Sei der Leuchtturm und nicht der Sturm! – Einführung in die Anker-Methode

In meinem Buch: „Schätze finden statt Fehler suchen“ beschreibe ich das kindliche Gehirn im Notfallprogramm und es wird schnell klar, dass wenn das Kind durch unterschiedlichste Auslöser und Ursachen bereits im Ausnahmezustand ist, es überhaupt nicht zuträglich ist, dass du als Fachkraft auch ausflippst. Da die Selbstregulierung der Kinder sich noch in der Entwicklung befindet, brauchen sie unsere Co-Regulation von außen. Und genau dafür müssen wir als Fachkräfte Wege finden, uns zunächst einmal selbst zu regulieren, um Ruhe zu bewahren und besonnen reagieren zu können.

Personalmangel, Schutzkonzepte, Partizipation, fordernde Eltern, herausfordernde Kinder… und dann sollst du bei dem ganzen Stress auch noch die Ruhe bewahren. Wie soll das gehen?

Selbstregulation vor Co-Regulation

Um das im turbulenten Alltag zu schaffen, braucht es: Innere Stärke, Kraft, Zuversicht, Kompetenz, Selbstbewusstsein und Vertrauen. Die große Kunst besteht immer wieder darin, diese Eigenschaften und Fähigkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu aktivieren. Am besten immer dann wenn du sie wirklich brauchst, nämlich mitten in einer Stressituation.

Wie klingt es für dich, wenn ich behaupte, dass es eine Methode gibt, wie du praktisch „auf Knopfdruck“ in einen ressourcenvollen Zustand kommen kannst? Ein Zustand indem du im Vollbesitz deiner Kräfte bist und ruhig und besonnen reagieren kannst?

Es handelt sich hierbei um die sogenannte Anker-Methode, die ich in meinen Weiterbildungen zur Traumapädagogin kennenlernen durfte und selbst schon viele Male in den unterschiedlichsten Lebensbereichen angewendet habe.

Die Anker-Methode

Die Methode nennt sich „Ankern“ oder auch „Moment of excellence“. Für mich ist sie ein wichtiger Baustein im Umgang mit herausfordernden und belastenden Situationen im pädagogischen Alltag.

Wie der Name es schon sagt, geht es darum etwas zu „verankern“. In diesem Fall werden mittels eines spezifischen Reizes/ Auslösers, positive Emotionen verankert. So kann bei Bedarf durch die Aktivierung des Reizes, die vorher verankerte Emotion wieder aktiviert werden.

Das „Ankern“ machst du vermutlich schon heute – meist geschieht dies jedoch unbewusst.

Denn „Ankern“ heißt eigentlich nur, dass es einen sinnesspezifischen Reiz (Auslöser) gibt, der bei einem Menschen eine bestimmte Reaktion bewirkt. Je nachdem welche Sinne am meisten angesprochen werden, kann man zwischen folgenden Ankern unterscheiden:

  • Visuelle Anker (Bild, Symbol, Zeichen, Landschaften, Menschen…).

Beispiel: Immer wenn ich merke, dass ich vor lauter Aufgabenwirrwarr und Terminstress nicht mehr klar denken kann. Dann versetze ich mich visuell in Gedanken ans Meer. Der weite Blick auf das Meer beruhigt mich innerlich und so kann ich meine Gedanken wieder viel besser sortieren. Die Weite verschafft mir Freiraum und Ruhe.

  • Auditive Anker (Musik, Geräusche, Stimmen, Worte…)

Beispiel: Ich glaube jeder von uns hat gewisse Lieder, die uns in Erfahrungen und Emotionen schwelgen lassen. Vielleicht gibt es ja für dich eine besondere Melodie, die du vor dich hin summen kannst, um dich zu beruhigen. Mir hilft es beispielsweise, wenn ich langsam von 10 rückwärts zähle.

  • Kinästhetischer Anker (Berührungen oder Bewegungen):

Beispiel: In ganz besonderen Momenten berühre ich meinen Ehering und verbnde mich so mit meinem Mann, der für mich haltgebend und wichtig ist. Ein Handschmeichler in der Hosentasche ist für viele auch ein bewährter Anker.

  • Olfaktorischer/ Gustatorischer Anker (Düfte, Gerüche, Geschmack)

Beispiel: Der Duft frischer Pfannekuchen erinnern mich an meine Kindheit im großelterlichen Haus, eine Zeit an die ich sehr gerne zurück denke. Für andere ist es ein besonderes Parfüm oder der Geschmack süßer Beerenfrüchte, die positive Emotionen wachrufen.

Finde deinen Anker

Die Kunst liegt nun darin, selbst einen „Anker“ zu finden und setzten. D.h. du verknüpfst bewusst einen Reiz (Auslöser) mit einer bestehenden Erfahrung.

Schritt 1:

Zunächst einmal solltest du überlegen, wann du in deiner täglichen Arbeit an deine Grenzen kommst und dringend einen Anker brauchen könntest. Welche Eigenschaft bräuchtest du in diesem Augenblick am allermeisten.

Erst wenn du weißt, wann du einen Anker brauchst, kannst du auch gezielt einen „Anker“ setzen. Durch die Aktivierung des „Ankers“ mittels eines bewussten Auslösers, versetzt du dich wieder in einen ressourcenvollen Zustand, so dass sich die Aufregung und Nervosität legt und du besonnen reagieren kannst.

Schritt 2:

Dann erinnere dich an eine Situation oder ein Ereignis, in der du Emotionen empfunden hast, du die gerne verankern möchtest. Erlebe dabei in deiner Erinnerung die Situation mit allen Sinnen nochmal nach:

  • Was siehst du?
  • Was hörst du?
  • Was spürst du?
  • Was riechst du?
  • Was schmeckst du?

