Wenn die neuen Kinder und Eltern kommen…

In den vergangenen Tagen wurde ich bei meinen Seminaren und Supervisionen gefragt, wie die Eingewöhnung der neuen Kinder im Sommer und Herbst aussehen kann. Im Dialog mit Fachkräften begegnen mir diesbezüglich viele Unsicherheiten, wie die bestehenden Konzepte zur Eingewöhnung unter Berücksichtigung der Hygiene- und Abstandsregeln umzusetzbar sind.

Gemeinsam mit Fachkräften habe ich hierzu verschiedene Überlegungen mit Fokus auf das jeweilige Eingewöhnungsmodell zusammengetragen.

Das Berliner Eingewöhnungsmodell eröffnet demnach folgende Varianten:

  • Die Eingewöhnung findet gemäß des eigentlichen Berliner Eingewöhnungsmodells mit einem Elternteil, dem Kind und einer Pädagogischen Fachkraft in einem seperaten Raum, getrennt von der Gruppe statt. Erst wenn das Kind die Pädagogische Fachkraft als Bezugsperson akzeptiert hat, gehen Kind und Pädagogische Fackraft zu den anderen Kindern der Gruppe. Hier kommen die Eltern nicht mit den anderen Kindern in Kontakt. Diese Variante ist jedoch personalintensiv.
  • Ein Elternteil und ein Kind kommen zu einer vereinbarten Zeit in die Gruppe. Gemeinsam gehen Eltern, Kind und Pädagogische Fachkraft Hände waschen. Das Elternteil bekommt einen festen Platz in einer Elternecke, die für die anderen Kinder möglichst tabu ist. Eltern und pädagogische Fachkraft wahren den Abstand, so dass weitestgehend auf den Mund-Nasenschutz verzichtet werden kann. Alternativ tragen beide ein Visir, so dass das Kind sich an der Mimik von Eltern und Pädagogischer Fachkraft orientieren kann. Wenn die Eltern während des Trennungsversuchs den Gruppenraum verlassen und in einen anderen dafür vorgesehenen Raum wechseln, muss auf den Mund-Nasenschutz geachtet werden.

Beim Münchner Modell steht im Unterschied zum Berliner Eingewöhnungsmodell dem neuen Kind mit seinem Elternteil ein längerer Zeitraum zur Verfügung, um am Tagesablauf der Gruppe teilzunehmen und die Kita zu erkunden. Das bedeutet mit Blick auf die Hygiene- und Abstandsregeln, dass der Zeitraum, in dem die Eltern sich und andere einem erhöhtem Infektionsrisiko aussetzen höher ist. Es bedarf klarer Absprachen bezüglich des Umgangs mit dem Mund- und Nasenschutz oder dem alternativen Einsatz eines Visirs. Die Erkundung des Tagesablaufs und der Einrichtung begrenzt sich auf das Geschehen in der Gruppe und im Außengelände, da eine Durchmischung mit anderen Gruppen unerwünscht ist.

Bei der Eingewöhnung in der Peer-Group werden 3- 5 Kinder in Begleitung ihrer Eltern gleichzeitig eingewöhnt. In der Regel sind 2 Eingewöhnungspädagoginnen für die Eingewöhnung zuständig. Normalerweise wird für die Eltern eine Elternecke eingerichtet, in der die Eltern miteinander in Kontakt kommen können. Auch hier bieten sich verschiedene Varianten:

  • Die Eltern sitzen in angemessenem Abstand zueinander im Raum verteilt und können so auf den Mund-Nasenschutz verzichten.
  • Die Eltern tragen ein Visir, um in der Elternecke miteinander ins Gespräch kommen zu können und den Abstand nicht ständig einhalten zu müssen.

Erst wenn die neu gebildete Kindergruppe sich von den Eltern gelöst hat, kommen diese Kinder mit den anderen Kindern der Gruppe in Kontakt. Die Eltern haben so keinen Kontakt mit den anderen Kindern.

Bei gutem Wetter kann ein Teil der Eingewöhnung in Absprache mit den anderen Gruppen nach draußen verlegt werden, um das Infektionsrisiko zusätzlich zu minimieren.

