Nach dem völligen Lockdown mit Notbetreuung und eingeschränktem Regelbetrieb ist in vielen Bundesländern die Rückkehr zum Regelbetrieb bereits gelebte Realität, das bisherige Infektionsgeschehen machte diesen Schritt möglich. Trotzdem bleibt das ganze recht fragil, da die Zahlen sich jederzeit wieder verändern können. Ich selbst habe hier im Kreis Gütersloh miterlebt, wie schnell die Kindertagesbetreuung vorübergehend wieder geschlossen wurde. Örtlich wird der Verlauf des individuellen Infektionsgeschehens entscheidend sein, was wie umsetzbar ist.

Rückkehr zur Normalität?

Die Rückkehr zur Normalität ist ein großer Wunsch bei vielen von uns. Für die Kinder ist das Zusammensein mit anderen Kindern elementar für die Entwicklung. Die Eltern brauchen nach den vielen Monaten von HomeKindergardening, Social Distancing und Homeoffice dringend Entlastung. Und viele von Euch haben im Lockdown die Kinder vermisst und wünschen sich die Rückkehr, zu dem was vorher war.

In NRW ist dies zum 17.08. geplant. Den Kitas und Tagespflegestellen bleiben demnach 1-2 Wochen im Anschluss an die individuellen Urlaubs- und Schließzeiten, um in Kooperation mit den Trägern zu entscheiden, wie vor Ort der Regelbetrieb konkret aussehen kann.

Also was heißt Rückkehr in den Regelbetrieb nun konkret? In erster Linie, dass wieder alle Kinder für die vereinbarten Betreuungszeiten in die Kita kommen dürfen. Die Abstandsregeln sind im Kontakt mit Eltern und KollegInnen einzuhalten und das Hygienekonzept im Allgemeinen zu gewährleisten. Das führt zwangsläufig zu einem Mehraufwand, der in NRW durch die zusätzliche Einstellung nichtpädagogischer Hilfskräfte bis Ende des Jahres aufgefangen werden soll.

Herausforderungen und Lösungswege

Die Maskenpflicht besteht weiterhin, sobald Erwachsene zusammen kommen. Das beeinträchtigt die non-verbale Kommunikation während der Bring- und Abholsituationen und der anstehenden Eingewöhnungszeit der neuen Kinder. In diesem Zusammenhang wird der ausprägte Blickkontakt eine große Bedeutung spielen. Ich beschäftige mich gerade damit, was wir mit den Augen alles zum Ausdruck bringen können. Das Gestikulieren mit den Händen und dem ganzen Körper sind ergänzende Elemente in unserer Kommunikation mit Masken, so dass Kinder trotz dieser Einschränkungen im Gesichtsfeld der Erwachsenen eine Bestärkung und Orientierung für den Übergang erfahren. Es ist wichtig und wertvoll, wenn Du die Eltern im Vorfeld dafür sensibilisierst und sie dazu einlädst, ihr Kind mit klaren und aufmunternden Worten zu begleiten.

Die Rückkehr zu den gewohnten Konzepten wird explizit in der Vorlage des Landes als Möglichkeit benannt. Damit verbunden ist die Aufhebung der Gruppenbindung, die in den letzten Wochen und Monaten vorgeschrieben war. Wie diese Rückkehr zu den gewohnten Konzepten in der Praxis umsetzbar ist, wird sich zeigen, da gleichzeitig ausgesprochen ist, dass bei erhöhten Infektionszahlen jederzeit der eingeschränkte Regelbetrieb wieder greift. Ich vermute, dass einige Träger und Einrichtungen sich daher dazu entscheiden werden, z.B. das Konzept der Offenen Arbeit mit Funktionsräumen vorerst noch länger auszusetzen, um ein Hin und Her für Kinder, Eltern und KollegInnen zu vermeiden. Die bestehenden Hygienevorschriften würden bei ständigen Raum- und Materialwechsel der Kinder zusätzliche Putz- und Desinfektionsarbeit mit sich bringen.

Ein weiteres Konzept, dass in den letzten Wochen und Monaten eher eingeschränkt umgesetzt werden konnte, ist die Partizipation. Wie gestaltet sich beispielsweise Partizipation, wenn Kinder sich nicht selbst beim Essen bedienen dürfen und die Getränke nicht frei zur Verfügung stehen? Welche Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten bleiben den Kindern im Alltag konkret?

Weitere Themen, die die aktuelle Praxis zentral mitbestimmen, sind:

  • der Einsatz der KollegInnen, die als Risikopersonen gelten. Hier finde ich es gerade irritierend, wie unterschiedlich die verschiedenen Träger damit umgehen. Ich erlebe gerade verschiedene Varianten. Vom uneingeschränkten Einsatz in der Arbeit mit dem Kind bis zum Suchen nach alternativen Einsatzmöglichkeiten im Hintergrund, ist viel vertreten. Bedauerlicherweise werden oftmals die Sorgen und Ängste der MitarbeiterInnen übergangen oder abgetan. Einige KollegInnen werden vor die Wahl gestellt, sich krankschreiben zu lassen (was langfristig zu finanziellen Einschränkungen führt) oder zu kündigen (was meines Erachtens menschlich nicht geht). Hier wünsche ich mir einen menschlichen Umgang miteinander und verbindliche ggfs. auch finanzielle Unterstützung durch das Land.
  • die Verordnung zu den „Schnupfennasen“, die zum Kindergartenalltag dazu gehören. Auch hier bedarf es einen klaren Standings und Rückendeckung durch Leitung bzw. Träger, dass die bestehende Regelung des Landes verbindlich umgesetzt werden kann. Eltern werden Lücken nutzen, wenn diese sich für sie auftun. Das ist etwas, dass ich sehr gut verstehen und nachvollziehen kann, stehen viele Eltern gerade selbst unter massiven Druck. Erinnere Dich in diesem Zusammenhang an meinen Blog-Beitrag zum: „Prinzip des Guten Grundes“. Diese Grundhaltung kann zum besseren Verstehen der Eltern beitragen. Zum grundsätzlichen Umgang mit Infektionen hat übrigens Baden- Württemberg eine gute visualisierte Übersicht entwickelt, die Du vielleicht auch ähnlich für Deine Arbeit übernehmen kannst. Den ScreenShot findest Du weiter unten als Download. Eine solche Übersicht verdeutlicht den Eltern nocheinmal das generelle Vorgehen im Infektionsfall. Das Ganze ersetzt natürlich auf keinen Fall den direkten und persönlichen Dialog mit den Eltern, um alle Seiten und Sichtweisen miteinbeziehen zu können.

Auf jeden Fall ist auch weiterhin eine große Flexibilität und viel Fingerspitzengefühl von Dir und Deinem Team in den nächsten Wochen und Monaten gefragt. Konzentrier Dich mit Deinem Team weiterhin auf das was geht und möglich ist, wie ich bereits in meinem Beitrag: „Gemeinsam den Wiederbeginn wagen“ ausgeführt habe. Denk immer wieder an Deine Selbstfürsorge. Dazu habe ich mit Anja Klostermann ein Kärtchen entwickelt, dass Du Dir ausdrucken und zur Erinnerung aufhängen kannst. Dieses findest Du in meinem Beitrag: „Balance zwischen Empathie und Selbstfürsorge“.

Ich möchte mit Dir über Deine Praxis in den Austausch kommen und freue mich über Deine Rückmeldung in den Kommetaren. Erzähl mir davon, wie der Regelbetrieb in Deinem Team vor Ort umgesetzt wird. Berichte mir über die Schwierigkeiten, die Dir im Alltag begegnen. Teile auch Erfolgserlebnisse und Best-Practise Beispiele, von denen wir alle profitieren können. Am 19.08. biete ich hierzu ein virtuelles Kaffeetrinken für Leitungskräfte über Zoom an.

Ich werde Dich auch weiterhin mit diesem Blog und mit vielen anderen Angeboten begleiten und unterstützen. Wie Du im Anhang sehen kannst, war ich in der Sommerpause sehr rührig. 😉 Um Dir ein Stück Normaltät zu bieten, erfährst Du in den nächsten Blog-Beiträgen etwas über die Wichtigkeit von Übergangsobjekten in der Eingewöhnungszeit und Du lernst die Ich-Box von Mareike Paic von den Sternstunden-Seminaren kennen.

Ich freue mich auf einen angeregten Austausch in den nächsten Wochen und Monaten

Deine Anja

Verschiedene Angebote im Überblick:
  • am 19.08.2020 von 16.00 – 18.00 Uhr findet für Leitungskräfte via Zoom ein virtuelles Kaffeetrinken statt — hier möchte ich mich gerne mit Dir und anderen Leitungen über das aktuelle Geschehen austauschen und Lösungen entwickeln. Gleichzeitig stelle ich hier mein neues Angebot: „Online-Gruppencoaching für Leitungskräfte vor“, dass dann konkret im September (22.09.2020) startet. –> nähere Infos und Anmeldung 
  • am 1.09. biete ich mit Anja Klostermann ein Online- Seminar für Leitungskräfte zum Thema: „Neues ensteht – Teamprozesse in Zeiten „nach“ Corona erkennen und begleiten“ an –> nähere Infos und Anmeldung
  • am 15.07. ist mein erstes YouTube Gespräch zum Thema: „Teamarbeit in Zeiten von Corona“ erschienen –> direkt zum Video
  • das nächste Gespräch zum Thema: „Sprachbildung trotz(t) Corona“ geht am 07.08. online
  • ich bin jetzt auch auf Facebook und Instagram zu finden und ihr könnt mir dort folgen
  • Alle TeilnehmerInnen der Fortbildungsreihen zur „Fachkraft Frühpädagogik/Unter drei dabei und der Qualifizierung für Ergänzungskräfte“ aus Haus Neuland, Verl, Dinslaken und Herford sind herzlichst zu meiner Facebook Gruppe eingeladen
  • Kita-Leitungskräfte mit Interesse an dem Thema: „Coaching als Schlüsselkompetenz“ sind herzlich willkommen in einer extra eingerichteten Facebook GruppeNatürlich komme ich auch weiterhin als Weiterbildnerin, Coach und Supervisorin zu Euch in die Kitas und ich biete viele Seminare in verschiedenen Weiterbildungshäusern wie z.b Haus Neuland an.
Download: Umgang mit Infektionen bei Kindern
Verlinkte Beiträge:

Das Prinzip des „Guten Grundes“

Gemeinsam den Wiederbeginn wagen

Balance zwischen Empathie und Selbstfürstfürsorge