In meinem Fall habe ich ein ganz klares Bild vor Augen. Ich stehe an der Ostsee und schaue auf das weite Meer. Der Wind bläst mir ins Gesicht. Ich schmecke ein bisschen Salz auf meinen Lippen. Ich schaue den über den Wellen segelnden Möwen zu. Ich fühle mich frei und unbeschwert.

Schritt 3:

Du bist nun mittendrin im (Nach)Erleben und kurz vor dem Höhepunkt des Erlebens, drückst du mit ein bis zwei Fingern für 8-10 Sekunden eine Körperstelle, deinen kleinen Finger, dein Ohrläppchen oder deinen Oberarm. Suche dir auf jeden Fall eine Stelle aus, die du jederzeit anfassen kannst. Ich lege gerne die Hand auf mein Herz.

Drücke diese Köperstelle und erlebe mit all deinen Sinnen, diese so kraftvolle Situation, die du für dich in Erinnerung gerufen hast.

Schritt 4:

Löse den Druck, lass die hervorgerufene Situation gedanklich wieder los und denke an was ganz Banales.

Schritt 5:

Teste dann über das Auslösen des Ankers, also durch das Drücken der besagten Körperstelle, ob sich die „verankerte Emotion“ bei dir wieder einstellt. Wiederhole das mehrmals. Falls sich die gewünschten Emotionen nicht einstellen sollte, bzw. du nicht das Gefühl eines ressourcenvollen Zustands hast, dann beginne nochmal bei 1.

Schritt 6:

Üben, wiederholen, üben, wiederholen: Anker wollen gepflegt sein! Aktiviere regelmäßig deinen Anker und fühle die Erfahrung und Emotionen, die du verankert hast.

Eine andere Möglichkeit seine Erfahrungen und Emotionen zu verankern, ist die Verwendung eines Gegenstandes, Talismanns oder einer Halskette. Prinzipiell ist das Vorgehen wie oben bereits beschrieben, nur drückst du dann keine Körperstelle, sondern den Gegenstand.

Ein gut gepflegter „Anker“ kann hilfreich sein!

Nicht selten begegnen wir unterschiedlichsten stressauslösenden Situationen: für Auszubildende kann das die anstehende Facharbeit oder Prüfungssituation sein. Im pädagogischen Alltag steht der nächste Elternabend oder ein schwieriges Elterngespräch an. Für einen Konflikt mit dem*r Kolleg*in brauchst du einen klaren Kopf. In diesen unterschiedlichen Situationen kann es wertvoll und hilfreich sein, auf deinen Anker zurück zu greifen.

Die Anker-Methode ist übrigens auch eine wichtige Methode für Teams, die regelmäßig biografische Selbstreflexion machen. Bei dieser Auseinandersetzung kann der*die Einzelne mit belastenden Anteilen der eigenen Geschichte in Kontakt kommen. Um sich in diesen Situationen gut schützen zu können, hilft die Anker-Methode, sich der eigenen inneren Kraft, Zuversicht und Stärke zu besinnen und positive Emotionen abzurufen.

Und nun wünsche ich dir viele möglichst stressfreie Zeiten mit Kindern, Eltern und Kolleg*innen.

Deine Anja

Meine aktuellen Bücher:

Cantzler, A. (2023): Schätze finden statt Fehler suchen, Herder Verlag

Wedewardt, L., Cantzler, A. (2022): Sich seiner selbst bewusst sein, Herder Verlag

Wedewardt, L., Cantzler, A. (2022): Workbook: Sich seiner selbst bewusst sein, Herder Verlag

Podcast – Episode 2: Miniatelier, Holzwerkstatt & Co – Bedeutung der Werkstattpädagogik für die Entwicklung

In dieser Folge bin ich mit Saskia Franz, Leiterin der Kinta St. Franziskus im Kirchtal im Gespräch.

Wir sprechen über die Bedeutung der Werkstattpädagogik für Kinder in der Kita und wie in Miniateliers, Holzwerkstätten und ähnliche Werkstatträumen die Entwicklung von Kindern aller Altersstufen gefördert werden kann. Im vergangenen Jahr war ich zu Besuch in der Kita und konnte mich von der Brillianz der Arbeit vor Ort selbst überzeugen.

Was ist Werkstattpädagogik? – Saskia Franz erklärt, was unter Werkstattpädagogik zu verstehen ist und welche Ziele damit verfolgt werden. In ihrer Arbeit wird dieser Ansatz gekonnt mit der Reggiopädagogik verknüpft.

Sie erklärt, worin der Unterschied zwischen der Werkstattpädagogik und Reggio besteht und warum sie sich trotzdem wunderbar ergänzen.

Sie erläutert darüber hinaus, warum die Werkstattpädagogik so wertvoll für die Entwicklung und Entfaltung der Kinder ist. Du bekommst einen Einblick in die pädagogische Arbeit der Kita und bekommst verschiedene Beispiele für Aktivitäten, die in einem Miniatelier oder einer Holzwerkstatt durchgeführt werden können.

Saskia Franz macht mit ihren Erzählungen Lust auf mehr und vielleicht hast du ja Interesse, dich mit deinem Team auch auf den Weg zu machen.

Mehr über Saskia Franz und die Arbeit in ihrer Kita erfährst du auch in den Kita eigenen Podcast: Gezwitscher aus dem Kindergarten.

https://www.podcast.de/podcast/2577554/gezwitscher-aus-dem-kindergarten

Kontakt: Saskia Franz St. Franziskus im Kirchtal

Max-Planck-Str. 3 , 71726 Benningen am Neckar

info@im-kirchtal.de

www.im-kirchtal.de

Podcast – Episode 1: Gestärkt in die Zukunft – Resilienzförderung bei Kindern mit Marion Tönges

Was ist Resilienz und was hat Achtsamkeit mit Resilienzförderung zu tun?
Warum ist Resilienz so wichtig für Kinder?
Wie kann ich die Resilienzentwicklung bei Kindern bereits im Kindergarten unterstützen?