Da glücklicherweise mittlerweile das Betretungsverbot für Eltern aufgehoben ist, kann mit ein paar Anpassungen auch weiterhin eine kindgerechte Eingewöhnung stattfinden. Wichtig ist, dass unabhängig vom jeweiligen Modell die Eingewöhnung elternbegleitet, bezugspersonenorientiert und abschiedsbewusst durchgeführt wird. Zusätzlich brauchen Kinder eine klare Mimik der Eltern und Pädagogischen Fachkräfte, um sich in dieser neuen Situation orientieren zu können, deswegen bieten m.E. Visire während der Eingewöhnung eine gute Alternative.

Und vergesst bei allen Abstands- und Hygieneregeln nicht, Abschiedsrituale mit den Kindern zu entwickeln und Übergangsobjekte zur Unterstützung zu erlauben. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit einen Gegenstand wie z.B. Schnuller, Kuscheltier, Schmusetuch o.ä. In der Kita zu deponieren, der dort auf das Kind wartet, um ihm eine Brücke in die Gruppe zu bauen und nach Bedarf als Tröster zur Verfügung zu steht. Oder Ihr gestaltet mit den Eltern ein ICH-Buch, auf das das Kind dann immer wieder zurückgreifen kann, wenn es traurig ist.

Wenn Ihr Eure Eingewöhnung generell gerne überprüfen und überarbeiten möchtet, dann könnt Ihr Euch hier kostenlos und unverbindlich meine „5 Tipps zur Gestalltung einer Eingewöhnung“ holen. Dort bekommt Ihr viele zusätzliche Anregungen für die Vorbereitung der Eingewöhnung im Team, der Zusammenarbeit mit den Eltern und der Einbeziehung der Peer Group in die Eingewöhnung.

Ich wünsche Euch einen guten Start mit den neuen Kindern und Eltern

Eure Anja

P.S. Ich gehe jetzt für die nächsten 4 Wochen mit meinem Blog in die Sommerpause. Im August melde ich mich mit neuen Themen wieder. Dann stehe ich auch wieder für Seminare, Webinare, Coachings und Supervisionen zur Verfügung. Ich wünsche Euch eine schöne Sommerzeit.

Falls Ihr mit Euren Kindern eine Zeitkapsel gestaltet habt oder gestalten werdet. Denkt daran mir die Fotos zu schicken, damit ich sie hier im Block veröffentlichen kann: anjacantzler@t-online.de

Eingewöhnung im Beziehungsdreieck

Das aktuelle Kita-Jahr neigt sich dem Ende zu, die Zeichen stehen auf Abschied und Neubeginn. Einige Kinder verlassen die Kita, Krippe und Kindertagespflege nach mehreren Jahren und schon bald kommen neue Kinder und Eltern. Genau der richtige Zeitpunkt, um das bestehende Eingewöhnungskonzept zu überprüfen.

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich als Referentin mit dem Thema Bindung und Eingewöhnung. Dabei ist mir besonders wichtig, dass die Eingewöhnung als grundlegender Prozess verstanden wird, der in einem Beziehungsdreieck von Kind, Eltern und pädagogischer Fachkraft stattfindet. Das Ziel der Eingewöhnung besteht darin, dass das Kind sich in Abwesenheit der Eltern oder Hauptbindungspersonen an die Pädagogische Fachkraft wendet, wenn es Trost oder Unterstützung sucht. Das braucht Zeit und Vertrauen auf allen Seiten.

Welche Gedanken gerade zu Beginn des Kennenlernens und der Eingewöhnung in Eltern, Kindern und Pädagogischen Fachkräften vorgehen, haben Laewen, Andres und Hédervári-Heller in ihrem Buch „Ohne Eltern geht es nicht“ eindrucksvoll anhand folgender Fragen veranschaulicht.

Die inneren Fragen

… des Kindes an die*den Mutter/Vater/Hauptbindungsperson

  • Wirst du mich in dieser Fremde allein lassen?
  • Wirst du meine Angst verstehen, weil alles fremd für mich ist?
  • Wirst du so lange bei mir bleiben, bis ich hier vertraut bin?
  • Magst du meine ErzieherIn?

… des Kindes an die Pädagogische Fachkraft

  • Wirst du mir Zeit lassen, dich kennenzulernen?
  • Wirst du mich beschützen und unterstützen?
  • Wirst du mich trösten, wenn ich traurig bin?
  • Wirst du meine Mutter und meinen Vater mögen?

… von Mutter/ Vater/ Hauptbindungsperson an das Kind

  • Wirst du ohne mich zurechtkommen?
  • Wirst du mich vermissen?
  • Wirst du die Pädagogische Fachkraft vielleicht lieber mögen?
  • Wird es dir hier gut gehen?

