Ankommen in der Kita – wieviele Tränen dürfen sein?

In meiner aktuellen Beratungs- und Weiterbildungspraxis steht das Thema Eingewöhnung wieder einmal an vorderer Stelle.

Verunsicherte Eltern

In meiner Rolle als Elternberaterin wenden sich zunehmend verunsicherte Eltern an mich, die den Übergang ihrer Kinder in die Betreuungseinrichtung so sanft und tränenfrei wie möglich gestalten möchten und dabei nicht selten an eine bestimmte Grenzen stoßen. Sie machen sich Sorgen, ob es es richtig ist, ihr Kind überhaupt in eine Kinderbetreuung zu geben und was die Tränen ihrer Kinder wirklich zu bedeuten haben.
Nicht selten kommt dann auch die Frage auf, ob es nicht per se besser wäre, ihr Kind wieder aus der Kita heraus zu nehmen.
Das ist nicht pauschal zu beantworten und auch sehr abhängig von der Qualität der jeweiligen Kinderbetreuung, den individuellen Lebenssituationen und den alternativen Optionen, die einer Familie überhaupt zur Verfügung stehen. In jedem Fall lohnt es sich, als Eltern genau hinzuschauen, in sich hinein zu horchen und den Dialog mit den jeweiligen Fachkräften zu suchen.

Eine bedürfnisorientiert ausgerichtete Kinderbetreuung weiß darum, dass es in dieser entscheidenden Phase des Ankommens in der neuen Umgebung nicht nur um die emotionale Anpassung der Kinder geht, sondern auch um die Schaffung einer vertrauensvollen und unterstützenden Umgebung, die sowohl den Bedürfnissen der Kinder als auch den Ängsten der Eltern gerecht wird.

Darf das Kind weinen?

Die Fragen, ob Tränen überhaupt vermeidbar und wie viel Tränen während der Eingewöhnungsphase akzeptabel sind, bergen ein zentrale Aspekte bei der Gestaltung eines erfolgreichen Übergangs für Kinder in Kripp, Kita und Kindertagespflege.
Zunächst einmal sind Tränen mehr als menschlich und ein natürlicher Ausdruck von Emotionen, Trennungsschmerz und Anpassungsschwierigkeiten, insbesondere dann wenn Kinder sich von ihren primären Bindungspersonen trennen.

Das bedeutet, dass Tränen durchaus zu einem Ankommen in der Kindertagesbetreuung dazu gehören können. Die Herausforderung besteht darin, zu erkennen, wann die Tränen Ausdruck eines für das einzelne Kind gesundes Anpassungsverhalten darstellen und wann sie in der Situation Trennungs- und Verlustängste zum Ausdruck bringen.

Da muss das Kind durch

Für nicht wenige Fachkräfte besteht immer noch die Grundhaltung, dass Weinen einfach dazu gehört und Kindern wie Eltern früher oder später dadurch müssen.
Eltern werden dann oftmals viel zu früh zu ersten Trennungen genötigt, mit dem Hinweis, dass das normal ist und das Kind sich früher oder später schon beruhigen werde. Viele Eltern gehen dann mit einem schlechten Gefühl und je nach Persönlichkeit des Kindes, zieht dieses sich in sich selbst zurück und passt sich an, was dann als Beweis gewertet wird, dass es der richtige Weg ist oder aber es kommt zu anhaltenden Protest, der bedauerlicherweise nicht immer feinfühlig begleitet wird. Das Kind bleibt sich in beiden Fällen emotional selbst überlassen.
Ich möchte an dieser Stelle in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass hier emotional gewaltvoll gehandelt wird und völlig indiskutabel ist.

Es geht auch anders

Es braucht feinfühlige Fachkräfte, die den Unterschied erspüren, wann das Kind Trennungsangst hat oder einfach sein Traurigsein über den Abschied von den Eltern verspürt.
Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster beschreibt in letzterem Fall, die im Kind daraus vorhandene Ambivalenz, einerseits ungerne die Bindungspersonen gehen zu lassen und andererseits neugierig auf die anderen Kinder und die KitaWelt zu sein. In diesem Spannungsverhältnis kann es durchaus zu Tränen kommen. Hier helfen dann Trost und Zuwendung durch die Fachkraft. Das Kind braucht die Bestätigung: „Ich verstehe dein Traurigsein darüber, dass deine Bindungsperson geht. Du darfst traurig sein. Ich bin bei dir und gebe dir Halt.“ Sobald die Tränen getrocknet sind, kann sich das Kind in der Regel entspannt dem Spiel mit den anderen Kindern zuwenden.

Traurigsein auszuhalten ist gar nicht so leicht

Wenn Kinder in der Eingewöhnung im Spiel vertieft sind, kommen manche Bindungspersonen auf die Idee, sich ohne Verabschiedung zurückzuziehen. Sie erhoffen sich, so dem Kind und sich selbst das Trennungsleid und die Tränen zu ersparen.
Dies gilt es tunlichst zu vermeiden, da es einem Vertrauensbruch gleich kommt, wenn dem Kind dann die Abwesenheit auffällt. Die Gefahr, dass daraus tiefsitzende Ängste entstehen, ist zu groß. Wichtig ist hier, dass die Fachkraft bereit ist, diesen Abschied zu begleiten.
Bindungspersonen scheuen sich oftmals vor den Tränen ihrer Kinder, weil sie dadurch auch mit eigenen meist unbearbeiteten Kindheitserlebnissen in Kontakt kommen. Dies passiert unbewusst und unreflektiert.

Von Gefühlen ablenken als Schutzstrategie

Ähnlich ergeht es Fachktäften, die das Weinen eines Kindes kaum ertragen können und deswegen ein Kind versuchen schnell abzulenken.
Das gelingt zunächst auch ganz gut, das Kind beruhigt sich für einen Moment. Daraus entsteht nicht selten die Fehlannahme, das Kind würde sich beruhigen, weil es sich getröstet fühlt, das Gefühl verstehen und sich gut regulieren können. Vielmehf erhält es indirekt die Botschaft: „Das, was du fühlst, ist falsch!“, „Du bist nicht richtig!“ Das Kind schluckt dann das Gefühl herunter, verdrängt und schiebt es auf.
Die Fachkraft greift zu dieser Strategie aus Eigenschutz, weil es für sie kaum auszuhalten ist, das Kind so traurig ist.

Biografische Selbstreflexion als Schlüssel

In solchen emotionsreichen Situationen wird die Fachkraft immer auch mit ihren eigenen Gefühlen konfrontiert. Die eigenen Kindheitserfahrungen, eigene Bedürfnisse und verdrängte Traumata wollen gesehen und verarbeitet werden.

Deswegen gilt es als Fachkraft die aufkommenden Gefühle wahrzunehmen und mit der biografischen Brille zu reflektieren:

  • In welchen Situationen ertappst du dich dabei, die Gefühle der Kinder oder auch der Eltern herunterspielen und wegmachen zu wollen?
  • In welchen Momenten möchtest du das Kind von seinen Gefühle ablenken?
  • Was fühlst du in diesem Moment?
  • Was hat das eventuell mit dir selbst zu tun?
  • Was hat das mit deiner eigenen Kindheit und den damit verknüpften Erfahrungen zu tun?
  • Durftest du diese Gefühle als Kind zeigen und ausleben?

Jede Fachkraft ist verpflichtet, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, um dem Kind möglichst befürfnisorientiert begegnen zu können.

Kurze Zusammenfassung zum Schluss

Tränen dürfen in der Trennungssituation durchaus sein und sind nicht immer ganz vermeidbar. Sie können Ausdruck der im Kind vorhandenen Ambivalenz sein, die es im Übergang feinfühlig zu begleiten gilt. Um diese Feinfühligkeit zu gewährleisten, müssen Kind und Fachkraft bereits eine Beziehung zueinander aufgebaut haben. Dies ist auf keinen Fall bereits in den allerersten Tagen möglich.
Angst und Panik sind tunlichst zu vermeiden, in diesem Fall kann nur die weitere Anwesenheit der Bindungsperson zur Entspannung und zum Ankommen des Kindes beitragen. Ein Kind in seiner Not, sich selbst zu überlassen ist fahrlässig und gewaltvoll.
Als Fachkraft hast du die Verpflichtung, dich mit deiner eigenen Gefühlswelt ehrlich auseinander zu setzen, um Kinder und ihre Familien im Übergang zu Krippe, Kita und Kindertagespglege feinfühlig begleiten zu können.