All das sind Themen mit denen ich mich mit Marion Tönges in diesem KitaTalk beschäftige.

Außerdem erfährst du näheres über das Projekt „Affenstill“- ein Projekt für mehr Achtsamkeit und Resilienz von Anfang an.

Du kannst Marion Tönges über Instagram folgen, um mehr über sie und Tun zu erfahren:

https://www.mt-mentoring.de

Vielen Dank an Roland Kah für die hier verwendete Musik: Happy Intro https://ronaldkah.de

Biografische Selbstreflexion – ein vielseitiges Instrument zur beruflichen Standortbestimmung und persönlichen Weiterentwicklung

Als pädagogische Fachkraft hast du eine wichtige Verantwortung: Du begleitest Kinder in ihrer Entwicklung, bestärkst sie in ihrem Sein und unterstützt sie, sich selbst zu entdecken. Doch wie kannst du dich selbst darauf vorbereiten, diese Aufgabe erfolgreich zu meistern? Eine Möglichkeit dazu bietet die biografische Selbstreflexion, mit der ich mich schon seit vielen Jahren beschäftige. Diese Auseinandersetzung mit mir selbst, begann aufgrund einer schweren Erkrankung vor über 20 Jahren, die ich in Begleitung einer Therapeutin zu verarbeiten suchte. Schon sehr schnell bemerkte ich, dass diese Form der Bearbeitung meiner biografischen Erlebnisse und Erfahrungen dazu führte, dass ich mich selbst besser verstehen und annehmen lernte. Die anschließenden systemischen Ausbildungen zur Coachin und Supervisorin vertieften dieses Erleben. Hier machte ich die Erfahrung, dass es nicht immer eine Therapie sein muss, um sich mit der eigenen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen oder um herauszufinden wer ich bin, was ich kann und wohin ich will.

Was genau ist biografische Selbstreflexion?

Unter biografischer Selbstreflexion versteht man die systematische Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte. Dabei geht es darum, die eigenen Erlebnisse, Gefühle und Einsichten zu reflektieren und sich bewusst damit auseinanderzusetzen. Die biografische Selbstreflexion kann dabei auf verschiedene Arten stattfinden, zum Beispiel durch das biografische Schreiben oder durch Gespräche mit anderen Menschen.

Warum ist biografische Selbstreflexion für pädagogische Fachkräfte wichtig?

Biografische Selbstreflexion kann für pädagogische Fachkräfte auf viele Arten von Nutzen sein. Zum einen kann sie dazu beitragen, die eigene Identität und die eigenen Werte besser zu verstehen und zu stärken. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn wir uns in schwierigen Situationen befinden oder uns unsicher sind, wie wir am besten handeln sollen.

Zum anderen kann biografische Selbstreflexion dazu beitragen, die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen. Dies ist wiederum von Vorteil, wenn wir uns beruflich neu orientieren oder uns für eine neue Stelle bewerben möchten. Indem wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was uns in der Vergangenheit besonders gut gelungen ist und wo wir noch Verbesserungspotential haben, können wir uns gezielt weiterentwickeln und uns auf die Zukunft vorbereiten.

Biografische Selbstreflexion als Werkzeug zur Standortbestimmung

Neben der Klärung der eigenen Werte und Stärken kann biografische Selbstreflexion auch dazuanjacantzler@t-online.de beitragen, uns bei der Standortbestimmung zu unterstützen. Indem wir uns bewusst mit unseren bisherigen beruflichen Erfahrungen und Erlebnissen auseinandersetzen, können wir besser verstehen, welche Art von Arbeit uns wirklich erfüllt und welche nicht. Auf diese Weise können wir uns gezielt auf Stellen bewerben, die zu uns und unseren Werten, Interessen und Vostellungen passen.

Biografische Selbstreflexion als Möglichkeit, die eigene Entwicklung zu unterstützen

Nicht zuletzt kann biografische Selbstreflexion auch dazu beitragen, unsere eigene berufliche Entwicklung zu unterstützen. Indem wir uns bewusst mit unseren bisherigen Erfahrungen und Erlebnissen auseinandersetzen, können wir besser verstehen, welche Art von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten wir in der Vergangenheit wahrgenommen haben und welche wir in Zukunft noch nutzen möchten. Auf diese Weise können wir unsere Karriere gezielt gestalten und uns auf die Zukunft vorbereiten.

Wie findet das im Einzelnen statt?

Durch die Auseinandersetzung mit deiner eigenen Lebensgeschichte weckst du Erinnerungen und damit verbundene Gefühle – dies kann für dich sowohl zur Aufarbeitung und Versöhnung führen als auch ein wiederentdeckter Quell der persönlichen Freude sein. Du bist das Ergebnis deiner Vergangenheit, unabhängig davon ob sie nun positiv oder negativ war. Wenn du sie annimmst, kannst du fühlen, wer du bist!

Indem du dich mit deinem Leben auseinandersetzt, erkennst du deine eigenen Stärken und Ressourcen und kannst sie in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern, Eltern und Kolleg*innen bewusst und möglichst entwicklungsförderlich einsetzen. Nur, wenn du dich selbst kennst und weißt, was für Ressourcen und Kompetenzen in dir schlummern, kannst du das authentisch und stimmig in deine pädagogische Tätigkeit einbringen.