… von Mutter/ Vater/ Hauptbindungsperson an die Pädagogische Fachkraft

  • Wird sie mein Kind mögen und verstehen?
  • Kann ich von meinen Ängsten sprechen, von meinen Zweifeln, vielleicht auch meinem Misstrauen?
  • Wird sie mein Kind an sich reißen?
  • Wird sie in Konkurrenz zu mir treten?

… von der Pädagogischen Fachkraft an das Kind

  • Wirst du leicht Zugang zu mir finden?
  • Werde ich deine Signale verstehen und herausfinden können, was ganz Besonderes du brauchst?
  • Wirst du mit den anderen Kindern zurechtkommen?
  • Wirst du dich hier gut einfinden?

… von der Pädagogischen Fachkraft an Mutter/ Vater/ Hauptbindungsperson

  • Wird sie/er mich als Begleiter*in ihres/ seines Kindes akzeptieren?
  • Wird sie/er offen oder verschlossen sein für Gespräche mit mir?
  • Empfindet sie/er mich als Konkurrent*in oder Partner*in?
  • Wie bewertet sie/er meine Art zu arbeiten?
Anwendung in der Praxis

Diese Fragen lassen sich vielfältig in Eurer Praxis einsetzen:

  • als Einstieg in eine Teamreflexion, um zu überlegen, was Kinder und Eltern vor und während der Eingewöhnung als Unterstützung von Euch brauchen.
  • als Aushang in der Anfangszeit, um den Eltern zu signalisieren, dass Ihr Euch dieser Fragen bewusst seid und Ihr selbst ganz ähnliche Fragen an die Kinder und Eltern habt.
  • alternativ zum Aushang, könnt Ihr die Fragen auch als Informationsbrief den Eltern im Kennenlerngespräch aushändigen. Oftmals wird dies zum Gesprächseinstieg über die konkreten Sorgen und Bedenken der Eltern.
  • als angeleitete Imaginationsreise zum Einstieg in den ersten Informationselternabend mit den neuen Eltern. Im Anschluss an diese Imaginationsübung könnt Ihr den Eltern kurz Zeit geben darüber ins Gespräch zu kommen.

Indem Ihr diese Fragen öffentlich und transparent macht, ist ein wesentlicher Grundstein für eine gelingende Bildungs- und Erziehungspartnerschaft gelegt.

Viel Erfolg bei Eurer Reflexion und Umsetzung

Eure Anja

Oder bist Du interessiert an einem Webinar zum Thema „Eingewöhnung in der Peer Group“? Dann melde Dich hier für den 20.06.2020 dazu an:

Buchtipp:

Laewen, H.-J. / Andres, B. / Hédervári-Heller, É.: Ohne Eltern geht es nicht. Die Eingewöhnung von Kindern in Krippen und Tagespflegestellen 6. Auflage 2012

Die Eingewöhnung – Verschiedene Modelle, ein Ziel

In dem heutigen Beitrag bekommt Ihr von mir einen kurzen Überblick über die verschiedenen Eingewöhnungsmodelle. Diese Übersicht ist hilfreich, wenn Ihr mit Eurem Team entweder auf der Suche nach einem für Euch geeignetem Konzept für die Eingewöhnung seid oder Ihr Euer bestehendes Konzept im Vergleich zu anderen überprüfen möchtet. Im Anschluss an diesen Beitrag findet Ihr als Ergänzung „5 Tipps zur Gestaltung einer erfolgreichen Eingewöhnung“, die Ihr bei mir anfordern könnt. Diese 5 Tipps unterstützen Euch bei der Erarbeitung und Überprüfung Eures Eingewöhnungskonzeptes.

Ein Blick in die Vergangenheit

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich als Referentin mit dem Thema Bindung und Eingewöhnung. In meinem Berufspraktikum vor gut 30 Jahren war es durchaus üblich, dass die Kinder den Übergang von Familie zu Kita ohne Begleitung der Eltern bewältigen mussten. Das war für alle Beteiligten sehr anstrengend. Ich empfand es schon damals als wenig kindgerecht und spürte, wie viele Kinder unter dieser abrupten Trennung litten. Obwohl das Berliner Eingewöhnungskonzept bereits vereinzelt in Krippen praktiziert wurde, etabliert sich die elternbegleitete Eingewöhnung erst mit dem Ausbau der Betreuung für die Kinder im Alter von 0 – 3 Jahren. Heute gilt die Elternbegleitung als wesentliches Qualitätsmerkmal für die Gestaltung von Eingewöhnung.

