Im Alter von ca. 3 – 7 Jahren befinden sich Kinder in der Magischen Phase. Als Teil der ganz normalen Persönlichkeitsentwicklung ist das Erleben des Kindes in dieser Phase von Phantasie und magischen Vorstellungen geprägt. Die Grenzen zwischen den eigenen Gedanken und der Realität sind fließend. In der kindlichen Vorstellung ist daher alles möglich, was das Kind sich denkt und wünscht.
Alles lebt und hat Einfluss
Wie im vorherigen Beitrag bereits näher erläutert wurde, hat das Kind in den ersten Lebensjahren seine Selbstwirksamkeit und den damit verbundenen Einfluss auf seine Umwelt erprobt und kennengelernt. Gleichzeitig ahnt es, dass im Umkehrschluss andere Personen, Tiere, Gegenstände und Fabelgestalten auf ähnliche Art und Weise auf das Kind selbst Einfluss nehmen können. In der eigenen Vorstellung wird während der Magischen Phase die unbelebte Welt personifiziert und belebt. Dadurch kann das Kind beispielsweise den blöden Stuhl zurück hauen, wenn es sich an ihm gestoßen hat. Oder es glaubt, dass die Wolke weint, weil sie traurig ist.
Imaginäre Freunde und Fantasiegestalten
Die Magische Phase ist für viele Kinder die Zeit der imaginären Freunde und Fantasiegefährten, die entweder stellvertretend für das Kind oder aber gemeinsam mit dem Kind die Schwierigkeiten des Alltags bestehen. Dann ist auf einmal ein ausgedachter Freund verantwortlich dafür, dass etwas kaputt geht oder veschwunden ist. Ein anderes Mal hat die Hexe die Erbse in die Nase des Kindes gezaubert. Oftmals besitzen die imaginären Freunde Eigenschaften, die das Kind für sich selbst wünscht.
Lüge oder Wahrheit
Ein weiteres Phänomen dieser Phase ist das Erzählen der tollsten und phantasiereichsten Geschichten, die jedoch nie passiert sind. Dann erzählt das Kind beispielsweise von einem tollen Geschenk, dass es aber nie bekommen oder von einer Reise, die nie stattgefunden hat. Viele Eltern sind dann sehr besorgt, ob sich Ihre Kinder hierdurch zu Lügner*innen entwickeln. Diese Sorge ist unberechtigt. Noch ist die kognitive Entwicklung nicht weit genug voran geschritten, um bestimmte Situationen und Ereignisse schlüssig bedenken und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche mitteilen zu können. Diese Phantasiegeschichten helfen den Kindern, die vielfältigen Dinge des Alltags zu verarbeiten und altersgerecht zu bewältigen. Wenn uns Kinder solche Geschichten erzählen oder uns die imaginären Freunde begegnen lohnt es sich, genau hin zu hören und so mehr über die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder zu erfahren.
Schatten an der Wand
Ängste sind ein weiters zentrales Thema in der Magischen Phase. Durch die ausgeprägte Phantasie und Vorstellungskraft werden vor allem abends und nachts die Schatten und Geräusche im Kinderzimmer zu bedrohlichen und angsteinflößenden Wesen und Gestalten. Da sind dann auf einmal wilde Tiere im Raum, ein Monster unterm Bett oder ein gruseliges Gespenst am Fenster. Für die Kinder ist es wichtig, dass Ihr als Erwachsene sie ernst nehmt und gegebenenfalls die Eltern darüber aufklärt, dass das Verhalten aufgrund der Entwicklung völlig normal ist. Entwickelt gemeinsam mit Kindern und Eltern einen guten Gegenzauber: z.B. der beschützende Teddy, das Mosterspray, der Schuhkarton für die wilden Tiere, ein Zauberspruch gegen böse Hexen, Knoblauch gegen Vampire… Lasst Eure Phantasie spielen. 😉
Osterhase, Weihnachtsmann & Co
Schon bald steht Ostern vor der Tür. Mit Blick auf die Magische Phase stellt sich hier im pädagogischen Alltag immer wieder die Frage, ob Eltern und pädagogische Fachkräfte den Kindern den Glauben an den eierbringenden Osterhasen überhaupt vermitteln sollen. Dazu habe ich einen interessanten Artikel in der „Welt“ gefunden, den Ihr hier nachlesen könnt:
https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106135117/Glaube-an-den-Osterhasen-tut-dem-Kind-gut.html
Wie ist Eure Meinung zu dem Thema? Wie geht Ihr damit um? Welchen Schwierigkeiten begegnen Euch in Eurer Praxis?
Unterscheidung von Realität und Fiktion
Lange Zeit wurde befürchtet, dass besonders phantasievolle Kinder Schwierigkeiten haben Phantasie und Realität voneinander zu unterscheiden. Mitlerweilen wurde entgegen dieser Vermutung festgestellt, dass gerade phantasievolle Kinder, dies sehr gut können. Durch die intensiven Erfahrungen in der Magischen Phase haben sie gelernt, die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit nach und nach besser zu erkennen.
Im nächsten Beitrag beschäftige ich mich mit dem Thema, inwieweit Phantasie auch für Bildung und Lernen wichtig ist.
Sonnige Frühlingsgrüße
Eure Anja
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