Manchmal verstehen wir erst durch den Blick in unsere Vergangenheit warum Dinge geschehen. Nicht selten wird dann deutlich, dass auch vermeintlich „schlechte“ Erfahrungen am Ende etwas Positives in deinem Leben bewirkt haben. Ben Fuhrmann hat hierzu das wunderbare Buch: „Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben“ geschrieben. Sein Fazit besteht darin, dass es nicht wichtig ist, was wir im Einzelnen erlebt haben, sondern unsere Bewertung im Nachhinein ausschlaggebend ist, welche Bedeutung das Erlebte für uns hat. Biografische Selbstreflexion ist ein Weg, der dir hilft, das zu erkennen.

Eine Auseinandersetzung mit deiner eigenen Lebensgeschichte und deinem beruflichen Werdegang führt zur Sinnfindung in deinem Leben. Indem du du vergangene Erfahrungen reflektierst, weißt du viel besser, warum du in bestimmten Situationen auf deine persönliche Art und Weise reagierst. Der „rote Faden“ in deinem Fühlen, Denken und Handeln wird sichtbar und du lernst dich selbst als Person intensiv kennen.

Bist du noch glücklich in deinem Team oder in deinem Beruf?

In letzter Zeit begegne ich zunehmend Leitungs- und Fachkräften, die in einer Sinnkrise stecken. Viele Kolleg*innen sind zwischen 35 und 60 Jahre alt, arbeiten schon viele Jahre mit viel Herz und Engagement in diesem Beruf. Die einen haben schon alles erreicht und sind auf der Suche nach neuen Herausforderungen, andere haben sich so verausgabt und versuchen den drohenden Burnout zu umgehen, wieder andere sind frustriert, weil ihnen Wertschätzung und und Anerkennung fehlt, und dann gibt es die, die ihre beruf lieben, jedoch immerwieder an Grenzen stoßen, weil ihre Vision einer beziehungsstarken, bedürfnisorientierten und gewaltfreien Kindheit bei den Kolleg*innen auf Widerstand stößt.

Findest du dich da gerade wieder? Dann solltest du dich fragen:

  • Wie zufrieden bin ich gerade mit mir und meiner beruflichen Situation?
  • Sehne ich mich nach einer Veränderung?
  • Wie erlebe ich meinen beruflichen Alltag? Sind meine Tätigkeiten für mich noch sinnvoll oder gibt es für mich wichtigere bzw. andere Dinge, zu denen ich aber nicht komme, weil mir die Energie fehlt?
  • Ertappe ich mich öfters bei Gedanken wie z.B. „Ich kann so nicht mehr weitermachen“ oder „wann kommt endlich das nächste Wochenende?“
  • Habe ich im schlimmsten Fall vielleicht schon körperliche oder psychische Beschwerden, weil mir „alles zuviel“ wird?
  • Oder hinterfrage ich ganz einfach „das große Ganze“ und stelle mir öfters mal die Frage nach dem „Sinn“ ?

Schließe nun für einen Moment die Augen, atme tief durch und fühle in dich hinein.

Wie hast du die Fragen im Einzelnen beantwortet und wie geht es dir damit? Fühlt sich das noch stimmig für dich an? Stehst du am Morgen im Normalfall gerne auf und startest gut in den Tag? Oder gibt es etwas, was dich bedrückt und das du vielleicht gerne ändern möchtest? Woher kommt deine aktuelle Unzufriedenheit?

Gehen wir einen Schritt weiter

Lass uns nun einmal ein kleines Experiment machen. Lass vor deinem geistigen Auge eine Sanduhr entstehen, die für dich deine persönlich gefühlte Lebens-Sanduhr darstellt – und damit meine ich nicht deine bereits vorhandenen Lebensjahre. Wie viel von deinem emotionalen Leben hast du nach deinem Empfinden schon gelebt bzw. wie viel Sand ist schon durch die Verengung geronnen? Nimm dir für die Beantwortung dieser Frage Zeit – und spüre in dich hinein.

Wie sieht deine Sanduhr aus? Ist deine Sanduhr im oberen Teil noch ganz voll, weil noch nicht viel Lebenszeit verronnen ist und du noch alle Möglichkeiten hast, dein Leben zu genießen und dich zu verwirklichen? Oder ist bei dir die Hälfte der Zeit schon abgelaufen ist? Oder bestimmt dich das Gefühl haben, dass dir nicht mehr allzu viel Zeit bleibt…

Alleine dich hier einzuordnen gibt dir schon eine gute Auskunft darüber, wo du in gerade stehst. Denke jetzt noch einmal einen Moment darüber nach. Was sagt dir das? Was möchtest du aus deiner verbleibenden Zeit machen? Hast du noch Pläne? Wenn ja, wann willst du damit beginnen, sie zu verwirklichen?

Um dem Ganzen aber noch genauer auf den Grund zu gehen, schau dir bitte nachfolgende Satzanfänge an.

  • Bis jetzt habe ich noch nicht …
  • Irgendwann will ich unbedingt …
  • Mir fehlt derzeit …
  • Ich freue mich gerade über …

Was braucht es, um dahin zu kommen, wo du gerne sein möchtest? Und was kannst du selbst dafür tun?

Nicht immer bedeutet das dann, den Beruf ganz an den Nagel zu hängen. Manchmal reicht der Wechsel in ein neues Team, das von den Werten und der Haltung besser zu einem passt. Manchmal sind es kleinere und größere Stellschrauben, die es zu verhandeln gilt wie z.B. die Einführung eines Nachmittags im Home Office für die Leitungskraft, um ungestörte Zeit für das Qualitätsmanagement zu haben.

Und wenn du merkst, dass du dich gerade im Kreis drehst und selbst keine passenden Wege für dich findest, dann wende dich am besten an eine*n Coach*in deines Vertrauens. Oftmals braucht es einfach den Blick und die Begleitung von außen. Auch ich als erfahrene Coachin suche manchmal professionelle Beratung auf, da Selbstcoaching nicht immer zielführend ist. Oder wie mein Mann sagt: „Das kann ja auch nicht funktionieren, schließlich kann man sich ja auch nicht selbst kitzeln.

