche Grüße

Sabrina

Wenn Du mehr über Sabrina erfahren oder sie zu einer Teamfortbildung zu Dir in die Einrichtung einladen möchtest, besuche sie gern auf ihrer Website unter www.sabrina-dittmann.de oder auf ihrer Facebookseite unter https://www.facebook.com/dialogsabrinadittmann

Auch in den KitaTalks war Sabrina bereits zu Gast mit dem wichtigen und interessanten Thema: Kratzen, Beißen, Hauen