Sei der Leuchtturm und nicht der Sturm! – Einführung in die Anker-Methode

In meinem Buch: „Schätze finden statt Fehler suchen“ beschreibe ich das kindliche Gehirn im Notfallprogramm und es wird schnell klar, dass wenn das Kind durch unterschiedlichste Auslöser und Ursachen bereits im Ausnahmezustand ist, es überhaupt nicht zuträglich ist, dass du als Fachkraft auch ausflippst. Da die Selbstregulierung der Kinder sich noch in der Entwicklung befindet, brauchen sie unsere Co-Regulation von außen. Und genau dafür müssen wir als Fachkräfte Wege finden, uns zunächst einmal selbst zu regulieren, um Ruhe zu bewahren und besonnen reagieren zu können.

Personalmangel, Schutzkonzepte, Partizipation, fordernde Eltern, herausfordernde Kinder… und dann sollst du bei dem ganzen Stress auch noch die Ruhe bewahren. Wie soll das gehen?

Selbstregulation vor Co-Regulation

Um das im turbulenten Alltag zu schaffen, braucht es: Innere Stärke, Kraft, Zuversicht, Kompetenz, Selbstbewusstsein und Vertrauen. Die große Kunst besteht immer wieder darin, diese Eigenschaften und Fähigkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu aktivieren. Am besten immer dann wenn du sie wirklich brauchst, nämlich mitten in einer Stressituation.

Wie klingt es für dich, wenn ich behaupte, dass es eine Methode gibt, wie du praktisch „auf Knopfdruck“ in einen ressourcenvollen Zustand kommen kannst? Ein Zustand indem du im Vollbesitz deiner Kräfte bist und ruhig und besonnen reagieren kannst?

Es handelt sich hierbei um die sogenannte Anker-Methode, die ich in meinen Weiterbildungen zur Traumapädagogin kennenlernen durfte und selbst schon viele Male in den unterschiedlichsten Lebensbereichen angewendet habe.

Die Anker-Methode

Die Methode nennt sich „Ankern“ oder auch „Moment of excellence“. Für mich ist sie ein wichtiger Baustein im Umgang mit herausfordernden und belastenden Situationen im pädagogischen Alltag.

Wie der Name es schon sagt, geht es darum etwas zu „verankern“. In diesem Fall werden mittels eines spezifischen Reizes/ Auslösers, positive Emotionen verankert. So kann bei Bedarf durch die Aktivierung des Reizes, die vorher verankerte Emotion wieder aktiviert werden.

Das „Ankern“ machst du vermutlich schon heute – meist geschieht dies jedoch unbewusst.

Denn „Ankern“ heißt eigentlich nur, dass es einen sinnesspezifischen Reiz (Auslöser) gibt, der bei einem Menschen eine bestimmte Reaktion bewirkt. Je nachdem welche Sinne am meisten angesprochen werden, kann man zwischen folgenden Ankern unterscheiden:

  • Visuelle Anker (Bild, Symbol, Zeichen, Landschaften, Menschen…).

Beispiel: Immer wenn ich merke, dass ich vor lauter Aufgabenwirrwarr und Terminstress nicht mehr klar denken kann. Dann versetze ich mich visuell in Gedanken ans Meer. Der weite Blick auf das Meer beruhigt mich innerlich und so kann ich meine Gedanken wieder viel besser sortieren. Die Weite verschafft mir Freiraum und Ruhe.

  • Auditive Anker (Musik, Geräusche, Stimmen, Worte…)

Beispiel: Ich glaube jeder von uns hat gewisse Lieder, die uns in Erfahrungen und Emotionen schwelgen lassen. Vielleicht gibt es ja für dich eine besondere Melodie, die du vor dich hin summen kannst, um dich zu beruhigen. Mir hilft es beispielsweise, wenn ich langsam von 10 rückwärts zähle.

  • Kinästhetischer Anker (Berührungen oder Bewegungen):

Beispiel: In ganz besonderen Momenten berühre ich meinen Ehering und verbnde mich so mit meinem Mann, der für mich haltgebend und wichtig ist. Ein Handschmeichler in der Hosentasche ist für viele auch ein bewährter Anker.

  • Olfaktorischer/ Gustatorischer Anker (Düfte, Gerüche, Geschmack)

Beispiel: Der Duft frischer Pfannekuchen erinnern mich an meine Kindheit im großelterlichen Haus, eine Zeit an die ich sehr gerne zurück denke. Für andere ist es ein besonderes Parfüm oder der Geschmack süßer Beerenfrüchte, die positive Emotionen wachrufen.

Finde deinen Anker

Die Kunst liegt nun darin, selbst einen „Anker“ zu finden und setzten. D.h. du verknüpfst bewusst einen Reiz (Auslöser) mit einer bestehenden Erfahrung.

Schritt 1:

Zunächst einmal solltest du überlegen, wann du in deiner täglichen Arbeit an deine Grenzen kommst und dringend einen Anker brauchen könntest. Welche Eigenschaft bräuchtest du in diesem Augenblick am allermeisten.

Erst wenn du weißt, wann du einen Anker brauchst, kannst du auch gezielt einen „Anker“ setzen. Durch die Aktivierung des „Ankers“ mittels eines bewussten Auslösers, versetzt du dich wieder in einen ressourcenvollen Zustand, so dass sich die Aufregung und Nervosität legt und du besonnen reagieren kannst.

Schritt 2:

Dann erinnere dich an eine Situation oder ein Ereignis, in der du Emotionen empfunden hast, du die gerne verankern möchtest. Erlebe dabei in deiner Erinnerung die Situation mit allen Sinnen nochmal nach:

  • Was siehst du?
  • Was hörst du?
  • Was spürst du?
  • Was riechst du?
  • Was schmeckst du?

In meinem Fall habe ich ein ganz klares Bild vor Augen. Ich stehe an der Ostsee und schaue auf das weite Meer. Der Wind bläst mir ins Gesicht. Ich schmecke ein bisschen Salz auf meinen Lippen. Ich schaue den über den Wellen segelnden Möwen zu. Ich fühle mich frei und unbeschwert.

Schritt 3:

Du bist nun mittendrin im (Nach)Erleben und kurz vor dem Höhepunkt des Erlebens, drückst du mit ein bis zwei Fingern für 8-10 Sekunden eine Körperstelle, deinen kleinen Finger, dein Ohrläppchen oder deinen Oberarm. Suche dir auf jeden Fall eine Stelle aus, die du jederzeit anfassen kannst. Ich lege gerne die Hand auf mein Herz.

Drücke diese Köperstelle und erlebe mit all deinen Sinnen, diese so kraftvolle Situation, die du für dich in Erinnerung gerufen hast.

Schritt 4:

Löse den Druck, lass die hervorgerufene Situation gedanklich wieder los und denke an was ganz Banales.

Schritt 5:

Teste dann über das Auslösen des Ankers, also durch das Drücken der besagten Körperstelle, ob sich die „verankerte Emotion“ bei dir wieder einstellt. Wiederhole das mehrmals. Falls sich die gewünschten Emotionen nicht einstellen sollte, bzw. du nicht das Gefühl eines ressourcenvollen Zustands hast, dann beginne nochmal bei 1.

Schritt 6:

Üben, wiederholen, üben, wiederholen: Anker wollen gepflegt sein! Aktiviere regelmäßig deinen Anker und fühle die Erfahrung und Emotionen, die du verankert hast.