Ein paar Worte zum Schluss

Biografische Selbstreflexion kann dir als pädagogische Fachkraft auf viele Arten von Nutzen sein. Sie kann dazu beitragen, deine eigene Identität und die eigenen Werte besser zu verstehen und zu stärken, die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen und dich bei der Standortbestimmung und beruflichen Entscheidungsfindung zu unterstützen. Wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was uns in der Vergangenheit besonders gut gelungen ist und wo wir noch Verbesserungspotential haben, können wir uns gezielt weiterentwickeln und uns auf die Zukunft vorbereiten und ggfs. neue wege finden. Manches Mal bedarf es hierbei der professionellen Begleitung und Unterstützung.

Deine Anja

 

 

Zur Vertiefung:

Bogartikel: Warum glaubst du mir nicht- Umgang mit Mißtrauen und falschen Unterstellungen

Gastbeitrag von Anja Klostermann: Und jedem Abschied folgt ein Neubeginn

Wedewardt, Lea/ Cantzler, Anja (2022): Sich seiner Selbst Bewusst Sein – Biografische Selbstreflexion. Herder Verlag.

Wedewardt, Lea/ Cantzler, Anja (2022): Sich seiner Selbst Bewusst Sein – Biografische Selbstreflexion, Das Workbook. Herder Verlag.

 

Wird Papa nass, wenn es regnet? – Umgang mit Tod und Trauer bei Kindern

Quelle: Canva

Bereits 2020 habe ich mich mit Unterstützung Trauerbegleiterin Vanessa Pivit hier auf diesem Blog den Themen Tod und Trauer gewidmet. Diese Beiträge findest du unter: Wie lange dauert traurig sein – Ein Interview über Abschied Tod und Trauer, Teil 1 und Teil 2 und Der Trauerkoffer.

Heute folgt ein weiterer Beitrag, dieses Mal von Anne Seyfert verfasst, die sich im Rahmen ihres Studiums mit dem Thema intensiv auch auf Basis der Biografiearbeit beschäftigt hat. Ich wünsche dir viele interessante Impulse und Anregungen für deine Arbeit mit Kinder, die gerade diese Themen umtreiben und die du gerne darin begleiten möchtest.

Wird Papa nass, wenn es regnet? – Umgang mit Tod und Trauer bei Kindern

Ein Gastbeitrag von Anne Seyfert

Kann Mia den Regenbogen auch sehen? Schaut Opa mir beim Spielen zu? Hat Mama mich jetzt immer noch lieb? Kann ich Oma das Haus zeigen, was ich heute für sie gemalt habe?

Die Auseinandersetzung mit dem Thema achtsame Begleitung von Kindergartenkindern in Trauer-, Trennungs- und Verlustsituationen verursacht oftmals Scheu, Unsicherheiten, Versagensängste oder das Gefühl, dem nicht gewachsen zu sein. Pädagogische Fachkräfte werden mit Situationen konfrontiert, die ihnen einerseits das schmerzliche eigene Erleben derartiger Verluste aufzeigen oder Handlungsstrategien fordern, deren theoretische Fundierung durch fehlende Erfahrungen nicht vorhanden sind.

Biografiearbeit als Schlüssel

Im Verlauf meines Studiums und basierend auf eigenen persönlichen Erfahrungswerten, hatte ich die Möglichkeit mich gemeinsam mit einer Kommilitonin intensiv mit der Methode der Biografiearbeit auseinander zu setzen und Chancen, Möglichkeiten und Ansätze der Biografiearbeit bei der achtsamen Begleitung von Kindern und deren Angehörigen in Trennungs- und Verlustsituationen in einem reflexiven Handlungsleitfaden für pädagogische Fachkräfte zusammenzutragen. Dieser Blogbeitrag dient der Sensibilisierung für die dringende Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit einer möglichen Begleitung von Kindern in einschlägigen Lebenssituationen.

Die Biografie eines Menschen reflektiert Einstellungen, Erwartungen, Erlebnisse und erweiterte oder auch beschränkte Handlungsmuster.

Biografiearbeit ist eine strukturierte Methode in der pädagogischen und psychosozialen Arbeit, die Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und alten Menschen ermöglicht, frühere Erfahrungen, Fakten, Ereignisse des Lebens zusammen mit einer Person ihres Vertrauens, zu erinnern, zu dokumentieren, zu bewältigen und zu bewahren. Dieser Prozess ermöglicht Menschen, ihre Geschichte zu verstehen, ihre Gegenwart bewusster zu erleben und ihre Zukunft zielsicherer zu planen“ (Lattschar; Wiemann 2018, S. 14)

 

