In vielen Krippen, Kitas und Kindertagespflegestellen starten gerade die ersten Eingewöhnungen und spätestens nach den Sommerferien kommen wieder viele neue Kinder. Eine gute Gelegenheit, um diese Zeit des Ankommens und des Miteinander-Vertraut-Werdens genauer unter die Lupe zu nehmen.
Veränderte Ausgangsbedingungen
In den zurückliegenden Jahren kamen oftmals Kinder in die Kinderbetreuung, die bereits Trennungserfahrungen und Kontakterfahrungen mitbrachten. Diese Kinder hatten bereits diverse Krabbel,- Spiel- und Turngruppen besucht. Die Eltern waren regelmäßig mit anderen Eltern über Schwangerschaftsgymnastik, Rückbildungskurse, Wassergewöhnung und Babymassagen im Kontakt. Einige Kinder wurden bereits von Tagespflegekräften, Babysittern oder Großeltern betreut. All dies hat in den vergangenen 1 1/2 Jahren durch die Pandemie nur eingeschränkt bis gar nicht stattgefunden.
Von vielen Seiten bekomme ich mit, dass die aktuellen Eingewöhnungen aufgrund dieser fehlenden Vorerfahrungen mehr Zeit brauchen. Für einige Kinder ist der Übergang in die Kindertagesbetreuung das erste Trennungserlebnis von den Eltern und der erste Kontakt zu anderen Kindern. Und darauf reagieren die einzelnen Kinder ganz unterschiedlich. Auch einzelne Eltern äußern im Vorfeld zunehmend Bedenken, ob ihr Kind den Herausforderungen gewachsen ist.
Auf diesem Hintergrund habe ich in meinem letzten KitaTalk mit Stefanie von Brück über die „Auswirkungen der Pandemie auf die Eingewöhnung“ gesprochen. Stefanie von Brück und ich sind uns einig, dass die bevorstehenden Eingewöhnungen mit besonderer Feinfühligkeit zu begleiten sind. Vielleicht hattest Du ja bereits Zeit einmal in den Talk reinzuschauen und unser Gespräch hat Dich inspiriert, über die Bedürfnisse der Kinder und Eltern, die jetzt kommen, nachzudenken.
Bedeutung der PeerGroup
Parallel habe ich das Buch von Corinna Scherwath „Liebe lässt Gehirne wachsen“, das sich im Kern mit den Sicheren Beziehungen der Kinder zu den erwachsenen Bindungs- und Bezugpersonen beschäftigt, begonnen zu lesen. Besonders gut gefällt mir das Kapitel, das sie den besonderen Beziehungen der Kinder untereinander widmet. Sie stellt heraus, dass die jeweilige Kindergruppe für jedes Kind „die erste eigene Lebenswelt“ bildet, „in der es Beziehungen auf Augenhöhe gestaltet.“ (Scherwath, 2021, S.80). Die Kindertagesbetreuung ist ein Setting, in dem sich viele Menschen begegnen, nicht nur Pädagogische Fachkräfte mit Kindern und Eltern.
In erster Linie ist sie ein Ort, an dem Kinder anderen Kindern (Peers) begegnen und mit denen sie spielen und lernen.
In meinem Seminar zur „Eingewöhnung in der PeerGroup“ verdeutliche ich immer wieder, welche Bedeutung die PeerGroup für die Kinder und ihre Entwicklung hat.
Die PeerGroup ist für die Kinder ein Ort des sozialen Miteinanders, eröffnet Raum für den Umgang mit Gefühlen und bietet viele Möglichkeiten zur Nachahmung.
Eine Studie von Carolin Howes zeigt ergänzend, dass Kinder bereits in den ersten 18 Monaten beginnen sich an einer PeerGroup zu orientieren und sich in Trennungssituationen gegenseitig positiv stützen.
Chancen der PeerGroup Eingewöhnung in der aktuellen Situation
Durch aktuellen Gegebenheiten stellte sich mir die Frage, ob es überhaupt gut und sinnvoll ist, die Eingewöhnung in der PeerGroup mit Kindern und Familien durchzuführen, die bislang nur wenig bis gar keine Kontakte mit anderen Kindern und Familien hatten. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass gerade diese Eingewöhnung große Chancen birgt.
Da diese Eingewöhnung zunächst einmal ein Spielgruppenähnliches Setting eröffnet, treffen hier Kinder und Eltern in einer ähnlichen Lebenssituation aufeinander. Die Kinder können im Beisein der Eltern miteinander ins Spiel kommen und die Eltern lernen sich untereinander kennen. Die pädagogische Fachkräfte können Kinder und Eltern im geschützten Rahmen begegnen, die Kinder im Miteinander beobachten, erste Spielkontakte der Kinder untereinander anregen und die Beziehung zu der Kindergruppe und dem einzelnen Kind sanft aufbauen.
Da die Eingewöhnung zunächst in einem separaten Raum mit maximal 3-5 Kindern stattfindet, werden die Kinder nicht sofort mit der gesamten Großgruppe konfrontiert. Sie dürfen erst ein paar Kinder kennenlernen und sich diesen annähern. Dadurch bleibt die neue Situation zunächst überschaubar und berechenbarer.
Auch die Ablösung von den Eltern geschieht in diesem kleinen, überschaubaren Rahmen.
Erst wenn die Kindergruppe sich miteinander stabilisiert hat, kommen verstärkt die anderen Kinder aus der Gruppe dazu bzw. die Kinder gehen fließend im eigenen Tempo in den offenen Bereich über. Bei dieser Erweiterung geben die entstandenen Beziehungen weiteren Halt und Orientierung. Die pädagogischen Fachkräfte können sich dann gezielt um einzelne Kinder kümmern, die eine individuellere Begleitung bei diesem Schritt brauchen.
In der Eingewöhnung in der PeerGroup bilden auch die Eltern eine Gruppe von Gleichgesinnten (Peers). Alle sind in der Situation, ihr Kind erstmalig in eine Kinderbetreuung zu bringen und sich schrittweise abzulösen und loszulassen. Gemeinsam diese Situation zu bewältigen, kann hilfreich und unterstützend sein. Oftmals tut es gut, zu spüren, nicht alleine zu sein.
Ich bin überzeugt davon, dass diese Form der Eingewöhnung viele Chancen bietet, damit Kinder und Eltern ihrem jeweiligen Tempo entsprechend in der Kindertagesbetreuung ankommen können.
Es lohnt auf jeden Fall, sich mit diesem Modell einmal intensiver zu beschäftigen.
Deine Anja
Weiterführender Blogbeitrag
Die Eingewöhnung in der Peer-Group
Live-Online-Seminar
Freitag, 25.06.2021 von (16.30) 17.00 – 20.00 Uhr „Eingewöhnung in der Peer-Group“ bei www.ruekhalt-berlin.de
Weiterführende Podcasts/ KitaTalks
YouTube KitaTalk mit Sabrina Djogo: Eingewöhnung in der PeerGroup
Feas Naive Welt: Eingewöhnung in der PeerGroup
Buchtipp:
Scherwarth, Corinna: Liebe lässt Gehirne wachsen, Verlag an der Ruhr, 2021
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