Eine andere Möglichkeit seine Erfahrungen und Emotionen zu verankern, ist die Verwendung eines Gegenstandes, Talismanns oder einer Halskette. Prinzipiell ist das Vorgehen wie oben bereits beschrieben, nur drückst du dann keine Körperstelle, sondern den Gegenstand.

Ein gut gepflegter „Anker“ kann hilfreich sein!

Nicht selten begegnen wir unterschiedlichsten stressauslösenden Situationen: für Auszubildende kann das die anstehende Facharbeit oder Prüfungssituation sein. Im pädagogischen Alltag steht der nächste Elternabend oder ein schwieriges Elterngespräch an. Für einen Konflikt mit dem*r Kolleg*in brauchst du einen klaren Kopf. In diesen unterschiedlichen Situationen kann es wertvoll und hilfreich sein, auf deinen Anker zurück zu greifen.

Die Anker-Methode ist übrigens auch eine wichtige Methode für Teams, die regelmäßig biografische Selbstreflexion machen. Bei dieser Auseinandersetzung kann der*die Einzelne mit belastenden Anteilen der eigenen Geschichte in Kontakt kommen. Um sich in diesen Situationen gut schützen zu können, hilft die Anker-Methode, sich der eigenen inneren Kraft, Zuversicht und Stärke zu besinnen und positive Emotionen abzurufen.

Und nun wünsche ich dir viele möglichst stressfreie Zeiten mit Kindern, Eltern und Kolleg*innen.

Deine Anja

Meine aktuellen Bücher:

Cantzler, A. (2023): Schätze finden statt Fehler suchen, Herder Verlag

Wedewardt, L., Cantzler, A. (2022): Sich seiner selbst bewusst sein, Herder Verlag

Wedewardt, L., Cantzler, A. (2022): Workbook: Sich seiner selbst bewusst sein, Herder Verlag

Biografische Selbstreflexion – ein vielseitiges Instrument zur beruflichen Standortbestimmung und persönlichen Weiterentwicklung

Als pädagogische Fachkraft hast du eine wichtige Verantwortung: Du begleitest Kinder in ihrer Entwicklung, bestärkst sie in ihrem Sein und unterstützt sie, sich selbst zu entdecken. Doch wie kannst du dich selbst darauf vorbereiten, diese Aufgabe erfolgreich zu meistern? Eine Möglichkeit dazu bietet die biografische Selbstreflexion, mit der ich mich schon seit vielen Jahren beschäftige. Diese Auseinandersetzung mit mir selbst, begann aufgrund einer schweren Erkrankung vor über 20 Jahren, die ich in Begleitung einer Therapeutin zu verarbeiten suchte. Schon sehr schnell bemerkte ich, dass diese Form der Bearbeitung meiner biografischen Erlebnisse und Erfahrungen dazu führte, dass ich mich selbst besser verstehen und annehmen lernte. Die anschließenden systemischen Ausbildungen zur Coachin und Supervisorin vertieften dieses Erleben. Hier machte ich die Erfahrung, dass es nicht immer eine Therapie sein muss, um sich mit der eigenen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen oder um herauszufinden wer ich bin, was ich kann und wohin ich will.

Was genau ist biografische Selbstreflexion?

Unter biografischer Selbstreflexion versteht man die systematische Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte. Dabei geht es darum, die eigenen Erlebnisse, Gefühle und Einsichten zu reflektieren und sich bewusst damit auseinanderzusetzen. Die biografische Selbstreflexion kann dabei auf verschiedene Arten stattfinden, zum Beispiel durch das biografische Schreiben oder durch Gespräche mit anderen Menschen.

Warum ist biografische Selbstreflexion für pädagogische Fachkräfte wichtig?

Biografische Selbstreflexion kann für pädagogische Fachkräfte auf viele Arten von Nutzen sein. Zum einen kann sie dazu beitragen, die eigene Identität und die eigenen Werte besser zu verstehen und zu stärken. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn wir uns in schwierigen Situationen befinden oder uns unsicher sind, wie wir am besten handeln sollen.

Zum anderen kann biografische Selbstreflexion dazu beitragen, die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen. Dies ist wiederum von Vorteil, wenn wir uns beruflich neu orientieren oder uns für eine neue Stelle bewerben möchten. Indem wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was uns in der Vergangenheit besonders gut gelungen ist und wo wir noch Verbesserungspotential haben, können wir uns gezielt weiterentwickeln und uns auf die Zukunft vorbereiten.

Biografische Selbstreflexion als Werkzeug zur Standortbestimmung

Neben der Klärung der eigenen Werte und Stärken kann biografische Selbstreflexion auch dazuanjacantzler@t-online.de beitragen, uns bei der Standortbestimmung zu unterstützen. Indem wir uns bewusst mit unseren bisherigen beruflichen Erfahrungen und Erlebnissen auseinandersetzen, können wir besser verstehen, welche Art von Arbeit uns wirklich erfüllt und welche nicht. Auf diese Weise können wir uns gezielt auf Stellen bewerben, die zu uns und unseren Werten, Interessen und Vostellungen passen.

Biografische Selbstreflexion als Möglichkeit, die eigene Entwicklung zu unterstützen

Nicht zuletzt kann biografische Selbstreflexion auch dazu beitragen, unsere eigene berufliche Entwicklung zu unterstützen. Indem wir uns bewusst mit unseren bisherigen Erfahrungen und Erlebnissen auseinandersetzen, können wir besser verstehen, welche Art von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten wir in der Vergangenheit wahrgenommen haben und welche wir in Zukunft noch nutzen möchten. Auf diese Weise können wir unsere Karriere gezielt gestalten und uns auf die Zukunft vorbereiten.

Wie findet das im Einzelnen statt?

Durch die Auseinandersetzung mit deiner eigenen Lebensgeschichte weckst du Erinnerungen und damit verbundene Gefühle – dies kann für dich sowohl zur Aufarbeitung und Versöhnung führen als auch ein wiederentdeckter Quell der persönlichen Freude sein. Du bist das Ergebnis deiner Vergangenheit, unabhängig davon ob sie nun positiv oder negativ war. Wenn du sie annimmst, kannst du fühlen, wer du bist!

Indem du dich mit deinem Leben auseinandersetzt, erkennst du deine eigenen Stärken und Ressourcen und kannst sie in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern, Eltern und Kolleg*innen bewusst und möglichst entwicklungsförderlich einsetzen. Nur, wenn du dich selbst kennst und weißt, was für Ressourcen und Kompetenzen in dir schlummern, kannst du das authentisch und stimmig in deine pädagogische Tätigkeit einbringen.

Manchmal verstehen wir erst durch den Blick in unsere Vergangenheit warum Dinge geschehen. Nicht selten wird dann deutlich, dass auch vermeintlich „schlechte“ Erfahrungen am Ende etwas Positives in deinem Leben bewirkt haben. Ben Fuhrmann hat hierzu das wunderbare Buch: „Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben“ geschrieben. Sein Fazit besteht darin, dass es nicht wichtig ist, was wir im Einzelnen erlebt haben, sondern unsere Bewertung im Nachhinein ausschlaggebend ist, welche Bedeutung das Erlebte für uns hat. Biografische Selbstreflexion ist ein Weg, der dir hilft, das zu erkennen.