Für weitere Fragen stehe ich auch gerne in meinen Beratungen für Fachkräfte und Eltern zur Verfügung.

Herzlichst
Anja

Die Magie der Eingewöhnung – Bewährte und Neue Materialien für Krippe, Kita und Kindertagespflege

Hier in NRW enden diese Woche die Schulferien und die ersten Eingewöhnungen sind bereits im vollen Gange.

Aufnahme und Eingewöhnung von neuen Kindern und ihren Familien sind immer wiederkehrende Themen in Krippe, Kita und Kindertagespflege. Die Eingewöhnung ist die Basis für alles weitere: zum einen mit Blick auf die Entwicklung des Kindes und zum anderen mit Blick auf die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Eine Eingewöhnung ist in der Regel nicht nach zwei bis drei Wochen abgeschlossen, je nach Kind dauert sie auch gerne länger. Meines Erachtens ist dabei wichtig nicht an einem Modell starr zu kleben, sondern diesen Übergang möglichst individuell und bedürfnisorientiert zu gestalten und zu begleiten.

Bereits 2021 habe ich einen ähnlichen Blogartikel veröffentlicht, den ich hiermit aktualisieren und ergänzen möchte, da seither viele neue Beiträge, Materialien und Bücher von meinen Kolleg*innen und mir erschienen sind.

Vorab möchte ich dir meine 5 Tipps zur Eingewöhnung ans Herz legen. Hierbei handelt es sich um einen mehrteiligen E-Mail Kurs, mit dessen Hilfe du über eine Woche hinweg eure Eingewöhnung reflektieren und überprüfen kannst. Vielleicht gibt es ja noch die ein oder andere Anregungen, um im kommenden Jahr, die Gestaltung des Übergangs zu verändern.

Eingewöhnung, Ankommenszeit, Beziehungszeit…

Zunächst einmal ein paar kurze Gedanken zum Begriff „Eingewöhnung“. Ich bin schon seit einigen Jahren nicht mehr glücklich mit dem Begriff „Eingewöhnung“. Er hat zum einen etwas sehr passives: „die Kinder und ihre Familien“ werden eingewöhnt. Dabei sollten sie doch zu jedem Zeitpunkt aktiv am Prozess beteiligt sein. Sie bestimmen Tempo und Vorgehen je nach Bedürfnis mit. Zum anderen sollte es nicht darum gehen, dass sich irgendwer an irgendetwas „gewöhnen“ muss. Geht es nicht in erster Linie um den Beziehungsaufbau? Nicht Gewöhnung sondern sich miteinander vertraut machen und zueinander Vertrauen aufbauen, darum sollte es gehen. Im besten Fall gelingen Übergang und Beziehungsaufbau so, dass die Kinder gerne und mit Freude zu dir in die Krippe, Kita und Kindertagespflege kommen.

Deswegen würde ich mich gerne langfristig von dem Begriff der Eingewöhnung verabschieden. Ankommens- und Kennenlernzeit sind für mich viel stimmigere Begrifflichkeiten.

Meine Motivation

Warum ist mir das Thema so wichtig? Meine Erfahrungswissen reicht nun gut 30 Jahre zurück und als junge Fachkraft im Berufspraktikum habe ich noch miterlebt, was es hieß keinen gut begleiteten Übergang für Kinder und ihre Familien zu gestalten.

Mein erster Arbeitstag war die Hölle. Die mir fremden Kinder wurden gebracht und mussten umgehend bis zu 4 Stunden ohne Eltern in meiner Gruppe bleiben. Uns ging es allen unglaublich schlecht damit: viele Kinder haben gelitten- leise oder laut, je nach Persönlichkeit und Vorerfahrung. Die Eltern mussten gehen und waren buchstäblich unerwünscht- bloss nicht zu lange bleiben, das Kind könnte sich ja daran gewöhnen. Und ich war mega gestresst und abends fix und fertig.
Ich spürte sehr früh, dass da etwas gehörig falsch lief.

In den drei Folgejahren baute ich nach und nach 3 neue Kitas mit auf – erst als Fachkraft, später als Leitung. Die jüngsten Kinder waren 4-6 Monate alt. Uns war schnell klar, dass da die Eltern mit ins Boot geholt werden müssen, damit die Kinder sanft und sicher bei uns ankommen können.

Wir machten gute Erfahrungen und gut 12 Jahre nach meinem Berufseinstieg war mir als Weiterbildnerin klar, was ich für Kinder im Übergang von der Familie in die Kita möchte. Ich lernte das Berliner Eingewöhnungsmodell kennen und kämpfte gegen viele Windmühlen, um eine elternbegleitete und bezugspersonenorientierte Eingewöhnung als Standard für Kitas mit einzuführen.

Seither begleitet mich dieses Thema und lässt mich nicht mehr los. Auch wenn ich seit einigen Jahren mich intensiver mit der PeergroupEingewöhnung beschäftigt habe und darüber referiere- mein Herz hängt seit eh und je an einer an den Bedürfnissen des Kindes und seiner Familie orientierten Ankommenszeit. Aus meiner Sicht ist jede Familie individuell zu betrachten und zu begleiten.

Gesammelte Blogartikel

Auf diesem Wissen- und Erfahrungshintergrund sind in den letzten drei Jahren hier viele Blogartikel für die Begleitung der Kinder und Familien von zu Hause in die Kita entstanden. Zur besseren Übersicht findest du hier eine Aufstellung der verschiedenen Beiträge (mit einem einfachen Klick auf den Link gelangst du zu den einzelnen Artikeln) :

Bücher, Blogartikel und mehr speziell zur Peergroup-Eingewöhnung

Bereits im November 2023 ist mein Buch zur Peergroup Eingewöhnung im Verlag an der Ruhr erschienen. Das Buch erläutert die theoretischen Grundgedanken und stellt dar, welche Bedeutung die Gruppe der Gleichaltrigen für die kindliche Entwicklung hat. Mein Fokus lliegt dabei auf der praktischen Umsetzung des Modells. Hier kommst du direkt zur Bestellung.

Um dich schon einmal ins Thema einzuschwingen, habe ich dir hier ein paar Blogartikel zusammengestellt:

Mittlerweile war ich schon in einigen Podcasts zu dem Thema als Expertin eingeladen:

Bei meinen KitaTalks begegnet dir die Peergroup auch gleich zweimal:

Wenn du ergänzend zu diesen Infos an einem Seminar zu diesem Thema interessiert bist, gibt es im Herbst 2023 und im Frühjahr 2024 wieder verschiedene Live-Online Seminare im Haus Neuland, Kath. Landvolkshochschule Hardehausen und VHS Hannover Land. Auf Anfrage biete ich auch Online Seminare für Teams an.

Meine KitaTalks

Es gibt auch noch einige Folgen der Kita Talks zum Thema Eingewöhnung, wo es um die bedürfnisorientierte Eingewöhnung, die Eingewöhnung von Kindern mit und ohne Fluchterfahrung und der kultursensiblen Eingewöhnung geht. Zum Stöbern in den KitaTalks klickst du am besten HIER.

Beliebte andere Podcasts

Weitere Bücher und Materialien

Gerade ganz neu erschienen ist das sehr empfehlenswerte Buch von Lea Wedewardt: Ankommen dürfen statt Loslassen müssen. Hier wird aus vielen Blickwinkeln beschrieben, wie eine Bedürfnisorientierte Eingewöhnung in der Praxis gelingen kann. Hier erfährst du mehr und kommst direkt zur Bestellung.

Eine weitere sehr empfehlenswerte Neuerscheinung ist das Praxisbuch zur Eingewöhnung vom Krüger&Thiel Institut. Das Buch bietet eine Fülle von Ideen und Anregungen für Eltern und Fachkräfte. Es gibt Orientierung, wie die Eingewöhnungsphase gestaltet werden kann, damit Kinder, Eltern und Fachkräfte einen gelingenden, gemeinsamen Start in die Kitazeit bekommen können.

