Heute am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, möchte ich den Fokus der Aufmerksamkeit auf das Thema „häusliche Gewalt“ richten. Bereits im September ist ein KitaTalk mit Jenny Schmetzer dazu auf YouTube erschienen. Jenny ist eine von drei Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen war. Ihre Tochter, damals 4 Jahre alt, halt alles mitbekommen. Obwohl das Kind durchaus in der Kita davon erzähle, blieben die pädagogischen Fachkräfte untätig. Vermutlich fühlten sich die Kolleg*innen ohnmächtig bzw. wussten nicht wie sie das am besten angehen. In dem eindrücklichen Gespräch mit Jenny Schmetzer im Rahmen der KitaTalks berichtet sie von der erlebten häuslichen Hölle, der Hilflosigkeit der Fachkräfte, wie sie aus dem Teufelskreis ausgestiegen ist und welche Hilfe sie sich gewünscht hätte.
Die ersten Hinweise und Anzeichen
„Ach, das ist doch nix, ich hab mich nur gestoßen“, mit solchen oder ähnlichen Sätzen beginnt es dann häufig. Das sind für Dich als Fachkraft oftmals die ersten Anzeichen, wenn eine Mutter, im Einzelfall ein Vater, mit einem blauen Auge (schamhaft bedeckt von einer Sonnenbrille) oder einer blutigen Lippe vor Dir steht. Nachdem das bereits häufiger vorgekommen ist, wächst in Dir langsam ein Verdacht.
Konfrontation mit der eigenen Angst
Oftmals entsteht der erste Widerstand, sich diesem Thema anzunehmen, dadurch, dass es sich um Frauen handelt und wir selbst Frauen sind. Allein die Vorstellung geschlagen und erniedrigt zu werden, macht etwas mit uns. Angst, Wut, Hilflosigkeit steigen in uns auf. Manchmal werden auch eigene Erinnerungen und Erlebnisse wach, die sich lähmend auswirken können.
Alte Urteile und Vorurteile
Ich selbst bin in einer Generation aufgewachsen, in der häusliche Gewalt Frauen gegenüber lange Jahre toleriert wurde. Es kursierten Sprüche wie „Das wird sie schon verdient haben.“ und ähnliches. Es ist eine Blamage, wie lange es überhaupt gedauert hat, Vergewaltigung in der Ehe strafrechtlich zu verfolgen.
Für Männer, denen häusliche Gewalt widerfährt, ist es um ein Vielfaches schwerer, da sie dann als „Weicheier“ und „Schwächlinge“ abgestempelt und verhöhnt werden.
Die Fakten
Warum sollte eine Frau oder ein Mann selbst schuld sein, wenn es zu gewaltvollen und sexualisierten Übergriffen an ihm*ihr kommt? Was die die Länge eines Rocks damit zu tun?
Fakt ist, dass weltweit jede 3. Frau gewalttätige Übergriffe mindestens einmal erlebt hat und ein Großteil findet im häuslichen Umfeld statt. Häusliche Gewalt zieht sich durch durch alle Schichten und Altersstufen. Niemand ist davor gefeit, häusliche Gewalt zu erfahren. Und die Betrofffenen trifft keine Schuld!
Umgang mit häuslicher Gewalt gehört ins Kinderschutzkonzept
Aber zurück zum Ausgangspunkt: Was kannst Du als Fachkraft tun, wenn Du mit häuslicher Gewalt in Deinem Arbeitskontext in Kontakt kommst?
Ich habe ein paar Jahre in Kitas gearbeitet, in denen Kinder und Frauen von häuslicher Gewalt betroffen waren. Paragraph 8a gab es noch nicht, Frauenhäuser entstanden gerade erst… die Zusammenarbeit mit dem ASD (=allgemeinen Sozialdienst) empfand ich oftmals als unbefriedigend.
Ich hatte lediglich die Handgabe, dem alkoholisiertem Vater zu verweigern, sein Kind mitzunehmen.
Ich habe Erzählungen im Ohr, dass eine Mutter oft von ihrem gewalttätigen Ex-Mann an der eigenen Haustür bedroht wurde, die Polizei ihn jedes Mal wieder dort abholte und ermahnte, es aber nie zu einer Lösung für die Frau kam.
Für den Fall der Gefährdung des Kindeswohls gibt es in der Regel ein Kinderschutzkonzept, dass ein gewisses Vorgehen vorsieht. Geht es nun im Kern um die Gewalt, die gegen die Mütter gerichtet ist und die Kinder dies meist dann miterleben müssen, solltet Ihr im Team dieses Szenario explizit mit ins Kinderschutzkonzept aufnehmen und Strategien zu besprechen, was die Fachkräfte tun können, um den Betroffenen eine Brücke zu bauen.
Eine orange Fransenquaste als Hilferuf
Eine Möglichkeit bestünde darin, einen Korb mit orangen Fransenquasten (s.Foto) bereitzustellen. Betroffene (Frauen und Männer!) könnten dann eine Quaste nehmen und einer Fachkraft geben, um damit wortlos darum zu bitten, die Polizei zu informieren. Zum Reden oder gar selbst die Polizei zu informieren, fehlt den Betroffenen oft die Kraft und der Mut!
Damit das Ganze funktionieren kann, gehört ein solches Prozedere mit ins Konzept und es sollte offen vom ersten Elternabend an darüber gesprochen werden, dass es solche Hilfsangebote in der Einrichtung gibt.
Ich wünsche Dir MUT, Mut zum HANDELN, falls Du mit häuslicher Gewalt in Deinem Arbeitskontext konfrontiert wirst.
Deine Anja
YouTube KitaTalk : „Häusliche Gewalt – was Fachkräfte tun können“ mit Jenny Schmetzer
Hallo Anja!
Ich finde es auch wichtig, sich mit häuslicher Gewalt auseinanderzusetzen und Richtlinien für alle im Konzept aufzunehmen. Alle Anzeichen bitte ernst nehmen und verbalisieren. Es ist nicht einfach, doch kein Tabuthema. Auch alle Verhalten, die einem „Anderen“ etwas aufzwingen, dass der „Andere“ nicht will.