Die Kernelemente der Trauerbegleitung

Die Konfrontation mit Trennungs- und Verlustsituationen in der Entwicklungsbegleitung im Kindergartenalltag zeigt mögliche Facetten auf. Die Verabschiedung von Eltern- oder Geschwisterteilen in Scheidungskonstellationen, der Verlust von Bindungsbeziehungen durch Inobhutnahme, die Begleitung von Freunden oder Familienangehörigen in schweren Krankheitsverläufen mit Todesfolge oder der absehbare bzw. plötzlich eintretende Tod von Eltern/ Elternteil, Großeltern, Geschwistern, Haustieren, Nachbarn, Verwandtschaft, Kollegen oder selbst Kindern von Fachkräften. Diese lebensverändernden Ereignisse eröffnen Erfahrungsbereiche, die eine kindzentrierte Begleitung fordern. Dabei ist die Vorbereitung auf den Umgang mit derartigen Auseinandersetzungen effizienter und im pädagogischen Aufgabenfeld zu verorten. Die Notwendigkeit der Selbstreflexion eigener Emotionswelten ist die Voraussetzung für die Vermeidung einer Vermischung eigener und fremdbezogener Empfindungen. Die Kenntnis kultureller, religiöser und familienspezifischer Handlungsstrategien ist Basis einer kindzentrierten Begleitung. Das Bewusstsein für die Auswirkung der eigenen Biografie auf adäquate Handlungsmuster ist essenziell und implementiert die Chance einer verstehenden Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, der Bewältigung aktueller Krisen sowie dem Entwerfen von Zukunftsplänen (Klingenberger; Ramsauer 2017, S. 71f.). Somit sind die zwei Kernelemente der kindzentrierten Begleitung von Kindern und deren Familien in Trauer- und Verlustsituationen: Die Selbstreflexion der Fachkräfte und der Erwerb Grundkenntnisse der Trauerprozesse bei Kindern im Kindergartenalter.

Die Selbstreflexion der Fachkräfte

Den Fokus auf die eigene Person und die Auseinandersetzung mit der Fragestellung „Welche Trauer-und Trennungserfahrungen haben meine Biografie geprägt?“ wirkt konträr zu der Einstellung von Erwachsenen, Trauer- und Verlusterfahrungen als Schutzsegment von Kindern fernzuhalten. Die Entwicklungsbegleitung von Kindern verlangt vielmehr das Erlebte zu erfassen und eine gemeinsame Krisenbewältigung zu forcieren. Ohne diese ist eine Konstruktion geeigneter Bewältigungsstrategien ausgeschlossen. Eine unterdrückte Kommunikation über die Trauer- und Verlustsituation bedingt das

Entstehen unangepasster Fantasien infolge von Negativerfahrungen durch fehlendes „Situation-beim-Namen-nennen“ und somit die Entwicklung einschlägiger Schemata mit negativem Erfahrungsgehalt. Das konsequente Durchführen biografischer Selbstreflexion eröffnet die Chance unvorbereitetes Aufbrechen eigener Verlustsituationen und folglich lähmender Entscheidungsfindung durch das „Antriggern“ bei Konfrontation mit ähnlichen Situationen entgegenzuwirken und entsprechend Handlungsstrategien zu implementieren, die Kinder effektiv bei der Bewältigung derartiger Lebensereignisse unterstützen. Verschiedene Impulsfragen dienen der ersten Auseinandersetzung mit dem Thema und bilden die Grundlage für erweiterte Reflexionstools.

Impulsfragen zum Thema Tod

Impulsfragen zum Thema Verlusterfahrung

  • Was beschäftigt mich am Tod?

  • Welche Ängste und Hoffnungen habe ich, wenn ich an den Tod denke?

  • Glaube ich an ein Leben nach dem Tod?

  • Wodurch wurde meine Einstellung zum Tod gespeist?

 

  • Um wen habe ich in meiner Kindheit getrauert?

  • Welche Gedanken hatte ich dabei?

  • Welche inneren Bilder tauchen dazu auf?

  • Wie wurde seitens der Erwachsenen mit meiner Trauer umgegangen?

 

Renommierte Autor*innen wie Herbert Klingenberger und Erika Ramsauer verweisen auf die Methoden der Genogrammarbeit, der Bio-Grafik oder der Verwendung eines Zeitstrahls, um eine Selbstreflexion gewissenhafter zu verschriftlichen und eigene prägende Erlebnisse festzuhalten. Dem gemeinsamen Ergründen expliziter Biografien im pädagogischen Team einer Einrichtung wird dabei ein besonderer Stellenwert zugemessen. Dabei ist es essenziell zu hinterfragen, ob das Thema Trauer / Tod / Trennung generell Aktualität im Kita-Alltag besitzt. An dieser Stelle verneinen Fachkräfte oftmals den Bezug zum Tod. Prävention ist jedoch ausschlaggebend. Die Vorbereitung auf derartige Situationen ist als notwendig zu betrachten. Die Facetten dieser Situationen werden später nochmal beleuchtet. Der Abgleich einrichtungsbezogener und gesellschaftlicher bzw. medial transportierter Einstellungen ist die Grundlage für die Reflexion kollegialer Handlungsstrategien. Das Bild vom Kind und explizit eines trauernden Kindes ist dabei entscheidend. Diverse Team-Settings können diesbezüglich hilfreich sein, damit das oftmals unangenehm berührende Thema Verlust und die damit verbunden Emotionen aufgebrochen und zielführend gelenkt werden.

Folgende Vorschläge für Impulsfragen zur Teamreflexion können angeführt werden:

    • Sollen Kinder mit dem Thema Tod konfrontiert werden?

    • Wie können Eltern und Träger für die Wichtigkeit des Themas sensibilisiert werden?

    • Ist es sinnvoll, in der Konzeption den Umgang mit dem Thema
      Trauer/ Trennung/ Tod festzuschreiben?

    • Wie kann man Tod/ Trauer/ Verlust thematisieren mit Eltern und Kindern?

    • Haben wir die Kompetenz Kinder und Familien adäquat zu begleiten?

    • Welchen Wert messen wir diesem Thema bei?

    • Was ist in der Konzeption über Trauer/ Trennung/ Tod geschrieben?

    • Welche Rituale des Abschiednehmens werden in unserer Einrichtung gelebt?

    • Welche Haltung bzw. welches Verständnis in der Bewältigung von Krisen hat das Team?