Das Krüger & Thiel Institut hat außerdem eine kleine Broschüre mit dem Titel: Sanfte Eingewöhnung für mein Kind veröffentlicht. Die Broschüre bestehen aus liebevoll zusammengestellten Fotos mit Szenen aus dem Eingewöhnungsalltag einer KiTa. Hier wird den Kindern eine Stimme gegeben und somit ihre Sichtweise auf die Eingewöhnung verdeutlicht. Die Erwachsenen bekommen Handlungsanregungen für die Gestaltung und Begleitung des Eingewöhnungsprozesses. Sehr hilfreich und empfehlenswert für die Zusammenarbeit mit Eltern.

Für Kinder in der Eingewöhnung ist beim Krüger&Thiel Institut außerdem ein ganz reizendes kleines Bilderbuch: Mira, Tuffi und die Gefühle erhältlich. Hier begleitet der kleine Stoffelefant Tuffi die kleine Mira in ihrern ersten Kindergartentagen und beschreibt ihre Gefühle. Sehr schön, für die Gruppe oder als kleines Willkommensgeschenk für die neuen Kinder.

Meine geschätze Kollegin Gundula Göbel hat die Broschüre zu ihrem Bindungsbaumkonzept vor Kurzem überarbeitet. Besonders empfehlenswert für die umfassende Auseinandersetzung mit der Gestaltung einer bindungsorientierten Eingewöhnung ist ihre Schulungsbox: Bonding-Bindung-Bildung. Die schön gestaltete A4 Box ist gefüllt mit Bindungswissen. Auf 19 A4 Bildkarten ist jeweils ein Begriff des Bindungsbaumes beschrieben und mit jeweils drei konkreten Fragen zur Vertiefung versehen, auf der anderen Seite der Bildkarte ist ein sprechendes Foto mit passendem Zitat, um einen Impuls für einen Austausch im Team oder mit Eltern zu geben.

Und zu jeder guten Eingewöhnung gehört natürlich auch die Portfolioarbeit. In diesem Rahmen hat Sandra Warsewicz von der Werkstatt der Guten Gedanken sehr schöne Vorlagen entwickelt. s lohnt sich da mal durch ihre Seite zu stöbern.

Da sollte doch was für Jede*n dabei sein. Und selbstverständlich kannst du gerne in Kommentaren weitere Tipps geben, mit welchen Materialien du so in der Praxis arbeitest, um dich mit deinem Team vorzubereiten, Eltern mit ins Boot zu holen und Kinder z.B. durch Bilderbücher den Start zu erleichtern.

Ich wünsche einen guten Start ins Kita Jahr 23/24

Deine Anja

Kleine Zeichen, große Bedeutung – Die Signale der Kinder in der Eingewöhnung verstehen

Der Übergang von der Familie in Krippe, Kita und Kindertagespflege und das damit verbundene Ankommen in einer neue Umgebung kann für jedes Kind eine Herausforderung darstellen.

Besonders bei jüngeren Kindern, die noch nicht sprechen können, ist es von entscheidender Bedeutung, auf ihre feinen Signale zu achten, sie zu verstehen und angemessen darauf einzugehen.

Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich mit den Signalen von Kindern und warum die Wahrnehmung dieser feinen Signale so wichtig ist. Das Verstehen der einzelnen Signale kann bedeutsam dazu beitragen, dass sich die Kinder in ihrer neuen Umgebung sicher und wohl fühlen.

Kommunikation ohne Worte

Ich selbst habe einige Jahre mit Kindern von 0-3 Jahren gearbeitet und die Erfahrung gemacht, dass nur wenige, sich bereits sprachlich ausgereift mit Worten verständigen können. In den meisten Fällen teilen sie sich daher nonverbal mit Hilfe von Gestik, Mimik, Körperhaltung oder durch bestimmte Geräusche mit.

So bedeutet nicht jedes Gähnen gleich Müdigkeit oder ein Lächeln Freude und Aufgeschlossenheit. Beides kann auch Unsicherheit zum Ausdruck bringen. Ein Kind, dass die Hände ineinandergelgt hat, ruht nicht unbedingt in sich. Es kann auch darauf hinweisen, dass das Kind versucht sich selbst an die Hand zu nehmen und sich Sicherheit zu geben. Auch ein Kind, dass vor uns auf dem Boden sitzt und zu seinen Füßen greift, tut dies in neuen Situationen, um sich selbst festzuhalten. Ein Klammern und Festhalten an Gegenständen und Personen oder auch das Eindrehen der Fäuste kann auf Anspannung, Unwohlsein und Stress hinweisen.

Eine ausgesteckte Hand, deren Handfläche nach vorne zeigt und die Finger dabei gespreizt sind, will darauf aufmerksammachen, dass das Kind irritiert, unsicher und überfordert ist.

Weitere kleine Zeichen können darüberhinaus ein abgewandter Blick oder ein Wegdrehen des Körpers sein. Und nicht selten versuchen sich Kinder vom Schoß oder aus den Armen der Erwachsenen herauszuwinden, in dem sie ihren Rücken nach hinten durchbiegen und sehr zappelig sind. Damit zeigen sie, dass sie sich in der Situation nicht wohlfühlen. Das Verstecken des Gesichts hinter den Händen kann Überforderung ausdrücken.

Mehr hierzu findest du auf YouTube unter: Signale des Babys.

Indem wir auf diese oftmals sehr kleinen Signale achten, sie erkennen und darauf eingehen, ermöglichen wir den Kindern, ihre Bedürfnisse und Gefühle mitzuteilen, auch wenn sie noch nicht sprechen können.

Ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen schaffen

Die Eingewöhnung in eine neue Umgebung kann für ein Kind äußerst beängstigend sein. Indem wir uns bewusst auf die feinen Signale konzentrieren, zeigen wir den Kindern, dass wir sie verstehen wollen und für sie da sind. Dies hilft, eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit zu schaffen, die für eine positive Eingewöhnung von entscheidender Bedeutung ist.

Indem wir auf ihre Signale eingehen, fühlen sich die Kinder gehört und respektiert, was ihnen das nötige Selbstvertrauen gibt, um ihre neue Umgebung zu erkunden.

Individuelle Bedürfnisse erkennen

Jedes Kind ist einzigartig und hat unterschiedliche Bedürfnisse und Vorlieben. Indem wir die feinen Signale wahrnehmen, können wir besser verstehen, was jedes einzelne Kind in der Eingewöhnungsphase benötigt. Manche Kinder brauchen vielleicht mehr Zeit, um sich an eine neue Umgebung zu gewöhnen, während andere schnell offener sind. Durch das Erkennen und Verstehen dieser Signale können wir den Eingewöhnungsprozess individuell gestalten und den Kindern das geben, was sie brauchen, um sich wohl und geborgen zu fühlen.

Die Entwicklung der Sprache unterstützen

Während der Eingewöhnungsphase ist es von besonderer Bedeutung, die sprachliche Entwicklung der Kinder zu unterstützen. Auch wenn sie noch nicht sprechen können, hören und nehmen sie die Sprache um sie herum auf. Indem wir ihre feinen Signale wahrnehmen und darauf eingehen, ermöglichen wir ihnen, ein Verständnis für Kommunikation aufzubauen und sprachliche Fähigkeiten zu entwickeln. Dies legt den Grundstein für ihre zukünftige Sprachentwicklung.

Einige Einrichtungen nutzen hier zur Begleitung die Gebärdenunterstützte Kommunikation – eine Verknüpfung von Sprache mit Worten. Mehr dazu erfährst du beispielsweise in den Online-Seminaren von Bilderkraft e.V.

Fazit: Die feinen Signale von Kindern während der Eingewöhnungsphase zu erkennen, zu verstehen und darauf angemessen einzugehen, ist von enormer Bedeutung. Indem wir diese Signale beachten, schaffen wir eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit. Das ermöglicht ein individuelles Ankommen und unterstützt die sprachliche Entwicklung der Kinder.

Es ist unsere Verantwortung, aufmerksam zu sein und diesen Kindern die bestmögliche Unterstützung zu bieten, um ihnen einen gelingenden Start in ihre neuen Umgebungen zu ermöglichen.

