Die Veränderungskurve

Neben den „Räumen der Veränderung“ (s. vorherigen Beitrag) gibt es ein weiteres hilfreiches Modell, dass die Vorgänge während eines Veränderungsprozesses verdeutlicht. Es handelt sich um die „Veränderungskurve“ nach Kübler-Ross, die das emotionale Erleben der am Prozess beteiligten Personen fokussiert. Mit Hilfe dieser Kurve lässt sich ableiten, ab wann bei den Mitarbeiter*innen eine Veränderungsbereitschaft entsteht, an der die Führungskraft ansetzen kann. Häufig wird versucht, die Veränderung voranzubringen, ohne die Befindlichkeiten der einzelnen Mitarbeiter*innen zu berücksichtigen. Das führt oftmals dazu, dass der Prozess stagniert oder zum Stillstand kommt. Im Team kommt es dann häufig zu Frustration und Ermüdung. Mit dem Wissen um die verschiedenen Phasen und die damit verbundenen Befindlichkeiten, ist es möglich die Widerstände und Blockaden zu analysieren und sie möglichst zu reduzieren.

Die 7 Phasen der Veränderung

Die Veränderungskurve (s. Abb. oben) teilt einen Veränderungsprozess in 7 Phasen ein:

Nach Ankündigung einer notwendigen Veränderung reagieren die Beteiligten mit Schock. Manchmal ist der Veränderung eine negative Vorahnung vorausgegangen, die dann plötzlich real wird. In dieser 1. Phase fühlen sich die Mitarbeiter*innen handlungsunfähig. Die Dauer und Schwere des Schocks ist davon abhängig, wie betroffen der*die Einzelne von der Veränderung ist.

Auf den Schock folgt dann die Verneinung. In dieser 2. Phase wird die Veränderung zunächst abgelehnt und teilweise verdrängt. Die Person weist die Veränderung von sich mit den Worten: „Das alles betrifft mich sowieso nicht. Das geht nur die anderen etwas an.“ Dies geschieht zunächst aus dem Selbstschutz heraus, sich nicht mit etwas Neuem auseinandersetzen zu müssen.

In der nächsten Phase folgt dann die Trauer, im Einzelfall auch Depression. Die Person befindet sich im sog. Tal der Tränen. Die Veränderungsbereitschaft befindet sich auf dem Nullpunkt. Gefühle wie Wut, Frust und Aggression sind keine Seltenheit. Es braucht viel Fingerspitzengefühl, die Mitarbeiter*innen hier wieder herauszuholen.

Als nächstes folgt die Phase des innerlichen Abschieds. Das Alte wird losgelassen und die Person setzt sich mit den neuen Gegebenheiten auseinander. Dies geschieht zunächst mehr auf der rationalen Ebene. Die Veränderungsbereitschaft ist auch in dieser Phase weiterhin auf dem Nullpunkt. Ermutigende und motivierende Worte finden in oftmals kein Gehör.

Erst in der 5. Phase wird die beginnende Akzeptanz für die Veränderung spürbar. Der*Die Mitarbeiter*in lässt sich langsam auf die neue Situation ein. Der Grad der Veränderungsbereitschaft erhöht sich. Für die Führungskraft bietet sich erst dann die Möglichkeit, den Veränderungsprozess richtig anzustoßen, indem sie Perspektiven und mögliche Wege aufzeigt.

Daran schließt sich die Phase des Ausprobierens an. Die Mitarbeiter*innen geben dem Neuen eine Chance und können der Veränderung sogar etwas Gutes abgewinnen. Es wird nach Wegen gesucht und experimentiert.