 

Der Erwerb Grundkenntnisse der Trauerprozesse bei Kindern im Kindergartenalter

Die wohl größte Herausforderung ist es, eine kindliche Auffassung des Trauer- und Verlustgeschehens zu erkennen, zu verstehen, anzunehmen und zu respektieren. Im Kindergartenalter sind Kinder noch nicht in der Lage, dem Begriff Tod die Bedeutung zuzumessen, die von Erwachsenen zugedacht wird. Die fehlenden Erfahrungen und Auseinandersetzungen sind die Grundlage dafür. Miriam Haagen beschreibt in ihrem Buch die Relevanz, dass Kinder den Tod als zeitweilig, umkehrbar und als Weiterleben unter anderen Bedingungen auffassen und entsprechend keine Vorstellung von Endlichkeit haben (Haagen 2017, S. 49ff.). Entsprechend ist es für pädagogische Fachkräfte, die Kinder in prägenden Entwicklungsphasen begleiten und einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Selbstkonzeptes von Kindern ausüben, essenziell, sich mit den durch Verena Kast determinierten vier Phasen der Trauer auseinander zu setzen:

    1. Nicht-wahrhaben-Wollen: Empfindungslosigkeit

    2. aufbrechende Emotionen: Verlust wird wahrgenommen -> Wut, Trauer, Freude, Angst, Zorn, Schuldgefühle

    3. Suchen und Sich-Trennen: örtlich, räumlich, Tätigkeiten, Objekte wie Kleidungsstücke und Fotos

    4. Neuer Selbst- und Weltbezug: in neue Rolle im Leben einfinden und diese annehmen, Akzeptanz des Todes und Verständnis dafür, dass Zuneigung nicht mehr erwidert wird -> Zuwendung real suchen

(Kast 2014, S. 69ff.)

In der Praxis sind verschiedene Reaktionen von Kindern auf Trauer- und Verlustreaktionen beobachtbar. Diese verweisen auf die Notwendigkeit einer kindzentrierten und bedürfnisorientierten Begleitung. Die Ausprägungen reichen von dem Entwickeln von Schuldgefühlen, Wut, Aggression, Ärger, Verstummung und Rückzug, Hyperaktivität bis hin zur Verdrängung und völliger Ablehnung. Häufig beobachtbare Formen der kindlichen Trauerverarbeitung wurden von Margit Franz mit folgenden Termini beziffert:

Animismus: unbelebte Objekte für lebendig halten

Egozentrismus: Kinder gehen davon aus, dass alle das Gleiche fühlen, denken, sehen -> Anspruch an Eltern und Fachkräfte sich in die Situation der Kinder hineindenken

magisches Denken: Vorstellung von Kindern mit eigenem Denken Wirklichkeit beeinflussen zu können – Verlustpersonen wieder herbeidenken (Franz 2021, S. 67ff.)

Bedarfe von Kindern zu ergründen ist als Prämisse einer erfolgreichen Implementierung angepasster Bewältigungsstrategien zu verorten. Sie benötigen keinen erzwungen Abstand oder herbeigeführte Schonräume. Was Kinder wirklich brauchen, ist authentischer Zuspruch, Gelegenheiten selbstgewählte Freundschaften zu pflegen, offen über ihre Emotionen sprechen zu dürfen und sich dabei ange-nommen und verstanden zu fühlen. Dabei ist es möglich, dass Kinder unter Umständen befremdliche Reaktionen zeigen wie überschwänglichen Humor anstatt kennzeichnender Trauer. Dabei muss die Entscheidung beim Kind selbst liegen, ob es sich in der Einrichtung und gegenüber den anderen Kindern bzw. Fachkräften öffnen möchte oder die Kita als trauerfrei deklariert. Diese Entwicklungsbegleitung fordert ein Höchstmaß an Sensibilität von pädagogischen Fachkräften. Deren eigene Erfahrungen, welcher Natur auch immer, bestimmen deren Haltung und Einstellungen, dürfen aber nicht als Maßstab für eine erfolgreiche Krisenbewältigung des zu betreuenden Kindes zementiert werden. Die reflektierende Auseinandersetzung mit persönlichen Werten und Gedanken muss als Ressourcenquelle genutzt, aber als erweiterbares Repertoire auf Basis individueller Pädagogik betrachtet werden.

In der Trauerbegleitung von Kindern ist der partizipative Bezug zum Elternhaus nicht nur eine wichtige Ressource, vielmehr ein ausschlaggebendes Kriterium. Eltern, Erziehungsberechtigte und Angehörige sollten darüber informiert und aufgeklärt werden, welche unterstützenden Maßnahmen in der Einrichtung stattfinden. Dies verweist auf die notwendige präventive Festlegung pädagogischer Konzeptionen. Transparenz und Mitgefühl dienen der Aktivierung möglicher Bewältigungsstrategien. Das Thema Tod und Verlusterfahrung bedarf der Inklusion in bestehende pädagogische Konzepte und nicht der Exklusion durch Unwissenheit. Diese Hürde gilt es vielerorts zu überwinden. Es bedarf einer sensibilisierten Aufklärung. Die Herausforderung ist darin zu ergründen, dass unterschiedliche Vorstellung akzeptiert und respektiert werden müssen. Während Kinder gegenwartsbezogen und oftmals ohne Vorstellung eines autobiografischen Gedächtnisses interagieren und das Leben als Ganzes nicht vollumfänglich erfassen, sind sowohl Angehörige als auch Fachkräfte biografisch beeinflusst und geprägt. Das gemeinsame Interesse, dem Kind in der Konstruktion seines Selbstkonzeptes zu unterstützen, ist die Handlungsgrundlage für das Tarieren bestimmter Handlungsansätze. Bildungs- und Erziehungspartnerschaften ohne hierarchische Zuschreibungen sind dabei essentiell.

Abschließend sollen einige mögliche Ansätze biografischer Arbeit mit Kindern angeführt werden. Diese Liste ist als reflexiv zu betrachten und bietet lediglich Impulse, welche durch Fachkräfte individuell angepasst werden können. Immer unter der Beachtung vorliegender Gegebenheiten und Möglichkeiten.