Eingewöhnung als Teamaufgabe

Mittlerweilen gibt es die verschiedensten Eingewöhnungsmodelle, damit Kinder und Familien den Übergang in die Kindertagesbetreuung gut bewältigen können. Am geläufigsten sind hierbei die Eingewöhnungen nach dem Berliner oder Müncher Modell. In den letzten Jahren sind die Peergroup Eingewöhnung und das Partizipatorische Modell dazu gekommen.

Wie du bestimmt weißt, habe ich mich in den letzten Jahren besonders mit der Peergroup Eingewöhnung beschäftigt und seit 17.10.2022 ist nun endlich das so häufig nachgefragte Buch zu diesem Modell erschienen.

Ziele und Nutzen überprüfen

Noch mitten drin in den Eingewöhnungen machen sich parallel gerade viele Teams auf den Weg und überprüfen noch einmal ihre Eingewöhnungskonzepte. Der Impuls kommt hier aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Der Träger drängelt, dass die Eingewöhnung aus wirtschaftlichen Gründen schneller stattfinden muss, die Leitung weiß nicht mehr wie sie den Dienstplan organisieren soll, ein*e Mitarbeitende kommt mit neuen Ideen von einer Fortbildung zurück.

Es ist also erst einmal gut hinzuzuschauen, was ist der Auslöser für den Wunsch nach Veränderung. Hat sich das bisherige Konzept tatsächlich überholt? Was spricht für eine Veränderung? Können die Mitarbeitenden bei dieser Veränderung gut mtgehen? Welche Vorteile bietet eine Veränderung den Kindern und Eltern, aber auch den Fachkräften?

Eingewöhnung nicht nur Sache der Leitung

Die Einführung eines neuen Eingewöhnungsmodells ist demzufolge nie allein Sache des Trägers oder der Leitung. Eine solche Veränderung betrifft immer auch das gesamte Team. Daher besteht die wesentliche Aufgabe darin, das Team im Rahmen des anstehenden Veränderungsprozesses ins Boot zu holen und zu der damit verbundenen Weiterentwicklung der konzeptionellen Ausrichtung zu motivieren.

Wie in anderen Veränderungsprozessen kann die Einführung eines anderen oder veränderten Eingewöhnungsprozesses nur gelingen, wenn alle Mitarbeitenden an der Erarbeitung wesentlicher Qualitätsmerkmale und konkreter Umsetzungsmöglichkeiten beteiligt sind.

Ein Team macht sich auf den Weg …

Zunächst einmal gilt es, den Ausgangspunkt des einzelnen Teams herauszufinden. Wie sich ein Veränderungsprozess entwickelt, hängt entscheidend von der Diskussions-, Partizipations- und Entscheidungskultur in der Einrichtung ab. Hinzu kommen die unterschiedlichsten bisherigen Betreuungserfahrungen und die bestehende Teamkultur. Das Team eines Regelkindergartens, das über viele Jahre hinweg nur Kinder ab drei Jahren aufgenommen und bis mittags betreut hat, steht vor einer anderen Herausforderung als eine Ganztageseinrichtung mit einem integrativen Konzept.

Veränderung braucht Zeit

Die Leitungskraft sollte mehrere Teamsitzungen einplanen, um sich gemeinsam mit dem Team mit den theoretischen Grundlagen, den Säulen und der praktischen Umsetzung der gut gelingenden Eingewöhnung auseinanderzusetzen.

Zu den theoretischen Grundlagen gehören im wesentlichen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bindungs-, Transitions- und Peergroupforschung. Aber auch Aspekte der Kultursensiblen Pädagogik, der Partizipation und der Bedürfnisorientierung sind zu berücksichtigen.

Nicht alle Mitarbeitenden werden sich von Anfang an von dem anstehenden Veränderungs- und Weiterentwicklungsprozess überzeugen lassen. Dabei ist es auf jeden Fall hilfreich, wenn sich die Leitung der Einrichtung im Vorfeld selbst intensiv mit den Feinheiten beschäftigt hat oder ggfs. eine*n erfahrene*n Referent*in dazu holt. IPP

Ausprobieren als erster Schritt

Manchmal ist es für ein Team einfacher, die vereinbarten Veränderungen zunächst in einer oder zwei Gruppen einzuführen und so erste Erfahrungen zu sammeln, bevor die gesamten Einrichtung weitere Schritte umsetzt.

Ganz gleich, ob ein verändertes Eingewöhnungsodell mit oder ohne externe Begleitung eingeführt wird – wichtig ist auf jeden Fall, dass Sorgen und Bedenken im Team ernst genommen werden und ausgesprochen werden dürfen. Das trägt massiv zum Gelingen einer Veränderung bei.

Erste Schritte in Richtung Veränderung

Wenn du dich nun mit Deinem Team auf den Weg machen möchtest, um dein Eingewöhnungskonzept zu überprüfen, hier ein paar Materialien und Anregungen, die dich im Teamprozess unterstützen können.

Hier kommst du zu meinen 5 Tipps zur Gestaltung einer gelingenden Eingewöhnung. Nach Eintrag in die Email Liste, erhälst du mehrere Emails mit Anregungen zur Reflexion deines Eingewöhnungsprozesses.

In dem Blogartikel: Verschiedene Modelle – ein Ziel erhälst du einen kleinen Überblick über die bestehenden Modelle. Auf Kita-Fachtexte (www.kita-fachtexte.de) gibt es ergänzend kostenfrei zugängliche Texte zu den verschiedenen Modellen z.B. der aktuelle Text von Heike Fink: Die Eingewöhnung in der Peer – das Tübinger Modell

Wenn du dich für die Peergroup Eingewöhnung interessierst, möchte ich dir folgende Podcasts ans Herz legen, die ihr euch auch im Team anhören könnt:

Feas Naive Welt: Eingewöhnung in der Peergroup – ein Interview mit Anja Cantzler

KitaTalks auf YouTube: Peergroup Eingewöhnung in der Kita mit Christa Manske

Das nächste Online-Seminar zur Peergroup Eingewöhnung findet am 5.11.2022 in Kooperation mit Haus Neuland statt. Hier kommst du direkt zur Anmeldung.

Und natürlich kannst du  auch mein Buch zur Peergroup Eingewöhnung bestellen.

Never change a running Horse

Wenn du jetzt denkst: „Wieso sollten wir etwas verändern? Es läuft doch alles gut so wie es ist.“ Was gut läuft braucht nicht zwangsläufig eine Veränderung. Nimm meine Anregungen einfach als Einladung, Angebot und Inspiration.

Deine Anja

Bindungsstärkendes Spielen in der Eingewöhnung

Erneut konnte ich eine wundervolle Gastautorin für diesen Blogbeitrag gewinnen. Passend zum Start ins neue KitaJahr verknüpft sie die Wichtigkeit des Spielens mit den Chancen, die das gemeinsame Spielen für den Beziehungsaufbau zwischen der Fachkraft und den Kindern eröffnet. Ich wünsche viele Anregungen und einen guten Start mit den Kindern und Eltern.

Bindungsstärkendes Spielen in der Eingewöhnung oder wie ich gerne sage in der „Willkommenszeit“

Ein Gastbeitrag von Gundula Göbel

Warum setze ich Willkommenszeit mit Eingewöhnung gleich? Für mich ist diese Zeit, ein Augenblick, Momente und Wochen der Beziehungsgestaltung zwischen der pädagogischen Fachkraft dem Kind und den Eltern. Alle zusammen werden zu einem ergänzenden Bindungs- und Beziehungssystem mit Sicherheit und Feinfühligkeit, um dem Kind bestmögliche psychische Stabilität und emotionale Sicherheit zu ermöglichen.

Nur, wenn auch die Eltern in der Krippe oder Kita willkommen und gesehen werden, werden sie ihr Kind bei diesem wichtigen Schritt und Übergang achtsam begleiten können. Kinder spüren die Gefühle der Erwachsenwelt.

Sich willkommen zu fühlen ist ein Bedürfnis eines jeden Menschen:

Mit einem Lächeln begrüßt zu werden

Verlässlichkeit durch Worte zu erleben

Begrüßungsrituale wie Lieder oder Abläufe zu erfahren

Getröstet zu werden, also Co-Regulation zu spüren

Körperkontakt mit angemessener Nähe und Distanz er erleben

und als Kind sein Nein zu behalten

ist was Kinder im Übergang von sicheren zuhause in die Krippe /Kita dringend brauchen. Feinfühlige Erwachsene. Da sind wir schon beim „Bindungsstärkenden Spielen“ in der Eingewöhnung. Denn ohne beziehungsaufbauende Erfahrungen ist für Kinder kein vertieftes und emotional stärkendes Spielen möglich oder lediglich, wenn die Bezugsperson (bspw. ein Elternteil ) als Sicherheitsanker in der Nähe ist.

Kleinstkinder und Kinder lernen mit allen Sinnen, wir nennen es auch das sensomotorisches Spielen. Kinder entdecken und begreifen die Welt im Spiel. Sie riechen, schmecken, tasten, hören, probieren aus, all das ist auch in der Bindungsentwicklung verankert. Das Baby riecht die Milch, die Mama, den Papa, tastet das Gesicht, die Brust, die Flasch, die Rassel ab, hört die Stimme der Bezugsperson, diese wirkt meist beruhigend und so lässt es sich fortsetzen. All das braucht auch ein Krippenkind in der Eingewöhnung. Dies ist die gemeinsame Stärkung und Aktivierung der Bindungswurzeln aus dem Bindungsbaum-Konzept (siehe Broschüre Bindungsbaum-Konzept).

Das kindliche Spielen ermöglicht dem Kind die Auseinandersetzung mit der neuen Situation, das entdecken der Räumlichkeiten, das Erleben von fremden Gerüchen, Geräuschen, Lautstärken und noch „fremden“ pädagogischen Fachkräften. Im Spielen entwickelt das Kind kreative, aktive oder andere Lösungsstrategien, für den Umgang mit der unbekannten und noch unsicheren Situation.

Das „ Bindungsstärkende Spielen“ ist gerade in der Eingewöhnung ein guter Begleiter. Denn ein Kind kann nur vertieft und versunken entwicklungs- und beziehungsstärkend spielen, wenn es sich sicher fühlt. Deshalb braucht das Kind zuerst die Nähe und Sicherheit der Bezugsperson, welche die Eingewöhnung begleitet. Bspw. Mutter, Vater, Oma oder Opa sind also das wichtigste Bindeglied zwischen Zuhause und Einrichtung, um Kindern Sicherheit zum Entdecken zu geben.

Eine entspannte und emotional sichere Eingewöhnung begleitet vom bindungsstärkenden Spielen, mit Grundlage der Stärkung der Bindungswurzeln festigt das Vertrauen des Kindes, aber auch seine Feinfühligkeit. Denn Kinder brauchen beides. Vertrauen zu ihren Bezugserzieher*innen und gleichzeitig ihre eigene Stimme und ihr eigenes NEIN, wenn sich etwas nicht gut anfühlt.

Durch das bindungsstärkende Spielen können verlässliche Beziehungen aufgebaut werden. Nur wenn Kinder Sicherheit und Orientierung spüren, können sie sich auf es vertieftes Spielen einlassen und auch so Phasen von Anspannung und Entspannung erleben.

Das sensomotorische Spielen ist also für die Entwicklung und Bindung gleichermaßen von Bedeutung. Kinder brauchen Sinnesreize um sich zu entwickeln, aber auch um ihre “Krippen-Welt“ oder „Kita-Welt“ mit allen Sinnen zu entdecken.

Den Begriff „Bindungsstärkendes Spielen“ habe ich 2013 entwickelt auf Grundlage des Bindungsbaum-Konzeptes. Denn nur wenn wir die Bindungswurzeln im Spiel, in der Interaktion und durch Vorbildsein stärken und diese bei uns und den Kindern angemessen versorgen wird Kindern ihre eigene Entwicklung als ganz eigene Persönlichkeit und mit ganz eigenem Temperament ermöglicht. Moegel sieht das Spielen als ein fundamentales Lebenssystem des Menschen. Wir dürfen und sollten für die psychische Gesundheit von Kindern, das vertiefte Spielen ohne ständige Unterbrechungen von Seiten der Erwachsenen in Einrichtungen in den Mittelpunkt stellen. Das kindliche Spielen zeigt auch in der Eingewöhnungszeit und im Weiteren, ob sich Kinder sicher fühlen, es ist ein Ausdruck ihres Wohlbefindens.

Wenn ein Kind in der Eingewöhnung nicht spielen möchte oder kann, ist es ein non-verbales Zeichen für die erwachsenen Welt.

Was könnte das Kind uns sagen:

  • ich brauche mehr Sicherheit
  • es ist mir hier zu laut
  • der Geruch ist mir fremd oder erinnert mich an…
  • soviel Kinder auf einmal
  • warum sieht mich keiner
  • Angst, dass Mama/Papa einfach geht (vielleicht frühe Erfahrungen)
  • Mama, Papa ich spüre eure Angst um mich
  • usw.

Der Aufbau einer Beziehung braucht Zeit und das Kind sowie die Eltern Orientierung, Sicherheit sowie Feinfühligkeit.

Pädagogische Fachkräfte haben oft schon einige Eingewöhnungen begleitet und sind Erwachsene, die es reflektieren können. Aber für jedes Kind ist es das „ERSTE-MAL“ und Kinder reagieren emotional mit ihrem ganzen Körper.

Das „Bindungsstärkende Spielen ermöglicht dem Kind Freiraum und Halt, Eltern und alle Erwachsenen sehen die Bedürfnisse des Kindes nach Bindung und schwingen sich ein. Nicht die Bedürfnisse des Erwachsenen nach schneller Eingewöhnung, dem Gefühl das Eltern den Kitaablauf belasten oder der Personalmangelstress dürfen Gründe sein, Kinder ihr Grundbedürfnis nach Sicherheit nicht zu ermöglichen.

Vertieftes Spielen ist nur mit Bindungs- oder Beziehungssicherheit möglich. In der Eingewöhnung ist somit „Bindungsstärkendes Spielen“ von großer Bedeutung.

Eingewöhnung und „Bindungsstärkendes Spielen“:

  • Impulse vom Kind aufnehmen und feinfühlig begleiten
  • Interaktion (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Vorbild, Einschwingen)
  • Co-Regulation als Grundlage für den Bindungs- und Beziehungsaufbau
  • „Gefühle färben ab“ (eigene Haltung, eigene emotionale Verfassung, Erwartungen)
  • Spielen braucht Sicherheit – Zeit – sensomotorisches Material
  • Spielen ist: Entwicklung – Lösung – Freiheit – Lustgewinn und nicht Ablenkung von Gefühlen
  • Alle Gefühle brauchen liebevolle Begleitung

Bindungsstärkendes Spielen“ ist besonders in der Eingewöhnung von:

Feingefühl – Achtsamkeit – Wertschätzung und Offenheit geprägt.

Gundula Göbel

Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeutin

Traumatherapeutin | Paar- und Familientherapeutin | Spieltherapeutin | Autorin |Referentin

21244 Buchholz in der Nordheide

mail@gundula-goebel.de, www.gundula-goebel.de

Meine Veröffentlichungen siehe: www.thekla.de/shop

 

 

 

Schluss mit Irrtümern und Mythen in der Eingewöhnung

Ich bin seit 30 Jahren im Arbeitsfeld der Kinderbetreuung tätig- erst 10 Jahre als pädagogische Fachkraft und seit 20 Jahren als Weiterbildnerin und Coachin.

Bereits während meiner ersten Eingewöhnung im Berufspraktikum spürte ich intuitiv, dass hier etwas grundlegend schief lief. Von Eingewöhnung konnte damals überhaupt noch nicht gesprochen werden: die Kinder kamen und mussten von Tag 1 an ohne Eltern bleiben.

Mittlerweile hat sich einiges getan. In vielen Krippen, Kitas und Kindertagespflegen wird nach standardisierten Modellen die Ankommenszeit mit Kindern und Eltern gestaltet. Die Bedürfnisse aller Beteiligten stehen im Fokus und werden ernst genommen. Im besten Fall findet der für die weitere Zeit wichtige Beziehungsaufbau von Fachkraft und Kind individuell und im Tempo des Kindes statt.