Verschiedene Modelle entstehen

Mittlerweilen wurden 5 verschiedene Modelle aus den verschiedensten wissenschaftlichen und praxisorientierten Ansätzen heraus entwickelt.

Berliner Eingewöhnungsmodell:

  • Ausgangspunkt: die Bindungstheorie
  • Ablauf: strukturiert und verbindlich mit aufeinander aufbauenden Phasen – Kennenlernphase, erster Trennungsversuch nach drei Tagen, Stabilisierungsphase
  • zentraler Aspekt: Beziehungsaufbau von Kind und Pädagogischer Fachkraft
  • Bild vom Kind: das Kind hat ein zentrales Bindungsbedürfnis, es braucht die Begleitung verlässlicher Bindungs- und Bezugspersonen

Münchner Eingewöhnungsmodell:

  • Ausgangspunkt: Erkenntnisse der Transitionsforschung
  • Ablauf: Schnupperwoche mit den Eltern, in der es die verschiedenen Bezugspersonen kennen lernen kann und erste Trennung nach frühestens 6 Tagen
  • Bild vom Kind: das kompetente Kind ist fähig, Übergänge zu bewältigen, wenn es hierbei durch die ihm vertrauten Personen Unterstützung bekommt, es ist in der Lage Beziehungen zu mehreren Personen aufbauen

Eingewöhnungsmodell nach Kuno Beller

  • Ausgangspunkt: psychologische Sichtweise auf den Umgang mit Veränderungen
  • zentraler Aspekt: die durch Eltern und Pädagogischer Fachkraft begleitete langsam stattfindende Veränderung erlaubt es dem Kind, sich aktiv mit der neuen Situation auseinanderzusetzen
  • Bild vom Kind: ein Kind braucht Zeit, seinen negativen Gefühlen und seinem Schmerz Ausdruck zu verleihen, die zu diesem Trennungs- und Trauerprozess dazu gehören

Sanfte Eingewöhnung nach Reggio

  • Ausgangspunkt: das kompetente Kind mit vielen Ressourcen und Fähigkeiten
  • Ablauf: den Übergang meistert das Kind in seinem eigenen Tempo mit Begleitung einfühlsamer und wertschätzender Erwachsener
  • zentrale Aspekte: der Raum wird als „dritter Erzieher“ genutzt, der dem Kind Geborgenheit und Anregung bietet, Vertrauen und Zeit
  • Bild vom Kind: selbsttätiges und kompetentes Kind, das Akteur seiner eigenen Entwicklung ist

Eingewöhnung in der Peer-Group

  • Ausgangspunkt: Erkenntnisse der Peer-Group Forschung
  • Ablauf: die Eingewöhnung findet gleichzeitig mit drei bis fünf Kindern, ihren Eltern und zwei Pädagogischen Fachkräften statt, Trennung von den Eltern erfolgt individuell und nach Absprache
  • zentrale Aspekte: die Einbeziehung von Raumgestaltung und Spielmaterial
  • Bild vom Kind: das Kind als soziales Wesen, das das Miteinander mit Gleichaltrigen zu seiner Entwicklung braucht
Die Gemeinsamkeiten

Alle Modelle haben im wesentlichen drei Gemeinsamkeiten, die eine gute Eingewöhnung ausmachen: die Kinder werden durch ihre Eltern begleitet, es gibt pädagogische Fachkräfte als Ansprechpartner*innen und der Abschied wird bewusst gestaltet. Ein wesentliches Ziel aller Modelle besteht darin, dass das Kind durch die Eingewöhnung eine größtmögliche Sicherheit bekommt und dadurch angstfrei mit den anderen Kindern spielen und lernen kann.

Jedes Modell für sich hat seine Chancen und auch Grenzen. Erfahrungsgemäß arbeiten die meisten von Euch entweder mit dem Berliner- oder mit dem Münchner Modell. Anstatt ein Modell unreflektiert zu übernehmen, schaut lieber auf das, was Ihr mit der Eingewöhnung erreichen wollt und wie Ihr diese im Einzelnen umsetzt. Daher empfehle ich, dass Ihr auch in Eurer Konzeption konkret beschreibt, wie Ihr die Eingewöhnung gestaltet.