Eine Auseinandersetzung mit deiner eigenen Lebensgeschichte und deinem beruflichen Werdegang führt zur Sinnfindung in deinem Leben. Indem du du vergangene Erfahrungen reflektierst, weißt du viel besser, warum du in bestimmten Situationen auf deine persönliche Art und Weise reagierst. Der „rote Faden“ in deinem Fühlen, Denken und Handeln wird sichtbar und du lernst dich selbst als Person intensiv kennen.

Bist du noch glücklich in deinem Team oder in deinem Beruf?

In letzter Zeit begegne ich zunehmend Leitungs- und Fachkräften, die in einer Sinnkrise stecken. Viele Kolleg*innen sind zwischen 35 und 60 Jahre alt, arbeiten schon viele Jahre mit viel Herz und Engagement in diesem Beruf. Die einen haben schon alles erreicht und sind auf der Suche nach neuen Herausforderungen, andere haben sich so verausgabt und versuchen den drohenden Burnout zu umgehen, wieder andere sind frustriert, weil ihnen Wertschätzung und und Anerkennung fehlt, und dann gibt es die, die ihre beruf lieben, jedoch immerwieder an Grenzen stoßen, weil ihre Vision einer beziehungsstarken, bedürfnisorientierten und gewaltfreien Kindheit bei den Kolleg*innen auf Widerstand stößt.

Findest du dich da gerade wieder? Dann solltest du dich fragen:

  • Wie zufrieden bin ich gerade mit mir und meiner beruflichen Situation?
  • Sehne ich mich nach einer Veränderung?
  • Wie erlebe ich meinen beruflichen Alltag? Sind meine Tätigkeiten für mich noch sinnvoll oder gibt es für mich wichtigere bzw. andere Dinge, zu denen ich aber nicht komme, weil mir die Energie fehlt?
  • Ertappe ich mich öfters bei Gedanken wie z.B. „Ich kann so nicht mehr weitermachen“ oder „wann kommt endlich das nächste Wochenende?“
  • Habe ich im schlimmsten Fall vielleicht schon körperliche oder psychische Beschwerden, weil mir „alles zuviel“ wird?
  • Oder hinterfrage ich ganz einfach „das große Ganze“ und stelle mir öfters mal die Frage nach dem „Sinn“ ?

Schließe nun für einen Moment die Augen, atme tief durch und fühle in dich hinein.

Wie hast du die Fragen im Einzelnen beantwortet und wie geht es dir damit? Fühlt sich das noch stimmig für dich an? Stehst du am Morgen im Normalfall gerne auf und startest gut in den Tag? Oder gibt es etwas, was dich bedrückt und das du vielleicht gerne ändern möchtest? Woher kommt deine aktuelle Unzufriedenheit?

Gehen wir einen Schritt weiter

Lass uns nun einmal ein kleines Experiment machen. Lass vor deinem geistigen Auge eine Sanduhr entstehen, die für dich deine persönlich gefühlte Lebens-Sanduhr darstellt – und damit meine ich nicht deine bereits vorhandenen Lebensjahre. Wie viel von deinem emotionalen Leben hast du nach deinem Empfinden schon gelebt bzw. wie viel Sand ist schon durch die Verengung geronnen? Nimm dir für die Beantwortung dieser Frage Zeit – und spüre in dich hinein.

Wie sieht deine Sanduhr aus? Ist deine Sanduhr im oberen Teil noch ganz voll, weil noch nicht viel Lebenszeit verronnen ist und du noch alle Möglichkeiten hast, dein Leben zu genießen und dich zu verwirklichen? Oder ist bei dir die Hälfte der Zeit schon abgelaufen ist? Oder bestimmt dich das Gefühl haben, dass dir nicht mehr allzu viel Zeit bleibt…

Alleine dich hier einzuordnen gibt dir schon eine gute Auskunft darüber, wo du in gerade stehst. Denke jetzt noch einmal einen Moment darüber nach. Was sagt dir das? Was möchtest du aus deiner verbleibenden Zeit machen? Hast du noch Pläne? Wenn ja, wann willst du damit beginnen, sie zu verwirklichen?

Um dem Ganzen aber noch genauer auf den Grund zu gehen, schau dir bitte nachfolgende Satzanfänge an.

  • Bis jetzt habe ich noch nicht …
  • Irgendwann will ich unbedingt …
  • Mir fehlt derzeit …
  • Ich freue mich gerade über …

Was braucht es, um dahin zu kommen, wo du gerne sein möchtest? Und was kannst du selbst dafür tun?

Nicht immer bedeutet das dann, den Beruf ganz an den Nagel zu hängen. Manchmal reicht der Wechsel in ein neues Team, das von den Werten und der Haltung besser zu einem passt. Manchmal sind es kleinere und größere Stellschrauben, die es zu verhandeln gilt wie z.B. die Einführung eines Nachmittags im Home Office für die Leitungskraft, um ungestörte Zeit für das Qualitätsmanagement zu haben.

Und wenn du merkst, dass du dich gerade im Kreis drehst und selbst keine passenden Wege für dich findest, dann wende dich am besten an eine*n Coach*in deines Vertrauens. Oftmals braucht es einfach den Blick und die Begleitung von außen. Auch ich als erfahrene Coachin suche manchmal professionelle Beratung auf, da Selbstcoaching nicht immer zielführend ist. Oder wie mein Mann sagt: „Das kann ja auch nicht funktionieren, schließlich kann man sich ja auch nicht selbst kitzeln.

Ein paar Worte zum Schluss

Biografische Selbstreflexion kann dir als pädagogische Fachkraft auf viele Arten von Nutzen sein. Sie kann dazu beitragen, deine eigene Identität und die eigenen Werte besser zu verstehen und zu stärken, die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen und dich bei der Standortbestimmung und beruflichen Entscheidungsfindung zu unterstützen. Wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was uns in der Vergangenheit besonders gut gelungen ist und wo wir noch Verbesserungspotential haben, können wir uns gezielt weiterentwickeln und uns auf die Zukunft vorbereiten und ggfs. neue wege finden. Manches Mal bedarf es hierbei der professionellen Begleitung und Unterstützung.

Deine Anja

 

 

Zur Vertiefung:

Bogartikel: Warum glaubst du mir nicht- Umgang mit Mißtrauen und falschen Unterstellungen

Gastbeitrag von Anja Klostermann: Und jedem Abschied folgt ein Neubeginn

Wedewardt, Lea/ Cantzler, Anja (2022): Sich seiner Selbst Bewusst Sein – Biografische Selbstreflexion. Herder Verlag.

Wedewardt, Lea/ Cantzler, Anja (2022): Sich seiner Selbst Bewusst Sein – Biografische Selbstreflexion, Das Workbook. Herder Verlag.

 

Eingewöhnung als Teamaufgabe

Mittlerweilen gibt es die verschiedensten Eingewöhnungsmodelle, damit Kinder und Familien den Übergang in die Kindertagesbetreuung gut bewältigen können. Am geläufigsten sind hierbei die Eingewöhnungen nach dem Berliner oder Müncher Modell. In den letzten Jahren sind die Peergroup Eingewöhnung und das Partizipatorische Modell dazu gekommen.

Wie du bestimmt weißt, habe ich mich in den letzten Jahren besonders mit der Peergroup Eingewöhnung beschäftigt und seit 17.10.2022 ist nun endlich das so häufig nachgefragte Buch zu diesem Modell erschienen.