Trotzdem geistern immernoch fatale Irrtümer hartnäckig durch die Köpfe einiger Fachkräfte. Damit gilt es ein für alle mal aufzuräumen, sind sie doch oft ein Zeichen für ein längst überholtes Bild vom Kind, und fehlender Augenhöhe zu den Bindungspersonen als Expert*innen für ihr Kind.  Manch Haltung und Praktik in der Eingewöhnung grenzt bedauerlicherweise an schwarze Pädagogik.

Es folgen ein paar Irrtümer und ihre begründete Richtigstellung. Es geht nicht darum irgendwen damit explizit an den Pranger zu stellen und zu verurteilen. Ich möchte Fachkräfte zur Reflektion und Überprüfung einladen, damit die hier benannten,  meist unreflektierten Irrtümer irgendwann einmal Geschichte und damit passe sind.

# Irrtum No. 1 – Früher blieben die Kinder doch auch ohne Eltern und das klappte viel besser

Dem möchte ich als Zeitzeugin vehement widersprechen. Es war für alle Beteiligten einfach nur anstrengend und eine Zumutung.

Viele Kinder haben sich die Seele aus dem Leib geschrien und geweint. Wenn sie Glück hatten, gab es Fachkräfte, die zumindest versucht haben, sie zu trösten, was aber nur bedingt gelingen konnte, weil man sich i.d.R. kaum bis gar nicht kannte. Die ein oder andere Fachkraft war der Überzeugung, dass wenn man das Kind nur lang genug ignoriert, es schon mit dem Theater aufhören würde. Und das taten viele Kinder dann auch: sie ergaben sich in ihr Schicksal und versuchten ihren Weg zu finden.

Leider übertreibe ich mit diesen Schilderungen nicht.

Wer jetzt behauptet, er habe das auch erlebt und es habe ihm nicht geschadet., den frage ich: und wie sieht es heute für dich mit unbekannten Situationen aus? Magst du dich auf Veränderungen einlassen und begrüßt diese freudig und offen? Oder bist du da eher vorsichtig und zweifelnd?

Merke: Das die frühere Praktik nach außen gesehen funktionierte, lag sehr wahrscheinlich daran, dass die Kinder keine andere Wahl hatten.
Neurobiologisch gesehen war das Stressystem der Kinder hoch aktiv und die Kinder haben gemäß der drei Überlebensreaktionen: Kampf, Flucht oder Erstarrung reagiert. Flucht (weglaufen) war ihnen nicht möglich  ihr Kampf und Widerstand (weinen, schreien) wurde schlichtweg ignoriert. Was blieb, war die Resignation. Also schleunigst weg mit diesem Mythos.

Kinder brauchen auf jeden Falleine einfühlsame Begleitung durch ihre Bindungspersonen, zugewandte und beziehungsstarke Fachkräfte und Zeit.

Natürlich gibt es auch einzelne Kinder, die von Tag 1 an, problemlos alleine in der Kindertagesbetreuung bleiben. Hier handelt es sich um die berühmte Ausnahme von der Regel, die nicht als Maßstab genommen werden kann und darf.

# Irrtum No. 2 – Eine zu starke Bindung zu der begleitenden Bindungsperson erschwert den Eingewöhnungsprozess

Genau das Gegenteil ist der Fall. Auf der Basis einer starken Bindung verfügt das Kind über genügend Urvertrauen, um sich aufgeschlossen auf die neue Umgebung, die Fachkräfte und die anderen Kinder einzulassen. Das Kind löst sich dann von seinen Bindungspersonen besser, weil es die Erfahrung gemacht hat, dass es anderen Menschen vertrauen kann. Zunächst einmal wendet ein stark gebundenes Kind sich aber in der unbekannten Umgebung an die vertaute Bindungsperson, bevor es schrittweise sich offnet.

Als Fachkraft kannst du den Beziehungsaufbau zum Kind insofern unterstützen, indem du interessiert und neugierig auf das Kind zugehst und dich  einfühlsam um eine gute Beziehung zum Kind bemühst.

Natürlich gibt es Eingewöhnungen, in denen ein Kind sich nur schwer lösen oder es den Bindungspersonen schwer fällt loszulassen. Dann lohnt es sich, sich  gemeinsam mit den Bindungspersonen auf den Weg zu machen, welche Irsache hier zu finden ist und lösungsorientiert zu schauen, was möglich ist, um allen Beteiligten die Eingewöhnung zu erleichtern.

Merke: Wenn ein Kind sich in der Eingewöhnung nur schwer löst, hat das nichts mit der starken Bindung zu tun. Ganz im Gegenteil: Eine starke Bindung unterstützt die Eingewöhnung.

# Irrtum No. 3 –  Mit Vätern ist die Eingewöhnung viel leichter

Das sollte schon aufgrund der Klischeehaftigkeit der Aussage schleunigst verabschiedet werden. Vätern wird damit eine weniger enge Bindung zugeschrieben als den Müttern. Das entspringt veralteter Rollenvorstellungen, die sich in den vergangenen 10 Jahren in der Praxus nocheinmal deutlich verändert haben. Ich konnte das allein auf den Elternabenden der letzten 12 Jahre veobachten, dass Väter immermehr Interesse an der Entwicklung ihrer Kinder  zeigen, vermehrt zu den Elternabenden kommen und der Eingewöhnung mit ähnlichen Zweifeln, Sorgen und Bedenken entgegensehen, wie die Mütter der Kinder.
Auch der Anteil der Väter, die ihre Elternzeit nutzen, ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Väter haben demzufolge keine schlechtere Bindung zu ihren Kindern, hier ist geschlechtsunabhängig die tatsächliche  Beziehungsqualität von Bindungsperson zu Kind entscheidend.

Eine weitere tief verwurzelte Annahme, die hier noch verankert ist, dass Männer perse weniger Gefühle haben bzw. zeigen und ihnen die Trennung von ihrem Kind daher viel weniger ausmacht. So ein Quatsch!

Merke: Natürlich gibt es Unterschiede in der Bindungs- und Beziehungsqualität der beiden Elternteile (oder anderer Bindungspersonen zum Kind). Das ist aber niemals am Geschlecht festzumachen. Väter und andere Bindungspersonen brauchen die gleiche achtsame und feingühlige Begleitung in der Eingewöhnungszeit wie Mütter.

# Irrtum No. 4 – Die erste Trennung muss am 4. Tag stattfinden

Das ist ein Riesenmissverständnis in Verbindung mit dem  Berliner Modell. Dort wird der 1. TrennungsVERSUCH am 4. Tag durchgeführt. In anderen Modellen findet dies häufig erst später statt, was ich sehr begrüße.
Im Berliner Modell lege ich größten Wert auf das kleine Wörtchen „Versuch“. Hier wird angetestet und ausprobiert und sofort unterbrochen, wenn das Kind Gegenwehr und Widerstand zeigt bzw. Sich nicht auf die Tröstangebote der Fachkraft einlässt.
Es geht also nicht um Schema F, sondern es gilt die Persönlichkeit und das individuelle Tempo des Kindes zu berücksichtigen.
Für die meisten Kinder ist eine Trenung am vierten Tag noch viel zu früh.

Merke: Eine Trennung am 4. Tag ist in den meisten Fällen wenig sinnvoll. Auch der Trennungsversuch ist zu diesem frühen Zeitpunkt fragwürdig. Ein sanftes Ankommen und Kennenlernen stärkt Vertrauen und Beziehung zu den Fachkräften, was den Übergang sehr erleichtert.

# Irrtum No.5 – DAS ist vom Modell so vorgeschrieben

Diese Aussage beinhaltet im Prinzip eine Steigerung von Irrtum No. 4. Egal worum es geht, es wird mit den vermeintlichen Vorgaben des Modells argumentiert. Das führt dann in der Praxis nicht selten zu Stillblüten, wie ich selbst schon in der Elternberatung begleitet habe. Die komplette Eingewöhnung war durchgetaktet. Einschließlich Tag 4 hatte das Kind bis dahin kooperiert und dann kam es zu der Situation, dass am 5. Tag die bisherige Bezugserzieherin erkrankt war und anstatt nun die Trennungsversuche vorübergehend auszusetzen, wurde ganz nach Plan verfahren. Obwohl das fast einjährige Kind, die neue Person noch nicht kannte, sollte die Mutter nach einer kurzen Verabschiedung gehen. Das Kind reagierte verzweifelt und weinte und schrie. Aber die Mutter sollte trotzdem für 20 Minuten fortbleiben. Der Mutter wurde vermittelt, dass sei alles ganz normal und nach dem Modell wäre das der übliche Weg.Glücklicherweise vertraute die Mutter auf ihr Bauchgefühl und verkürzte nach einigem Hadern die Trennungssituation gegen den Willen der Fachkraft. Nach dem Wochenende sollte es sofort zu weiteren Trennungen kommen, gegen die das Kind sich vehement auflehnte. Bei den Fachkräften war bis zum Schluss kein Abweichen vom Ablauf des Modells möglich, sie beharrten auf die Richtigkeit des Vorgehens. Nachdem dann der Vater sein Glück erfolglos versuchte (Fun-Fakt für Irrtum No. 3) wurde seitens der Eltern die Eingewöhnung abgebrochen und das Kind abgemeldet.

Merke: Eingewöhnungmodelle wurden nicht dazu entwickelt, sich sklavisch daran zu halten. Sie geben eine Orientierung, wie eine Eingewöhnung gelingen kann. Alle Modellen haben zum  Ziel, dem Kind und seinen Eltern Sicherheit und Orientierung zu geben, damit sie den Übergang in die Kinderbetreuung gut bewältigen können. Dabei ist es elementar wichtig, die Bedürfnisse des Kindes ernst zu nehmen. Diese Bedürfnisse äußert es durch seine Bindungssignale wie schreien, weinen, klammern etc.

# Irrtum No. 6 – Das Kind muss trocken sein, wenn es in die KInderbetreuung kommt

Diese Frage wurde mir viele Jahre von jungen Eltern gestellt, die dies von ihren Eltern oder Großeltern so eingetrichtert bekommen hatten. Der Ursprung dieser Grundannahme ist schnell zu ergründen. Als ich vor 30 Jahren als Fachkraft gearbeitet habe, waren hier in den alten Bundesländern die jüngsten Kinder vier oder fünf, die in den Kindergarten kamen. In diesem Alter hatten die meisten Kinder bereits ihre Blase und ihren Darm unter Kontrolle. Mit den zunehmend jünger werdenden Kinder bedurfte es ein Umdenken, das glücklicherweise in den meisten Fällen stattgefunden hat.

Vor gut 20 Jahren traf ich noch regelmäßig auf Fachkräfte, die diese Meinung vertraten. Heute ist das deutlich weniger geworden, aber noch immer nicht ganz  weg. Laut meiner Umfrage auf Insta sind es ca. 30% der Fachkräfte, die Kolleg*innen haben, die diesen Irrglauben auch heute noch für Kinder ab 3 Jahren vertreten. Und irgendwo in Bayern gibt es allen Ernstes eine Einrichtung, die für Kinder ab 3 Jahren eine Wickelzulage für den personellen Mehraufwand von bis zu 30 € im Monat erhebt. 🤦

Merke: Kein Kind muss vor der Eingewöhnung trocken sein. Bei den meisten Kindern ist dies entwicklungsbedingt nicht vor dem 4. Lebensjahr möglich. (vgl. G. Haug-Schnabel und Dorothee Gutknecht).

# Irrtum No. 7 – Die Mutter sollte vor der Eingewöhnung abgestillt haben

Das sind veraltete und falsche pädagogische Denkweisen, die heute überholt sind. Wir wissen es heute besser: die Mutter ist nicht für den Beziehungsaufbau zwischen dem Kind und der pädagogischen Fachkraft zuständig oder verantwortlich. Bindungspersonen können natürlich diesen Aufbau unterstützen, indem sie ihrem Kind vermitteln, dass der/die Erzieher*in xy wir Fachkräfte nett und vertrauenswürdig sind. Aber die Bindungspersonen müssen dafür nichts (!) an der Beziehung zu ihrem Kind verändern.

Ich selbst habe vor 25 Jahren eine Eingewöhnung erlebt und begleitet, bei der die Mutter des 6 Monate alten Kindes von ihrem Recht gebraucht machte, 1-2 x am Tag noch zum Stillen zu uns in die Einrichtung zu kommen. Auch das hat wundervoll funktioniert. Ich hatte den Eindruck, dass das Kind so auch zwischendurch Kraft bei der Mutter auftanken konnte, um sich dann wieder auf die Fachkräfte und den herausfordernden KitaAlttag einlassen zu können.

Wenn eine Fachkraft der Meinung ist, dass Stillen oder ein Familienbett, Tragen, Kuscheln usw. falsch sei, da sich ein Krippen- oder Kindergartenkind von seinen Eltern ablösen muss, dann kennt diese Person sich recht wenig mit der Bindungstheorie und Entwicklungspsychologie aus oder möchte sich nicht auf dem aktuellsten Stand halten. Hier sollte noch einmal sehr genau das Bild vom Kind überprüft werden.

Merke: Kinder können sehr wohl Beziehungen zu anderen aufbauen, auch wenn sie gestillt werden. Vor allem bei so großen Entwicklungsaufgaben wie die Bewältigung der Eingewöhnung ist das Weiterstillen sogar von Vorteil, weil es Geborgenheit, Trostt und Zuwendung gibt. Es beruhigt das Stresssystem des Kindes und erleichtert den Übergang.

# Irrtum No.8 – Verabschiedung lieber kurz und schmerzlos

Das entspringt der falschen Vorstellung, dass wenn ich ein Gefühl nicht lange spüren muss, dass es dann auch schnell wieder vorüber ist.  Bei einer unvermittelten und zügigen Verabschiedung, ist das Kind meistens überrumpelt und reagiert überrascht. Je nach Alter und Entwicklungsstand kann es die Situationen und die damit verbundenen Konsequenzen noch gar nicht richtig einschätzen. Daraus lässt dann nicht zwangsläufig schließen, dass nur weil das Kind in diesem Moment gar nicht reagieren kann, es ihm damit wirklich gut geht.

Möglicherweise ist sein Stresssystem gerade so hochgradig aktiviert, dass ihm nur das Notfallprogramm Erstarren zur Verfügung steht.  Gerade dann sollte die Bindungsperson sich langsam verabschieden dürfen, damit das Kind soweit beruhigt wird, dass es sich auf die Bezugserzieher*innen in diesem Moment überhaupt einlassen kann.

Dazu gehört auch, dass das Kind die Erfahrung machen kann: wenn ich traurig bin, dann ist das okay. Ich werde verstanden und ich werde nicht alleine gelassen mit meinen Gefühlen.

Das „Abflücken“ des Kindes vom Arm der Bindungsperson ist übrigens übergriffig und grenzüberschreitend. Im Rahmen des institutionellen Kinderschutzes steht dieses Verhalten absolut auf rot.

Merke: Es ist für das Kind wichtig, mit seinen wahren Gefühlen in Kontakt kommen zu dürfen und dann tut es gut, dies mit den für sie wichtigsten Personen zu erleben und zu bewältigen. Ein Kind hat das Recht auf seine Trauer und sein Traurigsein. Bekommt ein Kind die Zeit, das es braucht, wird es sogar viel schneller das nötige Vertrauen zu den Bezugserziehende fassen können.

# Irrtum No. 9 – Tränen gehören zur Eingewöhnung dazu, da muss das Kind durch

Tränen gehören bei vielen Kindern in der Trennungssituation durchaus dazu und sind Ausdruck ihres Trennungsleids und Trennungsprotestes, das muss aber nicht so sein. Lässt man Kind und Bindungspersonen die notwendige Zeit, sich zu orientieren, anzukommen und Beziehung zur Fachkraft aufzubauen, können diese Tränen auch gänzlich ausbleiben.

Tränen sind immer Signale für Bindungsverhalten, die mitteilen wollen: Geh noch nicht! Bleib hier! Ich bin noch nicht so weit. Ich brauche dich, bis ich hier gut angekommen bin. Und Tränen können auch ein wichtiges Ventil sein, um der eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen.

