Seit Dezember geistern verschiedene Begrifflichkeiten durch die Medien und Social Media: von „Kitas und Kindertagespflege sind geschlossen“, „Notbetreuung“, „eingeschränkter Pandemiebetrieb“ verbunden mit dem Appell an Eltern, ihre Kinder möglichst zu Hause zu betreuen. In der Öffentlichkeit wird oftmals der Eindruck vermittelt, das die Kindertagesbetreuung geschlossen sei. Die Realität sieht in vielen Kitas und Kindertagespflegestellen jedoch ganz anders aus.
Der Fluch des Föderalismus
In den seltensten Fällen gibt es klare Vorgaben für die Kindertagesbetreuung und jedes Land handhabt es totz Absprache komplett unterschiedlich. So wachsen Verunsicherung, Frust und Wut auf Seiten vieler Pädagogischer Fachkräfte. Auf der anderen Seite versuchen sich Eltern durch dieses Wirrwarr hindurch zu kämpfen und Lösungen für Ihre persönlichen Situationen zu finden.
So kommt was kommen muss: jede*r legt es anders aus und dadurch entstehen Interessenskonflikte zwischen Pädagogischen Fachkräften und Eltern.
Die Politik überlässt Kita-Leitungen, Fachkräften, Tagespflegepersonen und Eltern das Thema vor Ort auszutragen.
Vorprogrammierte Interessenskonflikte
In der Praxis treffen dann zum einen Pädagogische Fachkräfte,
- die trotz schwach besetzter Gruppen, komplett vor Ort sein müssen und dadurch unnötig einer Infektionsgefahr ausgesetzt sind
- die in bis zu 90% voll besetzten Gruppen arbeiten, obwohl aus ihrer Sicht, einige Eltern die Betreuung gar nicht bräuchten und das Handeln der Eltern als Respektlosigkeit bewerten
- in deren Gruppen Personalmangel herrscht, weil Kolleg*Innen dem Risikogruppen angehören und schon seit Monaten nicht vor Ort arbeiten
- die selbst Eltern sind und Kinder zu Hause oder im Homeschooling zu betreuen haben
- mit ihren Sorgen und Nöten um die tägliche Bedrohung ihrer Gesundheit, weil die Nähe zu den Kindern ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit ist
- die schon mehrfach Quarantäne durchstehen mussten, weil ein Infektionsfall in der Kita aufgetreten ist
- die sich bereits angesteckt haben und die Erkrankung mehr oder weniger glimpflich überstanden haben
- …
auf Eltern,
- die sich zwischen Homeoffice und Homeschooling zermürben
- die psychisch belastet sind und sich eine Auszeit herbei sehnen
- die sich strikt an die Regeln halten und ihren Kindern zumindest den Kindergarten nicht vorenthalten wollen
- die mit ihren Kindern zu Hause aus unterschiedlichsten Gründen ge- und überfordert sind
- die es auf engstem Raum mit dem sehr lebendigen Kind nicht mehr aushalten
- die in einer Schwangerschaft für ein paar Stunden Kraft ohne Kind tanken möchten
- …
Im Gespräch bleiben
Vielerorts gerät dadurch die viel gepriesene Bildungs-und Erziehungspartnerschaft auf den Prüfstand. Es entsteht ein Gegeneinander anstatt zu sehen, dass weder Eltern noch Pädagogische Fachkräfte für die Folgen dieser politischen Nicht-Entscheidungen vor Ort die Verantwortung tragen. Das einzige, was jetzt zielführend ist, ist miteinander im Gespräch zu bleiben, sich gegenseitig ernst zu nehmen und nicht ständig dem jeweils Anderen zu unterstellen, nur zu seinem Vorteil zu handeln. Ich habe schon zu Beginn der Pandemie über das Prinzip des Guten Grundes einen Blogbeitrag geschrieben, auf den ich an dieser Stellen auf jeden Fall nochmal verweisen möchte.
Ergänzend ist gerade ganz neu ein Kita-Talk mit Fea Finger (stellvertretende Kita-Leitung, Empathie- und Resilienztrainerin) mit dem Titel: „Achtung vor Eltern in der Pandemie“ erschienen.
Bitte bleib mit den Eltern über Deine und deren Gefühle und Bedürfnisse im Gespräch. Sei weiterhin so engagiert mit den Kindern, um sie möglichst achtsam und gut durch diese unruhige Zeit zu begleiten. Die Kinder vor Ort haben ein Recht auf eine schöne Zeit in der Einrichtung und die anderen haben ein Recht darauf, dass Du auch weiterhin mit Ihnen im Kontakt bleibst. Zieh Dich bitte nicht zurück, sondern geh jetzt erst Recht in den Kontakt mit Eltern – mit denen die zu Hause bleiben, genauso wie mit denen, die ihre Kinder bringen. Ich bin der Überzeugung, dass die wenigsten sich ihre jeweilige Entscheidung wirklich leicht gemacht haben.
Verantwortung der Erwachsenen
Fea hat mich übrigens in dem KitaTalk gefragt, was ich glaube, was diese Pandemie mit den Kindern macht und ob eine traumatisierte Generation daraus hervorgehen wird. Meine Antwort darauf ist, dass diese Generation bestimmt Erfahrungen mitnimmt, die Entwicklung der Persönlichkeit beeinflussen werden. Trotzdem muss diese Generation nicht zwangsläufig traumatisiert sein.
Dafür sind wir Erwachsenen jedoch grundlegend mitverantwortlich. Die Kinder brauchen von uns jetzt Stabilität und Sicherheit. Dazu gehört auch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern. Vielleicht hilft es Dir ja, wenn Du Dir vor Augen führst, dass auch die Eltern, sich diese Situation nicht ausgesucht haben. Sie versuchen genau wie Du, für sich und ihre Kinder bestmöglich zu sorgen, um diese Zeit zu überstehen.
Starke Erwachsene für starke Kinder
Für dich persönlich kann es hilfreich sein, sich ehrlich mit Deinen eigenen Sorgen, Ängsten und Nöten auseinanderzusetzen. Entdecke Deine Kraftquellen und tausch Dich mit den Kolleg*innen und Freund*innen aus. Hol Dir gegebenfalls Hilfe und Unterstützung von außen z.B. bei Beratern, Coaches oder Supervisor*innen.
Ein weiterer Beitrag, an den ich Dich in diesem Zusammenhang auch erinnern möchte, ist bereits letztes Jahr erschienen. In „Zwischen Empathie und Selbstfürsorge“ wirst Du daran erinnert, was Du tun kannst, um immer wieder auch gut für Dich zu sorgen. Und bei aller Schwere der Zeit, vergesst nicht zu Lachen. In meiner Küche steht immer noch das Metallschild: „Wenn wir lachen, stirbt irgendwo ein Problem!“ Ich glaube zwar nicht, dass wir die Pandemie so einfach weglachen können, ich bin aber der Überzeugung, dass wir das Ganze mit einer guten Portion Humor um Längen besser durchstehen.
Vertrau darauf, dass auch in dieser Krise das Licht am Ende des Tunnels wieder auftauchen wird. Glücklicherweise werden schon bald die Tage wieder länger und mit dem beginnenden Frühling wird die Stimmung und unsere Zuversicht weiter aufblühen und wachsen.
Ich wünsche Dir noch viel Kraft für und in der Krise
Deine Anja
Wenn Du individuelle Unterstützung in dieser Krise brauchst, stehe ich jederzeit online zur Verfügung. Nimm einfach Kontakt mit mir auf, in einem Erstgespräch können wir dann alles weitere besprechen.
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