Ziele und Nutzen überprüfen

Noch mitten drin in den Eingewöhnungen machen sich parallel gerade viele Teams auf den Weg und überprüfen noch einmal ihre Eingewöhnungskonzepte. Der Impuls kommt hier aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Der Träger drängelt, dass die Eingewöhnung aus wirtschaftlichen Gründen schneller stattfinden muss, die Leitung weiß nicht mehr wie sie den Dienstplan organisieren soll, ein*e Mitarbeitende kommt mit neuen Ideen von einer Fortbildung zurück.

Es ist also erst einmal gut hinzuzuschauen, was ist der Auslöser für den Wunsch nach Veränderung. Hat sich das bisherige Konzept tatsächlich überholt? Was spricht für eine Veränderung? Können die Mitarbeitenden bei dieser Veränderung gut mtgehen? Welche Vorteile bietet eine Veränderung den Kindern und Eltern, aber auch den Fachkräften?

Eingewöhnung nicht nur Sache der Leitung

Die Einführung eines neuen Eingewöhnungsmodells ist demzufolge nie allein Sache des Trägers oder der Leitung. Eine solche Veränderung betrifft immer auch das gesamte Team. Daher besteht die wesentliche Aufgabe darin, das Team im Rahmen des anstehenden Veränderungsprozesses ins Boot zu holen und zu der damit verbundenen Weiterentwicklung der konzeptionellen Ausrichtung zu motivieren.

Wie in anderen Veränderungsprozessen kann die Einführung eines anderen oder veränderten Eingewöhnungsprozesses nur gelingen, wenn alle Mitarbeitenden an der Erarbeitung wesentlicher Qualitätsmerkmale und konkreter Umsetzungsmöglichkeiten beteiligt sind.

Ein Team macht sich auf den Weg …

Zunächst einmal gilt es, den Ausgangspunkt des einzelnen Teams herauszufinden. Wie sich ein Veränderungsprozess entwickelt, hängt entscheidend von der Diskussions-, Partizipations- und Entscheidungskultur in der Einrichtung ab. Hinzu kommen die unterschiedlichsten bisherigen Betreuungserfahrungen und die bestehende Teamkultur. Das Team eines Regelkindergartens, das über viele Jahre hinweg nur Kinder ab drei Jahren aufgenommen und bis mittags betreut hat, steht vor einer anderen Herausforderung als eine Ganztageseinrichtung mit einem integrativen Konzept.

Veränderung braucht Zeit

Die Leitungskraft sollte mehrere Teamsitzungen einplanen, um sich gemeinsam mit dem Team mit den theoretischen Grundlagen, den Säulen und der praktischen Umsetzung der gut gelingenden Eingewöhnung auseinanderzusetzen.

Zu den theoretischen Grundlagen gehören im wesentlichen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bindungs-, Transitions- und Peergroupforschung. Aber auch Aspekte der Kultursensiblen Pädagogik, der Partizipation und der Bedürfnisorientierung sind zu berücksichtigen.

Nicht alle Mitarbeitenden werden sich von Anfang an von dem anstehenden Veränderungs- und Weiterentwicklungsprozess überzeugen lassen. Dabei ist es auf jeden Fall hilfreich, wenn sich die Leitung der Einrichtung im Vorfeld selbst intensiv mit den Feinheiten beschäftigt hat oder ggfs. eine*n erfahrene*n Referent*in dazu holt. IPP

Ausprobieren als erster Schritt

Manchmal ist es für ein Team einfacher, die vereinbarten Veränderungen zunächst in einer oder zwei Gruppen einzuführen und so erste Erfahrungen zu sammeln, bevor die gesamten Einrichtung weitere Schritte umsetzt.

Ganz gleich, ob ein verändertes Eingewöhnungsodell mit oder ohne externe Begleitung eingeführt wird – wichtig ist auf jeden Fall, dass Sorgen und Bedenken im Team ernst genommen werden und ausgesprochen werden dürfen. Das trägt massiv zum Gelingen einer Veränderung bei.

Erste Schritte in Richtung Veränderung

Wenn du dich nun mit Deinem Team auf den Weg machen möchtest, um dein Eingewöhnungskonzept zu überprüfen, hier ein paar Materialien und Anregungen, die dich im Teamprozess unterstützen können.

Hier kommst du zu meinen 5 Tipps zur Gestaltung einer gelingenden Eingewöhnung. Nach Eintrag in die Email Liste, erhälst du mehrere Emails mit Anregungen zur Reflexion deines Eingewöhnungsprozesses.

In dem Blogartikel: Verschiedene Modelle – ein Ziel erhälst du einen kleinen Überblick über die bestehenden Modelle. Auf Kita-Fachtexte (www.kita-fachtexte.de) gibt es ergänzend kostenfrei zugängliche Texte zu den verschiedenen Modellen z.B. der aktuelle Text von Heike Fink: Die Eingewöhnung in der Peer – das Tübinger Modell

Wenn du dich für die Peergroup Eingewöhnung interessierst, möchte ich dir folgende Podcasts ans Herz legen, die ihr euch auch im Team anhören könnt:

Feas Naive Welt: Eingewöhnung in der Peergroup – ein Interview mit Anja Cantzler

KitaTalks auf YouTube: Peergroup Eingewöhnung in der Kita mit Christa Manske

Das nächste Online-Seminar zur Peergroup Eingewöhnung findet am 5.11.2022 in Kooperation mit Haus Neuland statt. Hier kommst du direkt zur Anmeldung.

Und natürlich kannst du  auch mein Buch zur Peergroup Eingewöhnung bestellen.

Never change a running Horse

Wenn du jetzt denkst: „Wieso sollten wir etwas verändern? Es läuft doch alles gut so wie es ist.“ Was gut läuft braucht nicht zwangsläufig eine Veränderung. Nimm meine Anregungen einfach als Einladung, Angebot und Inspiration.

Deine Anja

Bindungsstärkendes Spielen in der Eingewöhnung

Erneut konnte ich eine wundervolle Gastautorin für diesen Blogbeitrag gewinnen. Passend zum Start ins neue KitaJahr verknüpft sie die Wichtigkeit des Spielens mit den Chancen, die das gemeinsame Spielen für den Beziehungsaufbau zwischen der Fachkraft und den Kindern eröffnet. Ich wünsche viele Anregungen und einen guten Start mit den Kindern und Eltern.

Bindungsstärkendes Spielen in der Eingewöhnung oder wie ich gerne sage in der „Willkommenszeit“

Ein Gastbeitrag von Gundula Göbel

Warum setze ich Willkommenszeit mit Eingewöhnung gleich? Für mich ist diese Zeit, ein Augenblick, Momente und Wochen der Beziehungsgestaltung zwischen der pädagogischen Fachkraft dem Kind und den Eltern. Alle zusammen werden zu einem ergänzenden Bindungs- und Beziehungssystem mit Sicherheit und Feinfühligkeit, um dem Kind bestmögliche psychische Stabilität und emotionale Sicherheit zu ermöglichen.

Nur, wenn auch die Eltern in der Krippe oder Kita willkommen und gesehen werden, werden sie ihr Kind bei diesem wichtigen Schritt und Übergang achtsam begleiten können. Kinder spüren die Gefühle der Erwachsenwelt.