Möglichkeiten der biografischen Begleitung im pädagogischen Alltag

Arbeit mit großen Handpuppen

  • Scheu davor, Erwachsenen oder vertrauten Personen eigene Gefühle und Empfindungen anzuvertrauen
  • Handpuppen als Brückenfiguren
  • berichten den imaginären Personen oftmals offener und unbeschwerter

Gestaltung Identitätsblüte

  • Aufmalen einer Blüte mit diversen Blütenständen

  • gemeinsam Erinnerungen an den Verstorbenen in die verschiedenen Blütenblätter malen, schreiben, skizzieren und dadurch Erinnerungsarbeit leisten

  • Anregungen für Angaben: Kleidung, Spiel, Essen, Erlebnisse, Orte, Ausflüge, Vorlesegeschichten

Bereitstellen von diversem Kreativ-material – Schaffen von Erinnerungs-bildern

  • sinnliche Verarbeitung von Erlebtem ermöglichen

  • Materialien: Farben, Pinsel, Naturmaterialien, Tücher, Papiere, Leim, Schere

  • Impulsfragen:

    • Wie sieht der Himmel aus?
    • Wie stellst du dir den Ort vor, wo … jetzt ist?
    • An was erinnerst du dich am liebsten?
    • Möchtest du mir zeigen, wie … aussieht?
    • Wie fühlst du dich jetzt?
    • Wie möchtest du dich gern fühlen?
    • An welche Farben kommen dir in den Sinn, wenn du an … denkst?
    • Gibt es einen Ort, an dem ihr zusammen wart, den du nicht vergessen möchtest?
    • Verbindest du einen bestimmten Ort mit der Person, die du verloren hast?
    • Was möchtest du auf keinen Fall vergessen?
    • Möchtest du deine Familie malen, gestalten, bauen?
    • Möchtest du gern etwas gestalten und dann gemeinsam zu … bringen?
    • Gibt es etwas, was du nochmal aufmalen möchtest und dann vergessen willst?
    • Macht dir etwas Angst?

Netzwerkkarten

  • gemeinsame Gestaltung von Netzwerkkarten

  • Anregung für die Arbeit mit Eltern / Erziehungsberechtigten und Angehörigen

Dialogorientierung

  • Dialog = wichtigstes Medium in der Biografiearbeit
  • Impulse setzen und aufgreifen = erzählen lassen
  • Fragen authentisch und ehrlich beantworten = Fachkraft muss sich der inneren Haltung zum Thema Tod und Verlust bewusst sein!
  • Materialempfehlungen für das Kindergartenalter:

    • Ein Himmel für Oma (Verlag Coppenrath)

    • Wo gehst du hin, Opa? (aracarl Verlag)

    • Abschied, Tod und Trauer – Wieso Weshalb Warum (Ravensburger Verlag)

    • Leb wohl, lieber Dachs (annette betz Verlag)

Spiel als Erinnerungs-medium

  • bekannte Kinderspiele abwandeln und Erinnerungen vorsichtig hinterfragen – nicht auf Kommunikation drängen

  • eigenes Spielmaterial angelehnt an die Situation konstruieren

Bezug zur Gruppe – Integration statt Exklusion

  • achtsames Begleiten der gesamten Gruppe
  • Information an die Eltern- und Erziehungsberechtigten der Gruppe, Trauer und Verlust muss thematisiert werden
  • Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten nutzen:
    • Erinnerungskartons basteln
    • Impulse im Stuhlkreis
    • Bilderbücher allen zugänglich machen – Thema Tod und Verlust gehört zum Leben
    • Möglichkeiten der Anteilnahme vermitteln
    • gemeinsamer Besuch auf dem Friedhof: WICHTIG: NUR in Rücksprache mit allen beteiligten Eltern und Erziehungsberechtigten

Fühlen sich Fachkräfte aufgrund fehlender eigener Erfahrungen im Zusammenhang mit Tod und Trauer nicht in der Lage, Kinder in derartigen lebensverändernden Situationen adäquat zu begleiten, muss dies offen und wertschätzend im Team kommuniziert werden und Beachtung finden. Authentizität ist keine Schwäche.

Biografiearbeit stellt eine wichtige Ressource für Kinder und deren Familien sowie den Fachkräften dar. Die Möglichkeiten der Gestaltung dieser ist schier unendlich. Bei aller Vielfalt des möglichen Angebotes, bedarf es durch eine bedürfnisorientierte Pädagogik kindzentriert auszuwählen, welche Unterstützung ein Kind benötigt und auch verarbeiten kann. Die persönliche Biografie ist Basis für nachfolgende Entscheidungen und die Entwicklung von Handlungsmustern. Die Notwendigkeit der Aufarbeitung einschlägiger Lebensereignisse ist damit konstatiert.

Quellen- und Literaturangaben:

Franz, M. (2021). Tabuthema Trauerarbeit. Erzieherinnen begleiten Kinder bei Abschied, Verlust und Tod. München: Don Bosco Medien GmbH.

Haagen, M. (2017). Mit dem Tod leben. Kinder achtsam in ihrer Trauer begleiten. Stuttgart: Kohlhammer.

Kast, V. (2014). Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses. Freiburg im Breisgau: Kreuz Verlag.

Klingenberger, H.; Ramsauer, E. (2017): Biografiearbeit als Schatzsuche. Grundlagen und Methoden. München: Don Bosco Medien GmbH.

Lattschar, B.; Wiemann, I. (2018). Mädchen und Jungen entdecken ihre Geschichte. Grundlagen und Praxis der Biografiearbeit. Weinheim Basel: Beltz Juventa.