Mit der 7. Phase, der Integration, haben sich alle am Prozess Beteiligten mit der neuen Situation, den neuen Rollen und den veränderten Strukturen vertraut gemacht. Die Veränderung wird als Normalität empfunden und angenommen. Es kehrt ein Gefühl von Sicherheit und Zufriedenheit ein. Das Team ist in einer neuen Handlungsfähigkeit und Produktivität angekommen – bis zur nächsten Veränderung. 😉

Einladung zur Selbstreflexion

Kommen Euch diese Phasen bekannt vor? Wo steht Ihr gerade? Wie habt Ihr den Schock überstanden? Liegt das Tal der Tränen hinter Euch? Mit welchen Gefühlen seid Ihr gerade unterwegs? Könnt Ihr schon wieder nach vorne schauen? Was probiert Ihr gerade aus? Wisst Ihr schon, wie die Veränderung sich in Euren Alltag integrieren lässt? Schaut gut auf den Prozess, in dem Ihr gerade mit eurem Team steckt und gebt den einzelnen Phasen den Raum, den sie brauchen.

Ich wünsche Euch viel Kraft und ein gutes Miteinander

Eure Anja

P.S.: Bist Du als Leitung tätig und auf der Suche nach einem Online-Seminar, das Dich dabei unterstützt, gemeinsam mit Deinem Team einen guten Weg für die pädagogische Arbeit in verrückten Zeiten zu entwickeln. Dann findest Du hier weitere Informationen:

Gerne könnt Ihr Euch auch auf meiner Seite Online-Coaching über meine Angebote zur Begleitung von Pädagogischen Fachkräften und Leitungskräften erkundigen.

Die Räume der Veränderung nach M. Pohl

Euer Arbeitsfeld ist seit jeher von vielen Veränderungen geprägt. Auslöser hierfür waren bislang in der Regel gesetzliche Vorgaben, Dienstanweisungen, konzeptionelle Weiterentwicklungen und pädagogische Neuerungen. Die damit verbundenen Veränderungen erforderten schon immer eine hohe Flexibilität von Euch als Fachkräfte. Nicht nur beruflich, sondern auch privat müssen wir uns immer wieder auf neue Situationen einlassen. Veränderungen begegnen uns im Laufe unseres Lebens immer wieder. Jede*r von uns hat sein eigenes Tempo und seinen eigenen Weg, um mit diesen Veränderungen umzugehen.

Hierzu möchte ich heute das Modell „Räume der Veränderung“ vorstellen, mit dem Ihr nachvollziehen könnt, was die Veränderungen der letzten Wochen in Euch ausgelöst haben und wo Ihr heute in diesem Prozess steht. Ich selbst nutze dieses Modell schon seit vielen Jahren zur Selbstreflexion und in verschiedenen Einzel- und Teamcoachings. Kennengelernt habe ich es bei meinem Lehrcoach Michael Pohl.

Die Räume der Veränderung

Die „Räume der Veränderung“ könnt Ihr Euch wie einen Grundriss einer Wohnung vorstellen. Durchwandert diese Räume in Gedanken, zeichnet Euch den Grundriss auf ein Blatt Papier und wandert mit einer Spielfigur dort hindurch oder legt das Modell mit Seilen auf den Boden und stellt Euch in die einzelnen Räume.

Ihr beginnt im Raum der relativen Zufriedenheit. Das ist der Zustand, in dem Ihr Euch vor der Veränderung befunden habt. In diesem Raum ist alles vertraut und bekannt. Jede*r kennt die Spielregeln, weiß was erwartet wird und was zu tun ist. Hier ist alles mehr oder weniger gut und grundsätzlich darf das auch so bleiben.

Mit der Veränderung befindet Ihr Euch auf einmal im Raum des Zweifelns. Hier hinterfragt Ihr den Sinn und die Notwendigkeit der Veränderung. Ihr seid verunsichert und wißt nicht, wo das Ganze hinführen soll. Ihr zweifelt oft an Euch selbst, ob Ihr den Anforderungen überhaupt gewachsen seid.

Im Einzelfall werden die Zweifel so groß, dass sie in Ablehnung umschlagen. Dann befinden Ihr Euch auf einmal im Keller der Ablehnung und verweigert Euch, an dem Veränderungsprozess weiterhin teilzunehmen. Es baut sich ein Widerstand auf, der manchmal nur durch die Hilfe von außen wieder auflösbar ist.

An dem Bild von den Räumen der Veränderung (s.o.) ist zu erkennen, dass der Weg aus dem Keller der Ablehnung wieder über den Raum des Zweifelns führt. Von da aus kommt Ihr dann nach einer Weile in den Raum der Konfusion. In diesem Raum haben sich die Zweifel gelöst. Ihr nehmt die Notwendigkeit der Veränderung weitestgehend an. Trotzdem ist Euch hier noch nicht klar, wie diese Veränderung im Einzelnen aussehen wird. Es sind weitere Fragen zu klären. Was von dem bisherigen gilt noch? Was kommt neu dazu? Wovon müssen Ihr Euch verabschieden?

Wenn diese Fragen weitestgehend geklärt sind, betretet Ihr den Raum der Neuorientierung. In diesem Raum verweilt Ihr eine ganze Zeit bis sich die Neuerungen stabilisiert haben. Hier probiert Ihr aus und manches verwerft Ihr auch wieder.

Erst wenn die Neuerungen sich für Euch vertraut und passend anfühlen, kommt Ihr wieder in den Raum der relativen Zufriedenheit. Damit schließt sich der Kreis und der Veränderungsprozess endet in der Neuorientierung, die sich in den Alltag einfügt.

Veränderung braucht Zeit

Solche Veränderungen können sich manchmal etwas hinziehen und brauchen Zeit. Es ist dabei völlig normal, immer wieder in vorherige Räume zurückzukehren. Ergänzend möchte ich Euch eine wertvolle Anregung einer Leitungskollegin mit auf den Weg geben. Sie hat kurzerhand in einem Seminar weitere Räume an den Grubdriss angebaut: die Küche, einen Wellnessraum und den Balkon. In der Küche trefft Ihr Euch mit anderen zum Austausch und sorgt für Euer leibliches Wohl. Der Wellnessraum bietet die notwendige Entspannung, um Kraft zu tanken. Auf dem Balkon atmet Ihr tief durch und bekommt frischen Wind in Eure Gedanken. Die Raucher unter Euch können hier auch eine kleine Raucherpause einlegen. 😉

Jetzt seid Ihr dran. Ich möchte Euch dazu einladen, mit Hilfe der Methode „Räume der Veränderung“ die letzten Wochen zu reflektieren. Wo steht Ihr heute? Was braucht Ihr, um den nächsten Raum betreten zu können? Wo steckt Ihr vielleicht gerade fest? Wer kann Euch da heraus helfen? Kennt Ihr jemanden, der sich gerade im Keller der Ablehnung befindet und von Euch ein motivierendes Wort brauchen könnte?

Nutzt das Model heute und auch in der Zukunft, um Euch und Andere besser zu verstehen zu können.

Bleibt achtsam mit Euch und Anderen

Eure Anja

 

P.S. Gerne könnt Ihr Euch auch auf meiner Seite Online-Coaching über meine Angebote zur Begleitung von Pädagogischen Fachkräften und Leitungskräften erkundigen.

Außerdem findet Ihr auf YouTube einen KitaTalk zum Thema: Teamarbeit in Zeiten von Corona – auch diese Krise meistern wir gemeinsam

Und am 19.05.2022 findet das Live-Online-Seminar: Neues entsteht – Veränderungsprozesse im Team erkennen und begleiten in Kooperation mit Haus Neuland statt.

Als besonderen Bonus kannst Du hier eine PDF zu den Räumen der Veränderung anfordern. Dort findest Du weitere Materialien für Deine Teamarbeit.

Und auf YouTube findest du meinen Vortrag zu den Räumen der Veränderung, den ich 2021 auf den Pädagogik-Fachtagen gehalten habe.

 

Buchtipps:

Pohl, M.: Coaching denkt weiter, isb-Verlag

Cantzler, Anja: Gruppenleitung in der Kita, Vandenhoeck & Ruprecht Verlage