Sich willkommen zu fühlen ist ein Bedürfnis eines jeden Menschen:

Mit einem Lächeln begrüßt zu werden

Verlässlichkeit durch Worte zu erleben

Begrüßungsrituale wie Lieder oder Abläufe zu erfahren

Getröstet zu werden, also Co-Regulation zu spüren

Körperkontakt mit angemessener Nähe und Distanz er erleben

und als Kind sein Nein zu behalten

ist was Kinder im Übergang von sicheren zuhause in die Krippe /Kita dringend brauchen. Feinfühlige Erwachsene. Da sind wir schon beim „Bindungsstärkenden Spielen“ in der Eingewöhnung. Denn ohne beziehungsaufbauende Erfahrungen ist für Kinder kein vertieftes und emotional stärkendes Spielen möglich oder lediglich, wenn die Bezugsperson (bspw. ein Elternteil ) als Sicherheitsanker in der Nähe ist.

Kleinstkinder und Kinder lernen mit allen Sinnen, wir nennen es auch das sensomotorisches Spielen. Kinder entdecken und begreifen die Welt im Spiel. Sie riechen, schmecken, tasten, hören, probieren aus, all das ist auch in der Bindungsentwicklung verankert. Das Baby riecht die Milch, die Mama, den Papa, tastet das Gesicht, die Brust, die Flasch, die Rassel ab, hört die Stimme der Bezugsperson, diese wirkt meist beruhigend und so lässt es sich fortsetzen. All das braucht auch ein Krippenkind in der Eingewöhnung. Dies ist die gemeinsame Stärkung und Aktivierung der Bindungswurzeln aus dem Bindungsbaum-Konzept (siehe Broschüre Bindungsbaum-Konzept).

Das kindliche Spielen ermöglicht dem Kind die Auseinandersetzung mit der neuen Situation, das entdecken der Räumlichkeiten, das Erleben von fremden Gerüchen, Geräuschen, Lautstärken und noch „fremden“ pädagogischen Fachkräften. Im Spielen entwickelt das Kind kreative, aktive oder andere Lösungsstrategien, für den Umgang mit der unbekannten und noch unsicheren Situation.

Das „ Bindungsstärkende Spielen“ ist gerade in der Eingewöhnung ein guter Begleiter. Denn ein Kind kann nur vertieft und versunken entwicklungs- und beziehungsstärkend spielen, wenn es sich sicher fühlt. Deshalb braucht das Kind zuerst die Nähe und Sicherheit der Bezugsperson, welche die Eingewöhnung begleitet. Bspw. Mutter, Vater, Oma oder Opa sind also das wichtigste Bindeglied zwischen Zuhause und Einrichtung, um Kindern Sicherheit zum Entdecken zu geben.

Eine entspannte und emotional sichere Eingewöhnung begleitet vom bindungsstärkenden Spielen, mit Grundlage der Stärkung der Bindungswurzeln festigt das Vertrauen des Kindes, aber auch seine Feinfühligkeit. Denn Kinder brauchen beides. Vertrauen zu ihren Bezugserzieher*innen und gleichzeitig ihre eigene Stimme und ihr eigenes NEIN, wenn sich etwas nicht gut anfühlt.

Durch das bindungsstärkende Spielen können verlässliche Beziehungen aufgebaut werden. Nur wenn Kinder Sicherheit und Orientierung spüren, können sie sich auf es vertieftes Spielen einlassen und auch so Phasen von Anspannung und Entspannung erleben.

Das sensomotorische Spielen ist also für die Entwicklung und Bindung gleichermaßen von Bedeutung. Kinder brauchen Sinnesreize um sich zu entwickeln, aber auch um ihre “Krippen-Welt“ oder „Kita-Welt“ mit allen Sinnen zu entdecken.

Den Begriff „Bindungsstärkendes Spielen“ habe ich 2013 entwickelt auf Grundlage des Bindungsbaum-Konzeptes. Denn nur wenn wir die Bindungswurzeln im Spiel, in der Interaktion und durch Vorbildsein stärken und diese bei uns und den Kindern angemessen versorgen wird Kindern ihre eigene Entwicklung als ganz eigene Persönlichkeit und mit ganz eigenem Temperament ermöglicht. Moegel sieht das Spielen als ein fundamentales Lebenssystem des Menschen. Wir dürfen und sollten für die psychische Gesundheit von Kindern, das vertiefte Spielen ohne ständige Unterbrechungen von Seiten der Erwachsenen in Einrichtungen in den Mittelpunkt stellen. Das kindliche Spielen zeigt auch in der Eingewöhnungszeit und im Weiteren, ob sich Kinder sicher fühlen, es ist ein Ausdruck ihres Wohlbefindens.

Wenn ein Kind in der Eingewöhnung nicht spielen möchte oder kann, ist es ein non-verbales Zeichen für die erwachsenen Welt.

Was könnte das Kind uns sagen:

  • ich brauche mehr Sicherheit
  • es ist mir hier zu laut
  • der Geruch ist mir fremd oder erinnert mich an…
  • soviel Kinder auf einmal
  • warum sieht mich keiner
  • Angst, dass Mama/Papa einfach geht (vielleicht frühe Erfahrungen)
  • Mama, Papa ich spüre eure Angst um mich
  • usw.

Der Aufbau einer Beziehung braucht Zeit und das Kind sowie die Eltern Orientierung, Sicherheit sowie Feinfühligkeit.

Pädagogische Fachkräfte haben oft schon einige Eingewöhnungen begleitet und sind Erwachsene, die es reflektieren können. Aber für jedes Kind ist es das „ERSTE-MAL“ und Kinder reagieren emotional mit ihrem ganzen Körper.

Das „Bindungsstärkende Spielen ermöglicht dem Kind Freiraum und Halt, Eltern und alle Erwachsenen sehen die Bedürfnisse des Kindes nach Bindung und schwingen sich ein. Nicht die Bedürfnisse des Erwachsenen nach schneller Eingewöhnung, dem Gefühl das Eltern den Kitaablauf belasten oder der Personalmangelstress dürfen Gründe sein, Kinder ihr Grundbedürfnis nach Sicherheit nicht zu ermöglichen.

Vertieftes Spielen ist nur mit Bindungs- oder Beziehungssicherheit möglich. In der Eingewöhnung ist somit „Bindungsstärkendes Spielen“ von großer Bedeutung.

Eingewöhnung und „Bindungsstärkendes Spielen“:

  • Impulse vom Kind aufnehmen und feinfühlig begleiten
  • Interaktion (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Vorbild, Einschwingen)
  • Co-Regulation als Grundlage für den Bindungs- und Beziehungsaufbau
  • „Gefühle färben ab“ (eigene Haltung, eigene emotionale Verfassung, Erwartungen)
  • Spielen braucht Sicherheit – Zeit – sensomotorisches Material
  • Spielen ist: Entwicklung – Lösung – Freiheit – Lustgewinn und nicht Ablenkung von Gefühlen
  • Alle Gefühle brauchen liebevolle Begleitung

Bindungsstärkendes Spielen“ ist besonders in der Eingewöhnung von:

Feingefühl – Achtsamkeit – Wertschätzung und Offenheit geprägt.