Ich wünsche Euch einen guten Start mit den neuen Kindern und Familien!

Eure Anja

Hier noch ein paar ergänzende Anregungen zum Thema „Eingewöhnung“:

Am 23.01.2021 findet ein Webinar zum Thema Eingewöhnung in der Peer-Group in Kooperation mit Haus Neuland statt. Hier lernt Ihr ein alternatives Eingewöhnungsmodell kennen, das insbesondere die sozialen Beziehungen und die Interaktionen der Kinder in den Mittelpunkt stellt.

Kennt Ihr schon mein Buch: Eingewöhnung von Kita-Kindern, Cornelsen Verlag. Dort habe ich mich mit vielen Themen rund um die Eingewöhnung beschäftigt, die im Besonderen für die Zusammenarbeit mit den Eltern wertvoll und hilfreich sind. Das Buch ist im Buchhandel erhältlich.
Im Blog von Tanja Köster findest Du einen Podcast mit einem Interview mit mir zum Thema: Eingewöhnung in der Peer-Group

„Tschüss, Arrividercie und Goodbye“ Abschied von den Schulanfängern

Schon bald kommen die angehenden Schulkinder in die Schule und das, nachdem viele von ihnen nach dem Lockdown gerade erst wieder in die Kitas und die Kindertagespflege zurück gekehrt sind. Je nach Bundesland werden die angehenden Schulkinder nur 3 bis max. 8 Wochen ihre Gruppen besuchen.

Dies stellt Euch vor besondere Herausforderungen. In diesem begrenzten Zeitraum sind das Wiederankommen, die Vorbereitung auf den anstehenden Übgang zur Schule und die baldige Verabschiedung zu gestalten.

Dem Wiederankommen und der Gestaltung des Übergangs habe ich bereits in den vergangenen Wochen zwei Blogbeiträge* gewidmet. Diesmal geht es um die Verabschiedung.

Jahr für Jahr verlassen die angehenden Schulkinder den Kindergarten und die Kindertagespflege im Sommer. Das ist ein ganz normales wiederkehrendes Ereignis. Viele Kitas und Kindertagespflegestellen haben über die Zeit hinweg Abschiedsrituale und liebgewonnene Traditionen entwickelt. Einige dieser Rituale und Traditionen, wie z.B. Übernachtungsfeste mit den Kindern und Abschiedsgottesdienste mit allen Familien, sind aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen dieses Jahr nicht oder nur teilweise umsetzbar.

Nun steht Ihr vor der Aufgabe, herauszufinden, was trotz der Abstands- und Hygieneregelungen möglich ist. Dabei sind folgende Fragestellungen hilfreich:

  • Was habt Ihr im Einzelnen mit den Kindern und Eltern bisher zur Verabschiedung gemacht?
  • Was kann von diesen Ritualen und Traditionen unter Berücksichtigung der Abstands- und Hygieneregeln wie bisher übernommen und umgestzt werden? (z.B. Abschiedsbriefe, Abschiedsgeschenke, Abschiedskreis mit den Kindern etc.)
  • Auf welche Rituale und Traditionen müsst Ihr unter diesen Umständen verzichten? (z.B. gemeinsame Abschlussrunde mit allen Eltern in der Gruppe)
  • Welche Alternativen findet Ihr stattdessen?

Bei genauerer Betrachtung werden Euch viele Alternativen einfallen, die den Abschied zu einem unvergesslichen Erlebnis für die Kinder machen. Hier ein paar Ideen und Anregungen, wie Ihr den Abschied gestalten könnt:

  • Gestaltung eines gemeinsamen Frühstücks mit den angehenden Schulkindern
  • Durchführung eines Abschiedskreises, in dem jedes Kind erzählt, woran es sich gerne erinnert und worauf es sich in der Schule freut
  • feierliches Überreichen der Abschiedsgeschenke und Portfolios, mit einer tosenden „Rakete“ und Applaus für jedes Kind
  • Feiern eines Abschiedsgottesdienstes mit den Familien unter freiem Himmel
  • Einladung zu einem Grillnachmittag im Außengelände oder Picknick im Park mit den Familien unter Beachtung der Abstandsregeln
  • Gemeinsames Spazierengehen der pädagogischen Fachkräften mit den einzelnen Kindern und ihren Familien, um sich in diesem Gespräch ganz persönlich zu verabschieden
  • Gestalten einer Zeitkapsel* gekoppelt mit der Vereinbarung, sich in einem Jahr wiederzusehen und die Zeitkapsel gemeinsam feierlich zu öffnen
  • Packen eines Koffers oder Trollyes mit allen persönlichen Gegenständen des Kindes, mit dem das Kind am letzten Tag feierlich aus der Kita „auszieht“
  • „Sprung ins Leben“: Aufbau eines Bewegungs- und Kletterparcours, den die Kinder unter Applaus der Fachkräfte und Eltern bewältigen und mit einem letzten Sprung über die Schwelle der Kita-Tür in den Armen ihrer Eltern landen

Ich bin überzeugt davon, dass Ihr gemeinsam mit den Kindern gute Wege finden werdet, diesen Abschied angemessen und stimmungsvoll zu gestalten. Für die Kinder ist es so oder so ihr ganz besonderer und persönlicher Abschied von der Kita und Kindertagespflege. Es liegt in Euren Händen, wie sich die Kinder daran erinnern werden. Wenn Ihr ihnen das Gefühl gebt, dass sie aufgrund der Rahmenbedingungen etwas verpassen und ihnen vieles nicht möglich ist, werden sie das Verlustgefühl viel stärker wahrnehmen. Denkt an das Prinzip, dass wenn Ihr etwas zum Problem macht, dies auch zum Problem wird. Haltet Euch in der Vorbereitung nicht zu sehr damit auf, was gerade nicht geht. Überlegt, was möglich ist und den Kindern Spaß macht. Für die Kinder ist es wichtig, dass Ihr ihnen einen schönen Abschied bereitet, an den sie sich gerne erinnern.

Erfreut Euch gemeinsan mit den Kindern an diesen ganz besonderen Abschied.

Viel Spaß dabei!

Eure Anja

* Hier ein paar Links zu den Blogbeiträgen, auf die ich mich in diesem Beitrag bezogen habe:

Übergänge gestalten – (Wieder-) Ankommen in der Kita

Übergänge gestalten – Von der Kita in die Schule

Die Zeitkapsel – Botschaft an die Zukunft

Was hat das Portfolio mit Biografiearbeit zu tun?

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit den Chancen und Grenzen von Biografiearbeit in den Arbeitsfeldern Kindertagesstätte und Kindertagespflege. In diesem Arbeitskontext treffen die Biografien von Kindern, Eltern und pädagogischen Fachkräften zusammen. In diesem Entwicklungsabschnitt prägen die Erwachsenen und die verschiedenen Ereignisse maßgeblich die Biografien der Kinder. Meine zentrale Erkenntnis bei der Auseinandersetzung mit Biografiearbeit im pädagogischen Kontext ist, dass Ihr im Rahmen der Bildungs- und Entwicklungsdokumentation Biografiearbeit betreibt, ohne dass es Euch bewusst ist.

Eine Biografie beschreibt die Lebensgeschichte eines Menschen. In Unterscheidung zum Lebenslauf geschieht dies weniger chronologisch und selten vollständig. Bedeutsame und prägende Stationen und Erlebnisse werden herausgegriffen und fokussiert. Die sog. Persönlichkeitsbiografie setzt sich aus verschiedenen Teilaspekten zusammen, z.B.: kulturelle, soziale, wert- und normgeprägte, geschlechtsspezifische, gesellschaftliche und nationale Aspekte. Jeder Aspekt für sich ist bedeutsam für die individuelle Entwicklung eines Menschen.

Die Portfolioarbeit greift viele dieser Aspekte auf und dokumentiert so den Bildungs- und Entwicklungsweg des einzelnen Kindes. Mit Hilfe des Portfolios ermöglicht Ihr dem Kind, sich zu einem späteren Zeitpunkt an verschiedene Erlebnisse und Ereignisse zu erinnern und einzuordnen.

Die Geschehnisse in den letzten Wochen nehmen gerade weitreichenden Einfluss auf unser Leben. Das damit verbundene Erleben gehört von jetzt an zu unserer Biografie und zu der der Kinder und Familien.

Die Kinder erleben diese Zeit genauso intensiv wie wir Erwachsenen – auch wenn ihr Umgang damit aufgrund ihres Entwicklungsstandes und Alters sich unterscheidet. Für ihre weitere Entwicklung ist es daher wichtig und wertvoll, die zurückliegenden Wochen im Rahmen der Portfolioarbeit aufzugreifen, aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Dies unterstützt die spätere Erinnerung an das Geschehene.

