Resilienz bei Kindern, Eltern und Pädagogischen Fachkräften
In meiner Arbeit als Coach und Supervisorin begleite ich seit vielen Jahren krisenhafte Situationen und Prozesse von Teams und Einzelpersonen. Dabei konnte ich beobachten, wie unterschiedlich jeder Mensch mit schwierigen Situationen umgeht. Die einen erleben eine Krise eher als Bedrohung und werden handlungsunfähig, andere sehen die Chance in der Krise und versuchen aktiv, etwas zu verändern.
Die Krise und ihre beiden Gesichter
Offensichtlich stecken in einer Krise zwei Seiten. Das haben bereits die alten Chinesen so empfunden. Das chinesische Schriftzeichen für Krise setzt sich aus zwei Zeichen zusammen: das eine steht für Gefahr und das andere für Chance.
Vermutlich kennt Ihr diese beiden Seiten von Euch selbst. Interessant hierbei ist, was bei Euch in schwierigen Situationen und Herausforderungen zunächst überwiegt und Euch bei der Bewältigung dann eher hemmt oder unterstützt. In der Arbeit mit Kindern könnt Ihr diese Unterschiede auch beobachten. Da gibt es immerwieder Kinder, die sich trotz schlechter Lebensbedingungen wie z.B. Armut, Arbeitslosigkeit, Vernachlässigung, Gewalterfahrungen etc. überraschend positiv und kompetent entwickeln. Hier stellt sich oft die Frage, was diesen Kindern die Kraft gibt, solch schwierige Bedingungen und Situationen nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt daraus hervor zu gehen.
Das Immunsystem der Psyche
Die Antwort auf diese Frage ist das Vorhandensein von „Resilienz“, was die Kompetenz beinhaltet, mit viel psychischer Stärke und seelischer Widerstandskraft schwierige Lebenskrisen und Schicksalsschläge zu überstehen. Resilienz wird auch als das „Immunsystem der Psyche“ bezeichnet.
Die Resilienzforschung hat hierzu herausgefunden, dass Resilienz:
- nicht angeboren, sondern erlernbar ist
- je nach Situation unterschiedlich ausgeprägt ist
- abhängig von der jeweiligen Person und ihrer aktuellen Lebensumwelt ist.
Der Grundstein für Resilienz wird bereits im ersten Lebensjahren gelegt. Hier spielen familiäre Ressourcen wie z.B. eine stabile Bindung zu mindestens einer Bezugsperson, ein emotional warmes aber auch klar strukturiertes Erziehungsverhalten der Eltern und positive Beziehungen zu Geschwistern eine wichtige Rolle. Hinzu kommen soziale Ressourcen wie z.B. soziale und emotionale Unterstützung aus dem Lebensumfeld des Kindes und die Qualität der Bildungsinstitutionen, die ein Kind besucht.
Auf dieser Basis entwickeln sich wichtige Eigenschaften eines Kindes, die Fröhlich-Gildhof als sog. Resilienzfaktoren wie folgt zusammenfasst:
- positive Selbstwahrnehmung
- Überzeugung von der eigenen Selbstwirksamkeit
- Vorhandensein sozialer Kompetenzen
- angemessener Umgang mit Stress
- Problemlösungsfähigkeit
Diese Faktoren tragen dazu bei, dass ein resilienter Mensch Stress, Probleme und Krisen vielmehr als Herausforderung und Chance annimmt. Er*Sie fühlt sich weniger seinem*ihrem Schicksal ausgeliefert und kann eher auf aktiv-problemorientierte Bewältigungsstrategien zurückgreifen.
Und so gehts weiter
Diese Woche beschäftige ich mich, wie hier bereits vorbereitet, mit dem Thema Resilienz. Es geht zum einen um die psychische Widerstandskraft der Kinder, aber auch um die Frage nach Eurer eigenen Widerstandskraft im Umgang mit Krisen und schwierigen Situationen. Auf welche Ressourcen und Kompetenzen könnt Ihr zurück greifen? Wo findet Ihr die Unterstützung, die Ihr in solchen Situationen braucht? Was macht Euch stark?
Ich möchte Euch daher in den nächsten Tagen unterschiedliche Erklärungsmodelle zur Selbstreflexion anbieten und darstellen, wie Ihr Resilienz bei den Kindern fördern könnt.
Ich wünsche Euch einen guten Start in diese Woche voller Chancen und Herausforderungen
Eure Anja
Die Resiliensfaktoren sind so unglaublich wichtig! Wenn du als Kind diese Grundlagen zu erhalten und zu erleben nicht erfahren hast,hast du als Erwachsener Mensch viel „Arbeit“ damit sie dir zu schaffen!
Liebe Ingride,
danke für Deinen Kommentar. Ja, dass ist ganz richtig, wir übernehmen hier eine wichtige Aufgabe und Verantwortung für die weitere Entwicklung der Kinder. Glücklicherweise ist es aber grundsätzlich möglich, auch als Erwachsener mit der richtigen Unterstützung, sich auch hier weiter entwickeln zu können. Ich möchte hier Ben Fuhrmann mit seinem Buchtitel zitieren: „Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben.“ Letztlich ist nicht wichtig, was ich in der Kindheit erlebt habe, sondern wie ich es im Rückblick bewerte. Soll heißen, stell Dir die Frage welche Kraft und welche Ressourcen hast Du aus dem Erlebten gezogen, aus denen Du heute wertvolle Kompetenzen und Ressourcen ziehst, die Dich heute zu der tollen Person machen, die Du heute bist. Wann kam ggfs. der Wendepunkt und was bzw. wer hat Dir dabei geholfen?
Deine Anja