Gundula Göbel

Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeutin

Traumatherapeutin | Paar- und Familientherapeutin | Spieltherapeutin | Autorin |Referentin

21244 Buchholz in der Nordheide

mail@gundula-goebel.de, www.gundula-goebel.de

Meine Veröffentlichungen siehe: www.thekla.de/shop

 

 

 

Schluss mit Irrtümern und Mythen in der Eingewöhnung

Ich bin seit 30 Jahren im Arbeitsfeld der Kinderbetreuung tätig- erst 10 Jahre als pädagogische Fachkraft und seit 20 Jahren als Weiterbildnerin und Coachin.

Bereits während meiner ersten Eingewöhnung im Berufspraktikum spürte ich intuitiv, dass hier etwas grundlegend schief lief. Von Eingewöhnung konnte damals überhaupt noch nicht gesprochen werden: die Kinder kamen und mussten von Tag 1 an ohne Eltern bleiben.

Mittlerweile hat sich einiges getan. In vielen Krippen, Kitas und Kindertagespflegen wird nach standardisierten Modellen die Ankommenszeit mit Kindern und Eltern gestaltet. Die Bedürfnisse aller Beteiligten stehen im Fokus und werden ernst genommen. Im besten Fall findet der für die weitere Zeit wichtige Beziehungsaufbau von Fachkraft und Kind individuell und im Tempo des Kindes statt.

Trotzdem geistern immernoch fatale Irrtümer hartnäckig durch die Köpfe einiger Fachkräfte. Damit gilt es ein für alle mal aufzuräumen, sind sie doch oft ein Zeichen für ein längst überholtes Bild vom Kind, und fehlender Augenhöhe zu den Bindungspersonen als Expert*innen für ihr Kind.  Manch Haltung und Praktik in der Eingewöhnung grenzt bedauerlicherweise an schwarze Pädagogik.

Es folgen ein paar Irrtümer und ihre begründete Richtigstellung. Es geht nicht darum irgendwen damit explizit an den Pranger zu stellen und zu verurteilen. Ich möchte Fachkräfte zur Reflektion und Überprüfung einladen, damit die hier benannten,  meist unreflektierten Irrtümer irgendwann einmal Geschichte und damit passe sind.

# Irrtum No. 1 – Früher blieben die Kinder doch auch ohne Eltern und das klappte viel besser

Dem möchte ich als Zeitzeugin vehement widersprechen. Es war für alle Beteiligten einfach nur anstrengend und eine Zumutung.

Viele Kinder haben sich die Seele aus dem Leib geschrien und geweint. Wenn sie Glück hatten, gab es Fachkräfte, die zumindest versucht haben, sie zu trösten, was aber nur bedingt gelingen konnte, weil man sich i.d.R. kaum bis gar nicht kannte. Die ein oder andere Fachkraft war der Überzeugung, dass wenn man das Kind nur lang genug ignoriert, es schon mit dem Theater aufhören würde. Und das taten viele Kinder dann auch: sie ergaben sich in ihr Schicksal und versuchten ihren Weg zu finden.

Leider übertreibe ich mit diesen Schilderungen nicht.

Wer jetzt behauptet, er habe das auch erlebt und es habe ihm nicht geschadet., den frage ich: und wie sieht es heute für dich mit unbekannten Situationen aus? Magst du dich auf Veränderungen einlassen und begrüßt diese freudig und offen? Oder bist du da eher vorsichtig und zweifelnd?

Merke: Das die frühere Praktik nach außen gesehen funktionierte, lag sehr wahrscheinlich daran, dass die Kinder keine andere Wahl hatten.
Neurobiologisch gesehen war das Stressystem der Kinder hoch aktiv und die Kinder haben gemäß der drei Überlebensreaktionen: Kampf, Flucht oder Erstarrung reagiert. Flucht (weglaufen) war ihnen nicht möglich  ihr Kampf und Widerstand (weinen, schreien) wurde schlichtweg ignoriert. Was blieb, war die Resignation. Also schleunigst weg mit diesem Mythos.

Kinder brauchen auf jeden Falleine einfühlsame Begleitung durch ihre Bindungspersonen, zugewandte und beziehungsstarke Fachkräfte und Zeit.

Natürlich gibt es auch einzelne Kinder, die von Tag 1 an, problemlos alleine in der Kindertagesbetreuung bleiben. Hier handelt es sich um die berühmte Ausnahme von der Regel, die nicht als Maßstab genommen werden kann und darf.

# Irrtum No. 2 – Eine zu starke Bindung zu der begleitenden Bindungsperson erschwert den Eingewöhnungsprozess

Genau das Gegenteil ist der Fall. Auf der Basis einer starken Bindung verfügt das Kind über genügend Urvertrauen, um sich aufgeschlossen auf die neue Umgebung, die Fachkräfte und die anderen Kinder einzulassen. Das Kind löst sich dann von seinen Bindungspersonen besser, weil es die Erfahrung gemacht hat, dass es anderen Menschen vertrauen kann. Zunächst einmal wendet ein stark gebundenes Kind sich aber in der unbekannten Umgebung an die vertaute Bindungsperson, bevor es schrittweise sich offnet.

Als Fachkraft kannst du den Beziehungsaufbau zum Kind insofern unterstützen, indem du interessiert und neugierig auf das Kind zugehst und dich  einfühlsam um eine gute Beziehung zum Kind bemühst.

Natürlich gibt es Eingewöhnungen, in denen ein Kind sich nur schwer lösen oder es den Bindungspersonen schwer fällt loszulassen. Dann lohnt es sich, sich  gemeinsam mit den Bindungspersonen auf den Weg zu machen, welche Irsache hier zu finden ist und lösungsorientiert zu schauen, was möglich ist, um allen Beteiligten die Eingewöhnung zu erleichtern.

Merke: Wenn ein Kind sich in der Eingewöhnung nur schwer löst, hat das nichts mit der starken Bindung zu tun. Ganz im Gegenteil: Eine starke Bindung unterstützt die Eingewöhnung.

# Irrtum No. 3 –  Mit Vätern ist die Eingewöhnung viel leichter

Das sollte schon aufgrund der Klischeehaftigkeit der Aussage schleunigst verabschiedet werden. Vätern wird damit eine weniger enge Bindung zugeschrieben als den Müttern. Das entspringt veralteter Rollenvorstellungen, die sich in den vergangenen 10 Jahren in der Praxus nocheinmal deutlich verändert haben. Ich konnte das allein auf den Elternabenden der letzten 12 Jahre veobachten, dass Väter immermehr Interesse an der Entwicklung ihrer Kinder  zeigen, vermehrt zu den Elternabenden kommen und der Eingewöhnung mit ähnlichen Zweifeln, Sorgen und Bedenken entgegensehen, wie die Mütter der Kinder.
Auch der Anteil der Väter, die ihre Elternzeit nutzen, ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Väter haben demzufolge keine schlechtere Bindung zu ihren Kindern, hier ist geschlechtsunabhängig die tatsächliche  Beziehungsqualität von Bindungsperson zu Kind entscheidend.

Eine weitere tief verwurzelte Annahme, die hier noch verankert ist, dass Männer perse weniger Gefühle haben bzw. zeigen und ihnen die Trennung von ihrem Kind daher viel weniger ausmacht. So ein Quatsch!

Merke: Natürlich gibt es Unterschiede in der Bindungs- und Beziehungsqualität der beiden Elternteile (oder anderer Bindungspersonen zum Kind). Das ist aber niemals am Geschlecht festzumachen. Väter und andere Bindungspersonen brauchen die gleiche achtsame und feingühlige Begleitung in der Eingewöhnungszeit wie Mütter.