Bei meinen Recherchen im Internet habe ich verschiedene Vorlagen für spezifische Portfolioseiten entdeckt, die im Kern folgende Aspekte mit Blick auf die Zeit im Lockdown abfragen und dokumentieren:

  • So geht es mir
  • So fühle ich mich
  • Das habe ich zu Hause gemacht
  • Das war das Schönste in der Zeit, in der ich zu Hause war
  • Das habe ich am meisten vermisst
  • Das hat mich am meisten genervt
  • Darauf freue ich mich jetzt am meisten
  • Das waren meine Lieblingsbeschäftigungen, damit ich mich nicht langweile

Älteren Kindern könnt Ihr noch folgende Frage stellen:

  • Woran möchte ich mich später erinnern, wenn ich groß bin?

Zu der Portfolio-Arbeit gehört auch das Einbeziehen der Eltern mit ihrer Sichtweise auf die Entwicklung der Kinder. Durch den Lockdown sind die Eltern viele Wochen intensiv mit ihren Kindern zusammen gewesen. Daher bietet es sich an, eine Seite im Portfolio den Eltern zu widmen, auf der sie das Erleben des Kindes beschreiben und dokumentieren. Das kann in Form eines kurzen Interviews stattfinden, dass Ihr mit den Eltern führt.

Im Anhang findet Ihr eine Vorlage für ein „Corona-Potfolio“, dass mir freundlicher Weise Veronika Schütz zur Veröffentlichung frei gegeben hat. Vielen Dank hierfür. Dieses Portfolio zeichnet sich dadurch aus, dass auch die Eltern dazu befragt werden, wie sie selbst diese Zeit erlebt haben. Dadurch werden die Gefühle und Sichtweisen der Eltern auf ganz besondere Weise berücksichtigt und in das Portfolio miteinbezogen.

Am kommenden Donnerstag stelle ich Euch dann eine Methode für die Erinnerungsarbeit mit den angehenden Schulkindern vor.

Bis dahin, passt weiterhin gut auf euch auf.

Eure Anja

Das Corona-Portfolio

von Veronika Schütz

Biografiearbeit:

https://www.nifbe.de/component/themensammlung?view=item&id=641:spurensuche-wie-biographiearbeit-paedagogisches-handeln-aendert
A. Cantzler: Spurensuche: Wie Biographiearbeit pädagogisches Handeln ändert

„Heute bin ich…“ – Die Entwicklung der Emotionalen Kompetenz

Die Entwicklung der emotionalen Kompetenz ist eine der zentralen Entwicklungs-aufgaben von Kindern im Alter von 0 – 6 Jahren. Die Kinder lernen in diesen Lebensabschnitt ihre eigene Gefühle auszudrücken und zu verstehen, sie anderen zu erklären, negative Gefühle zu bewältigen, Empathie und Einfühlungsvermögen zu entwickeln und die Gefühle anderer richtig zu deuten. All dies muss ein Kind erst lernen, um kompetent mit den eigenen und den fremden Gefühlen umgehen zu können. Ein Mensch der über emotionale Kompetenzen verfügt, hat in der Regel ein gesundes Selbstbewusstsein, kann mit Frust und Niederlagen umgehen und besitzt die Fähigkeit Beziehungen und Bindungen einzugehen.

Die 5 Stufen der Entwicklung

Die emotionale Kompetenz entwickelt sich in 5 Stufen:

  1. Stufe: Der Emotionsausdruck beinhaltet die Fähigkeit des Kindes, die eigenen Gefühle verbal und non-verbal zu zeigen.
  2. Stufe: Das Emotionswissen/ -verständnis umfasst die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und die der anderen wahrnehmen und interpretieren zu können.
  3. Stufe: Die Emotionsregulation ist die Fähigkeit, mit den eigenen Gefühlen situationsangemessen und konstruktiv umzugehen.
  4. Stufe: Die Empathie meint die Fähigkeit, sich in die Gefühle des Gegenübers hineinversetzen und darauf angemessen reagieren zu können.
  5. Stufe: Die emotionale Kompetenz fasst alle benötigten Fähigkeiten zusammen, um mit den eigenen Gefühlen und denen der anderen angemessen umgehen zu können.
Fördermöglichkeiten

In der täglichen Praxis mit den Kindern spielt Ihr als pädagogische Fachkräfte eine wichtige Rolle, damit Kinder ihre emotionalen Kompetenzen entwickeln und entfalten können. Dazu bieten sich Euch viele Möglichkeiten:

  • lasst die Kinder im Alltag an Euren positiven und negativen Gefühlen teilhaben, dadurch können sie an Eurem Vorbild und Modell lernen
  • sprecht mit den Kindern über die verschiedensten Gefühle
  • nehmt die Gefühle der Kinder immer ernst
  • gebt den Kindern Raum, Angst, Wut und Trauer genauso auszuleben wie Freude
  • vermeidet Gefühle herunterzuspielen oder zu verharmlosen
  • setzt ein Kind nicht unter Druck, wenn es mit seinen eigenen Gefühlen überfordert ist
  • unterstützt die Kinder, Strategien zu entwickeln, um mit verschiedenen Gefühlen umgehen zu können
  • gebt Anregungen zur Gefühlswahrnehmung mit Hilfe von Büchern, Spielen zur Körper- und Sinneswahrnehmung, Spiegeln, Bildkarten, Piktogrammen etc.
  • ermöglicht den Kindern das freie Spiel mit Gleichaltrigen, damit sie sich aktiv mit der Befindlichkeit ihrer Spielpartner auseinandersetzen können und sie so lernen, sich in andere hineinzuversetzen.
Befindlichkeit der Kinder wahrnehmen und beachten

Aufgrund der Situation in den letzten Wochen und Monaten sind viele Kinder einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt: Freude, Angst, Wut und Trauer sind tägliche Begleiter. Zuhause bleiben zu müssen und nicht in die Kita zu dürfen, wird von den Kindern ganz unterschiedlich erlebt und wahrgenommen. Abhängig von der jeweiligen Lebens- und Arbeitssituation reagieren die Erwachsenen um sie herum ganz unterschiedlich. Für Euch wird es daher in den nächsten Wochen wichtig, genau hinzuschauen, wie es den Kindern geht. Auch wenn die Kinder zunächst freudig wiederkommen und fröhlich mit den anderen Kindern spielen, lasst Euch nicht täuschen, das ein oder andere Kind wird erst später über die Angst, die Wut oder über die Trauer reden können. Also bleibt am Ball. Neben den Fragen: „Was habt Ihr in den letzten Wochen gemacht?“ , „Was habt Ihr am meisten vermisst?“ und „Worauf freut Ihr Euch am meisten?“, solltet Ihr folgende Fragen stellen:

  • „Wie habt Ihr Euch in den letzten Wochen gefühlt?“
  • „Was hat Euch Angst gemacht?“
  • „Wart Ihr manchmal auch traurig oder wütend“
  • „Worüber habt Ihr Euch am meisten gefreut?“

Haltet in diesem Moment einmal kurz inne, horcht in Euch hinein und stellt Euch selbst diese Fragen: „Wie habt Ihr Euch in den letzten Wochen gefühlt?“, „Wie fühlt Ihr Euch gerade in diesem Moment?“, „Auf welche Strategien und Ressourcen konntet bzw. könnt Ihr in diesen herausfordernden Zeiten zurückgreifen?“, „Wo könnt Ihr Euch Unterstützung holen, wenn Ihr diese braucht?“

Ein Unterstützungsangebot biete ich Euch wieder am kommenden Mittwoch. Ich würde mich freuen, Euch wieder beim Zoom-Erfahrungsaustausch für Pädagogische Fachkräfte begrüßen zu können. (Nähere Infos s. unten)

Bis dahin alles Gute

Eure Anja

Erfahrungsaustausch für Fachkräfte über Zoom

Am Mittwoch, den 20.05.2020, von 14.30 – 16.30 Uhr treffen wir uns zu einem live Zoom Meeting zum Thema: (Wieder-)Ankommen in der Gruppe unter veränderten Rahmenbedingungen, Reaktionen der Kinder, Corona thematisieren – ja oder nein?

Anmeldung bis zum 20.05.2020 um 12.00 Uhr

per Email: anjacantzler@t-online.de

oder über das Kontaktformular mit dem Stichwort „Erfahrungsaustausch Fachkräfte“

Nach der Anmeldung schicke ich Euch die Zugangsdaten, damit Ihr Euch in das Meeting einloggen könnt.

Weitere Angebote unter:

und