Und Nein- kein Kind muss da pauschal durch. Leider erlebe ich immernoch viel zu oft, dass Kinder in ihrer Trauer und in ihrer Not alleine gelassen werden. Sie sitzen dann einsam und alleine – sich selbst überlassen – und sollen mit ihrem Schmerz alleine klar kommen. Das ist herzlos und grausam. Mit Blick aus das Kinderschutzkonzept zählt das eindeutig zu emotionaler Gewalt. In einer sowieso stressbehafteten Zeit wie der Eingewöhnung wird das Kind dadurch zusätzlichem Stress ausgesetzt. Das ist schlichtweg entwicklungshemmend und nicht zu beschönigen. Dazu gibt es mittlerweilen fundierte Erkenntnisse aus der Neurobiologie – Stress verändert die kindlichen Gehirnstrukturen und verlangsamt Lern- und Entwicklungsprozesse. Zusätzlich haben frühe Stresserfahrungen eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf das spätere Stresssystem des Erwachsenen. Das kann minimiert werden durch gute Co-Regulation und hier wirken gerade die vertrauten Bindungspersonen für das Kind beruhigend.

Merke: Ist ein Kind untröstlich, sind gerade die Bindungspersonen wichtig, damit das Kind in deren Gegenwart möglichst stressdreduziert, sich mit den Fachkräften, den Kindern und der neuen Umgebung vertraut machen kann.
Ein Kind, dass traurig ist, braucht Zuwendung, Nähe und Trost. Es darf niemals in seinem Schmerz alleine gelassen werden. Wenn die Bindungspersonen nicht da sind, ist dies eine der wichtigsten Aufgaben der pädagogischen Fachkraft.

# Irrtum No. 10 – Das Kind weint extra, damit es nicht hierbleiben muss

Und da ist sie wieder: die Unterstellung, dass Kinder aus der Absicht heraus handeln, um die Erwachsenen unter Druck zu setzen und zu manipulieren. Hier lassen Johanna Harrer (Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind) und Dr. Michael Winterhoff (Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden) grüßen.

Nein!!! – Kinder manipulieren uns Erwachsene nicht. Sie treten für sich und ihre Bedürfnisse ein und wenn wir dies übergehen, dann tun sie das aus der Not heraus auch heftig und lautstark. Wenn Kinder weinen, dann haben sie immer einen guten Grund. Wenn sie dann Bindungspersonen an ihrer Seite haben, die das ernst nehmen, dann ist das als Fachkraft anzuerkennen und zu unterstütze. Das kann im Einzelfall natürlich auch heißen, dass ein Kind während oder auch nach der Eingewöhnungszeit früher als geplant abgeholt wird, weil es das gerade braucht. Ein solches Vorgehen fördert das Vertrauen des Kindes in alle Richtungen.

Merke: Die Bedürfnisse und Bindungssignale wahrzunehmen, zu verstehen und darauf einzugehen, fördert das Vertrauen des Kindes und erleichtert den Übergang Familie zur Kinderbetreuung. Dabei ist Feinfühligkeit und Sensitive Responsivität- eine wichtige Kompetenz einer jeden pädagogischen Fachkraft.

# Irrtum No. 11 – Wenn wir einmal in der Trennungsphase sind, dann gibt es kein zurück mehr

Die Basis einer bedürfnisorientierten und beziehungsstarken Eingewöhnung ist die Feinfühligkeit der eingewöhnungsbegleitenden Fachkräfte. Dazu gehört es auch, sehr einfühlsam damit umzugehen, dass das Kind zu unterschiedlichsten Zeitpunkten des Ankommens, seiner Trauer Ausdruck verleiht und signalisiert: „Das geht mir gerade alles viel zu schnell, ich brauche noch Zeit.“
Auf dieses Bedürfnis dann einzugehen und Tempo rauszunehmen oder die Bindungsperson auch noch einmal für eine kurze Zeit wieder mit dabei sein zu lassen ist kein Rückschritt. Ausführlicher habe ich zu diesem Punkt schon einmal in meinem früheren Blogartikel: „Abschied ohne Tränen?“ geschrieben.
Diese Maßnahmen werden immer dann notwendig, wenn das Kind kurz davor steht, sich komplett zu verweigern, was in der Praxis oftmals dadurch forciert wird, dass die Trennungsversuche ohne Pause Tag für Tag wiederholt werden.

Merke: Eingewöhnung verläuft nie linear. Ein Kind, das auch in der Trennungsphase seine Bindungspersonen wieder einfordert, braucht noch Zeit. Rückschritte geben dem Kind die Möglichkeit zur Entschleunigung. Dieses Vorgehen dient schließlich der Stressregulation und dem Aufbau von Vertrauen.

# Irrtum No. 12 – Wenn die Bindungsperson jetzt nachgibt, dass wird es gar nicht mehr klappen

Passt auch zu Irrtum No. 11. Diese Haltung begegnet mir häufig, wenn die Eingewöhnung eigentlich schon als abgeschlossen gilt und das Kind dann von heute auf morgen seine Trauer zeigt und wieder mit nach Hause möchte.
Dann meinen manche Fachkräfte, sich auf einmal dem Kind gegenüber durchzusetzen und ihm zu zeigen zu müssen, dass das so nicht funktioniert.

Dabei gibt es viele Gründe, warum ein Kind, die Nähe zur Bindungsperson der Kinderbetreuung wieder vorzieht:
– ihm geht es gerade nicht so gut
– es war so schön zu Hause
– es gab Stress, der noch nicht ausgestanden ist
– das Trennungsleid tritt jetzt erst mit Zeitverzögerung auf
– das Kind war krank und muss sich erst wieder neu einfinden

Merke: Es gibt immerwieder Situationen, in denen es dem Kind gut tun wird, dass die Bindungspersonen, sich für die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes Zeit nehmen. Ausnahmen können hier sehr stressreduzierend wirken. Alles andere artet schnell in einen Machtkampf aus und ist als adultistisch einzuordnen. Wenn die Bindungsperson das Kind aus verschiedensten Gründen nicht vwieder mit nach Hause nehmen oder nicht in Ruhe den morgentlichen Übergang in dieser Situation begleiten kann, braucht das Kind eine Erklärung und zugewandte Fachkräfte, die diesen erschwerten Übergang dann feinfühlig begleiten und die Gefühle ernst nehmen.

# Irrtum No. 13 – Die Eingewöhnung muss nach 2 Wochen abgeschlossen sein

Diese Fehlannahme wird oftmals von den Ablaufplänen des Berliner Eingewöhnungsmodells abgeleitet, die dort exemplarisch für 2 Wochen beschrieben sind.
Mit Hineinspielen kann zusätzlich

  • der Druck, den manche Eltern machen, so schnell wie möglich die Kita wieder verlassen zu können,
  • die große Zahl der neuen Kinder, die es aufzunehmen gilt,
  • der Wunsch der Fachkräfte schnellstmöglich zum Alltag zurückkehren zu können,
  • nicht so kange von Bindungspersonen beobachtet zu werden

Merke: Keine Eingewöhnung ist nach exakt 2 Wochen abgeschlossen. Die meisten Kinder bleiben zwar ohne größeres Trennungsleid nach 2 Wochen ohne ihn Bindungspersonen in der Kinderbetreuung. Der Prozess des Ankomnens, Orientierens und Sicherheit gewinnen geht aber noch weiter. Wie eine bindungs- und bedürfnisorientiert gestaltete Eingewöhnung aussehen kann, habe ich in dem Kita Talk mit Teresa Miss:  Jedem Kind sein eigenes Tempo – auch in der Eingewöhnung besprochen.

Soweit ersteinmal die wesentlichsten Irrtümer und Mythen, die ich auch mit Hilfe einiger Fachkräfte auf Instagram und Faceboo gesammelt habe. Fehlt dir noch ein Aspekt? Dann schreib ihn gerne in die Kommentare. Gerne schaue ich dann dort wie wir diesen Mythos entkräften können.

Ich wünsche dir eine bindungsstarke und bedürfnisorientierte Eingewöhnungszeit mit den neuen Kindern und Eltern

Deine Anja