# Irrtum No. 4 – Die erste Trennung muss am 4. Tag stattfinden

Das ist ein Riesenmissverständnis in Verbindung mit dem  Berliner Modell. Dort wird der 1. TrennungsVERSUCH am 4. Tag durchgeführt. In anderen Modellen findet dies häufig erst später statt, was ich sehr begrüße.
Im Berliner Modell lege ich größten Wert auf das kleine Wörtchen „Versuch“. Hier wird angetestet und ausprobiert und sofort unterbrochen, wenn das Kind Gegenwehr und Widerstand zeigt bzw. Sich nicht auf die Tröstangebote der Fachkraft einlässt.
Es geht also nicht um Schema F, sondern es gilt die Persönlichkeit und das individuelle Tempo des Kindes zu berücksichtigen.
Für die meisten Kinder ist eine Trenung am vierten Tag noch viel zu früh.

Merke: Eine Trennung am 4. Tag ist in den meisten Fällen wenig sinnvoll. Auch der Trennungsversuch ist zu diesem frühen Zeitpunkt fragwürdig. Ein sanftes Ankommen und Kennenlernen stärkt Vertrauen und Beziehung zu den Fachkräften, was den Übergang sehr erleichtert.

# Irrtum No.5 – DAS ist vom Modell so vorgeschrieben

Diese Aussage beinhaltet im Prinzip eine Steigerung von Irrtum No. 4. Egal worum es geht, es wird mit den vermeintlichen Vorgaben des Modells argumentiert. Das führt dann in der Praxis nicht selten zu Stillblüten, wie ich selbst schon in der Elternberatung begleitet habe. Die komplette Eingewöhnung war durchgetaktet. Einschließlich Tag 4 hatte das Kind bis dahin kooperiert und dann kam es zu der Situation, dass am 5. Tag die bisherige Bezugserzieherin erkrankt war und anstatt nun die Trennungsversuche vorübergehend auszusetzen, wurde ganz nach Plan verfahren. Obwohl das fast einjährige Kind, die neue Person noch nicht kannte, sollte die Mutter nach einer kurzen Verabschiedung gehen. Das Kind reagierte verzweifelt und weinte und schrie. Aber die Mutter sollte trotzdem für 20 Minuten fortbleiben. Der Mutter wurde vermittelt, dass sei alles ganz normal und nach dem Modell wäre das der übliche Weg.Glücklicherweise vertraute die Mutter auf ihr Bauchgefühl und verkürzte nach einigem Hadern die Trennungssituation gegen den Willen der Fachkraft. Nach dem Wochenende sollte es sofort zu weiteren Trennungen kommen, gegen die das Kind sich vehement auflehnte. Bei den Fachkräften war bis zum Schluss kein Abweichen vom Ablauf des Modells möglich, sie beharrten auf die Richtigkeit des Vorgehens. Nachdem dann der Vater sein Glück erfolglos versuchte (Fun-Fakt für Irrtum No. 3) wurde seitens der Eltern die Eingewöhnung abgebrochen und das Kind abgemeldet.

Merke: Eingewöhnungmodelle wurden nicht dazu entwickelt, sich sklavisch daran zu halten. Sie geben eine Orientierung, wie eine Eingewöhnung gelingen kann. Alle Modellen haben zum  Ziel, dem Kind und seinen Eltern Sicherheit und Orientierung zu geben, damit sie den Übergang in die Kinderbetreuung gut bewältigen können. Dabei ist es elementar wichtig, die Bedürfnisse des Kindes ernst zu nehmen. Diese Bedürfnisse äußert es durch seine Bindungssignale wie schreien, weinen, klammern etc.

# Irrtum No. 6 – Das Kind muss trocken sein, wenn es in die KInderbetreuung kommt

Diese Frage wurde mir viele Jahre von jungen Eltern gestellt, die dies von ihren Eltern oder Großeltern so eingetrichtert bekommen hatten. Der Ursprung dieser Grundannahme ist schnell zu ergründen. Als ich vor 30 Jahren als Fachkraft gearbeitet habe, waren hier in den alten Bundesländern die jüngsten Kinder vier oder fünf, die in den Kindergarten kamen. In diesem Alter hatten die meisten Kinder bereits ihre Blase und ihren Darm unter Kontrolle. Mit den zunehmend jünger werdenden Kinder bedurfte es ein Umdenken, das glücklicherweise in den meisten Fällen stattgefunden hat.

Vor gut 20 Jahren traf ich noch regelmäßig auf Fachkräfte, die diese Meinung vertraten. Heute ist das deutlich weniger geworden, aber noch immer nicht ganz  weg. Laut meiner Umfrage auf Insta sind es ca. 30% der Fachkräfte, die Kolleg*innen haben, die diesen Irrglauben auch heute noch für Kinder ab 3 Jahren vertreten. Und irgendwo in Bayern gibt es allen Ernstes eine Einrichtung, die für Kinder ab 3 Jahren eine Wickelzulage für den personellen Mehraufwand von bis zu 30 € im Monat erhebt. 🤦

Merke: Kein Kind muss vor der Eingewöhnung trocken sein. Bei den meisten Kindern ist dies entwicklungsbedingt nicht vor dem 4. Lebensjahr möglich. (vgl. G. Haug-Schnabel und Dorothee Gutknecht).

# Irrtum No. 7 – Die Mutter sollte vor der Eingewöhnung abgestillt haben

Das sind veraltete und falsche pädagogische Denkweisen, die heute überholt sind. Wir wissen es heute besser: die Mutter ist nicht für den Beziehungsaufbau zwischen dem Kind und der pädagogischen Fachkraft zuständig oder verantwortlich. Bindungspersonen können natürlich diesen Aufbau unterstützen, indem sie ihrem Kind vermitteln, dass der/die Erzieher*in xy wir Fachkräfte nett und vertrauenswürdig sind. Aber die Bindungspersonen müssen dafür nichts (!) an der Beziehung zu ihrem Kind verändern.

Ich selbst habe vor 25 Jahren eine Eingewöhnung erlebt und begleitet, bei der die Mutter des 6 Monate alten Kindes von ihrem Recht gebraucht machte, 1-2 x am Tag noch zum Stillen zu uns in die Einrichtung zu kommen. Auch das hat wundervoll funktioniert. Ich hatte den Eindruck, dass das Kind so auch zwischendurch Kraft bei der Mutter auftanken konnte, um sich dann wieder auf die Fachkräfte und den herausfordernden KitaAlttag einlassen zu können.

Wenn eine Fachkraft der Meinung ist, dass Stillen oder ein Familienbett, Tragen, Kuscheln usw. falsch sei, da sich ein Krippen- oder Kindergartenkind von seinen Eltern ablösen muss, dann kennt diese Person sich recht wenig mit der Bindungstheorie und Entwicklungspsychologie aus oder möchte sich nicht auf dem aktuellsten Stand halten. Hier sollte noch einmal sehr genau das Bild vom Kind überprüft werden.

Merke: Kinder können sehr wohl Beziehungen zu anderen aufbauen, auch wenn sie gestillt werden. Vor allem bei so großen Entwicklungsaufgaben wie die Bewältigung der Eingewöhnung ist das Weiterstillen sogar von Vorteil, weil es Geborgenheit, Trostt und Zuwendung gibt. Es beruhigt das Stresssystem des Kindes und erleichtert den Übergang.

# Irrtum No.8 – Verabschiedung lieber kurz und schmerzlos

Das entspringt der falschen Vorstellung, dass wenn ich ein Gefühl nicht lange spüren muss, dass es dann auch schnell wieder vorüber ist.  Bei einer unvermittelten und zügigen Verabschiedung, ist das Kind meistens überrumpelt und reagiert überrascht. Je nach Alter und Entwicklungsstand kann es die Situationen und die damit verbundenen Konsequenzen noch gar nicht richtig einschätzen. Daraus lässt dann nicht zwangsläufig schließen, dass nur weil das Kind in diesem Moment gar nicht reagieren kann, es ihm damit wirklich gut geht.

Möglicherweise ist sein Stresssystem gerade so hochgradig aktiviert, dass ihm nur das Notfallprogramm Erstarren zur Verfügung steht.  Gerade dann sollte die Bindungsperson sich langsam verabschieden dürfen, damit das Kind soweit beruhigt wird, dass es sich auf die Bezugserzieher*innen in diesem Moment überhaupt einlassen kann.

Dazu gehört auch, dass das Kind die Erfahrung machen kann: wenn ich traurig bin, dann ist das okay. Ich werde verstanden und ich werde nicht alleine gelassen mit meinen Gefühlen.

Das „Abflücken“ des Kindes vom Arm der Bindungsperson ist übrigens übergriffig und grenzüberschreitend. Im Rahmen des institutionellen Kinderschutzes steht dieses Verhalten absolut auf rot.

Merke: Es ist für das Kind wichtig, mit seinen wahren Gefühlen in Kontakt kommen zu dürfen und dann tut es gut, dies mit den für sie wichtigsten Personen zu erleben und zu bewältigen. Ein Kind hat das Recht auf seine Trauer und sein Traurigsein. Bekommt ein Kind die Zeit, das es braucht, wird es sogar viel schneller das nötige Vertrauen zu den Bezugserziehende fassen können.

# Irrtum No. 9 – Tränen gehören zur Eingewöhnung dazu, da muss das Kind durch

Tränen gehören bei vielen Kindern in der Trennungssituation durchaus dazu und sind Ausdruck ihres Trennungsleids und Trennungsprotestes, das muss aber nicht so sein. Lässt man Kind und Bindungspersonen die notwendige Zeit, sich zu orientieren, anzukommen und Beziehung zur Fachkraft aufzubauen, können diese Tränen auch gänzlich ausbleiben.

Tränen sind immer Signale für Bindungsverhalten, die mitteilen wollen: Geh noch nicht! Bleib hier! Ich bin noch nicht so weit. Ich brauche dich, bis ich hier gut angekommen bin. Und Tränen können auch ein wichtiges Ventil sein, um der eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen.

Und Nein- kein Kind muss da pauschal durch. Leider erlebe ich immernoch viel zu oft, dass Kinder in ihrer Trauer und in ihrer Not alleine gelassen werden. Sie sitzen dann einsam und alleine – sich selbst überlassen – und sollen mit ihrem Schmerz alleine klar kommen. Das ist herzlos und grausam. Mit Blick aus das Kinderschutzkonzept zählt das eindeutig zu emotionaler Gewalt. In einer sowieso stressbehafteten Zeit wie der Eingewöhnung wird das Kind dadurch zusätzlichem Stress ausgesetzt. Das ist schlichtweg entwicklungshemmend und nicht zu beschönigen. Dazu gibt es mittlerweilen fundierte Erkenntnisse aus der Neurobiologie – Stress verändert die kindlichen Gehirnstrukturen und verlangsamt Lern- und Entwicklungsprozesse. Zusätzlich haben frühe Stresserfahrungen eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf das spätere Stresssystem des Erwachsenen. Das kann minimiert werden durch gute Co-Regulation und hier wirken gerade die vertrauten Bindungspersonen für das Kind beruhigend.

Merke: Ist ein Kind untröstlich, sind gerade die Bindungspersonen wichtig, damit das Kind in deren Gegenwart möglichst stressdreduziert, sich mit den Fachkräften, den Kindern und der neuen Umgebung vertraut machen kann.
Ein Kind, dass traurig ist, braucht Zuwendung, Nähe und Trost. Es darf niemals in seinem Schmerz alleine gelassen werden. Wenn die Bindungspersonen nicht da sind, ist dies eine der wichtigsten Aufgaben der pädagogischen Fachkraft.

# Irrtum No. 10 – Das Kind weint extra, damit es nicht hierbleiben muss

Und da ist sie wieder: die Unterstellung, dass Kinder aus der Absicht heraus handeln, um die Erwachsenen unter Druck zu setzen und zu manipulieren. Hier lassen Johanna Harrer (Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind) und Dr. Michael Winterhoff (Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden) grüßen.

Nein!!! – Kinder manipulieren uns Erwachsene nicht. Sie treten für sich und ihre Bedürfnisse ein und wenn wir dies übergehen, dann tun sie das aus der Not heraus auch heftig und lautstark. Wenn Kinder weinen, dann haben sie immer einen guten Grund. Wenn sie dann Bindungspersonen an ihrer Seite haben, die das ernst nehmen, dann ist das als Fachkraft anzuerkennen und zu unterstütze. Das kann im Einzelfall natürlich auch heißen, dass ein Kind während oder auch nach der Eingewöhnungszeit früher als geplant abgeholt wird, weil es das gerade braucht. Ein solches Vorgehen fördert das Vertrauen des Kindes in alle Richtungen.

Merke: Die Bedürfnisse und Bindungssignale wahrzunehmen, zu verstehen und darauf einzugehen, fördert das Vertrauen des Kindes und erleichtert den Übergang Familie zur Kinderbetreuung. Dabei ist Feinfühligkeit und Sensitive Responsivität- eine wichtige Kompetenz einer jeden pädagogischen Fachkraft.

# Irrtum No. 11 – Wenn wir einmal in der Trennungsphase sind, dann gibt es kein zurück mehr

Die Basis einer bedürfnisorientierten und beziehungsstarken Eingewöhnung ist die Feinfühligkeit der eingewöhnungsbegleitenden Fachkräfte. Dazu gehört es auch, sehr einfühlsam damit umzugehen, dass das Kind zu unterschiedlichsten Zeitpunkten des Ankommens, seiner Trauer Ausdruck verleiht und signalisiert: „Das geht mir gerade alles viel zu schnell, ich brauche noch Zeit.“
Auf dieses Bedürfnis dann einzugehen und Tempo rauszunehmen oder die Bindungsperson auch noch einmal für eine kurze Zeit wieder mit dabei sein zu lassen ist kein Rückschritt. Ausführlicher habe ich zu diesem Punkt schon einmal in meinem früheren Blogartikel: „Abschied ohne Tränen?“ geschrieben.
Diese Maßnahmen werden immer dann notwendig, wenn das Kind kurz davor steht, sich komplett zu verweigern, was in der Praxis oftmals dadurch forciert wird, dass die Trennungsversuche ohne Pause Tag für Tag wiederholt werden.

Merke: Eingewöhnung verläuft nie linear. Ein Kind, das auch in der Trennungsphase seine Bindungspersonen wieder einfordert, braucht noch Zeit. Rückschritte geben dem Kind die Möglichkeit zur Entschleunigung. