Was uns stark macht! –

Resilienz bei Kindern, Eltern und Pädagogischen Fachkräften

In meiner Arbeit als Coach und Supervisorin begleite ich seit vielen Jahren krisenhafte Situationen und Prozesse von Teams und Einzelpersonen. Dabei konnte ich beobachten, wie unterschiedlich jeder Mensch mit schwierigen Situationen umgeht. Die einen erleben eine Krise eher als Bedrohung und werden handlungsunfähig, andere sehen die Chance in der Krise und versuchen aktiv, etwas zu verändern.

Die Krise und ihre beiden Gesichter

Offensichtlich stecken in einer Krise zwei Seiten. Das haben bereits die alten Chinesen so empfunden. Das chinesische Schriftzeichen für Krise setzt sich aus zwei Zeichen zusammen: das eine steht für Gefahr und das andere für Chance.

Vermutlich kennt Ihr diese beiden Seiten von Euch selbst. Interessant hierbei ist, was bei Euch in schwierigen Situationen und Herausforderungen zunächst überwiegt und Euch bei der Bewältigung dann eher hemmt oder unterstützt. In der Arbeit mit Kindern könnt Ihr diese Unterschiede auch beobachten. Da gibt es immerwieder Kinder, die sich trotz schlechter Lebensbedingungen wie z.B. Armut, Arbeitslosigkeit, Vernachlässigung, Gewalterfahrungen etc. überraschend positiv und kompetent entwickeln. Hier stellt sich oft die Frage, was diesen Kindern die Kraft gibt, solch schwierige Bedingungen und Situationen nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt daraus hervor zu gehen.

Das Immunsystem der Psyche

Die Antwort auf diese Frage ist das Vorhandensein von „Resilienz“, was die Kompetenz beinhaltet, mit viel psychischer Stärke und seelischer Widerstandskraft schwierige Lebenskrisen und Schicksalsschläge zu überstehen. Resilienz wird auch als das „Immunsystem der Psyche“ bezeichnet.

Die Resilienzforschung hat hierzu herausgefunden, dass Resilienz:

  • nicht angeboren, sondern erlernbar ist
  • je nach Situation unterschiedlich ausgeprägt ist
  • abhängig von der jeweiligen Person und ihrer aktuellen Lebensumwelt ist.

Der Grundstein für Resilienz wird bereits im ersten Lebensjahren gelegt. Hier spielen familiäre Ressourcen wie z.B. eine stabile Bindung zu mindestens einer Bezugsperson, ein emotional warmes aber auch klar strukturiertes Erziehungsverhalten der Eltern und positive Beziehungen zu Geschwistern eine wichtige Rolle. Hinzu kommen soziale Ressourcen wie z.B. soziale und emotionale Unterstützung aus dem Lebensumfeld des Kindes und die Qualität der Bildungsinstitutionen, die ein Kind besucht.

Auf dieser Basis entwickeln sich wichtige Eigenschaften eines Kindes, die Fröhlich-Gildhof als sog. Resilienzfaktoren wie folgt zusammenfasst:

  • positive Selbstwahrnehmung
  • Überzeugung von der eigenen Selbstwirksamkeit
  • Vorhandensein sozialer Kompetenzen
  • angemessener Umgang mit Stress
  • Problemlösungsfähigkeit

Diese Faktoren tragen dazu bei, dass ein resilienter Mensch Stress, Probleme und Krisen vielmehr als Herausforderung und Chance annimmt. Er*Sie fühlt sich weniger seinem*ihrem Schicksal ausgeliefert und kann eher auf aktiv-problemorientierte Bewältigungsstrategien zurückgreifen.

Und so gehts weiter

Diese Woche beschäftige ich mich, wie hier bereits vorbereitet, mit dem Thema Resilienz. Es geht zum einen um die psychische Widerstandskraft der Kinder, aber auch um die Frage nach Eurer eigenen Widerstandskraft im Umgang mit Krisen und schwierigen Situationen. Auf welche Ressourcen und Kompetenzen könnt Ihr zurück greifen? Wo findet Ihr die Unterstützung, die Ihr in solchen Situationen braucht? Was macht Euch stark?

Ich möchte Euch daher in den nächsten Tagen unterschiedliche Erklärungsmodelle zur Selbstreflexion anbieten und darstellen, wie Ihr Resilienz bei den Kindern fördern könnt.

Ich wünsche Euch einen guten Start in diese Woche voller Chancen und Herausforderungen

Eure Anja

Entwicklung und Lernen durch Phantasie

Noch Anfang des 20. Jahrhunderts waren Psychologen und Wissenschaftler der Überzeugung, dass Phantasie einzig und allein der Unterhaltung eines Kindes diene ohne tieferen Sinn für dessen Entwicklung.

Persönlichkeitsentwicklung

Diese Meinung hat sich glücklicherweise grundlegend geändert. Mittlerweile werden Phantasie und das fiktive Spiel eines Kindes als wichtig und wertvoll für die Persönlichkeitsentwicklung gesehen. Das Kind kann seine Erlebnisse nachspielen und verarbeiten. So entwickelt es neue Handlungsmöglichkeiten und Lösungen. In seiner Phantasie schlüpft es in verschiedene Rollen und probiert sich mit unterschiedlichsten Charaktereigenschaften und Fähigkeiten aus. Auf diesem Weg erprobt es, wer es ist und entdeckt sich als Person.

* Mitteilung eigener Bedürfnisse

Durch das erschaffen fiktiver Freunde und Begleiter oder das Erzählen phantasievoller Geschichten lernt das Kind seine Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen und auszudrücken.

* Entwicklung von Empathie

Ein Kind, dass sich mit Phantasiefiguren und deren besonderen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften beschäftigt hat, kann sich sehr gut in andere Menschen hineinversetzen. Es fällt ihnen oftmals recht leicht die Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle anderer zu verstehen.

* Schärfung der Realität

Durch die Gehirnforschung wissen wir, dass das menschliche Gehirn viel aufmerksamer ist, wenn es mit unerwarteten Dingen und Situationen konfrontiert wird. Phantasiegeschichte bieten dem Kind genau solch Unerwartetes. Dadurch wird es dazu angeregt, über das Ungewöhnliche nachzudenken, darüber ins Gespräch zu kommen, das Ganze in Frage zu stellen und den Blick für die Realtität zu schärfen. Auf diese Weise wird das Kind motiviert, sich eine eigene Meinung zu bilden.

* Kraftquelle in der Krise

In schwierigen und krisenhaften Zeiten kann Phantasie eine wundervolle Ressource und Kraftquelle sein, um den Blick auf die schönen und belebenden Momente des Lebens zu lenken. Dies unterstützt die Entwicklung von Resilienz.

Förderung der Sprachentwicklung

Desweiteren hat die Beschäftigung mit Phantasiegeschichten und Phantasiegestalten eine großen Einfluss auf die Sprachentwicklung. Dies habe diverse Studien ergeben. Das Kind entwickelt einen großen Wortschatz verknüpft mit der Fähigkeit, diese Worte in ihrer Bedeutung verständlich und nachvollziehbar erklären zu können. Das Erzählen von Phantasiegeschichten lädt ein, sich Situationen und Handlungen auszudenken und dafür die passenden Worte zu finden. Das regt die Sprach- und Fabulierfreude an und macht einfach Spaß. Und mit Spaß und Freude lernt es sich bekannterweise viel leichter.

Möglichkeiten schaffen und nutzen

Was könnt Ihr demzufolge als pädagische Fachkräfte zur Phantasieförderung der Kinder beitragen? – Phantasie braucht Raum und Zeit, um sich entfalten zu können. Lest mit den Kindern Phantasiegeschichten und hinterfragt gemeinsam, was davon in ihrer Welt möglich ist. Lasst sie phantasievolle Geschichten erzählen und nachspielen. Erfreut Euch an den imaginären Freunden und Begleitern der Kinder. Legt Euch mit den Kindern auf die Wiese und entdeckt Gesichter, Tiere und Phantasiewesen in den Wolken. Geht im Wald auf Entdeckungstour und sucht Feen, Elfen und Zwerge. Lasst der Phantasie freien Lauf! Sie öffnet ein Tor zur Entschleunigung im oftmals hektischen Alltag. Wenn es nach Aufhebung des Kontaktverbots in Eurem pädagogischen Alltag wieder einmal hektisch wird, erinnert Euch an die Kraft der Phantasie. Schaltet bewusst einen Gang zurück und eröffnet den Kindern Freiräume für fiktives Spiel und phantasievolles Erzählen.

Ihr könnt Euch sicher sein, dass Bildung auf diese Weise ganz nebenbei stattfindet.

Jetzt wünsche ich Euch erst einmal Frohe Ostern, hoffentlich kommt der Osterhase auch zu Euch. 😉

Bis nächste Woche Dienstag.

Eure Anja

 

P.S. Wenn Ihr das Foto zu diesem Beitrag anschaut, was könnt Ihr darin entdecken? Welche Geschichte fällt Euch dazu ein? Ich bin gespannt auf Eure Rückmeldungen.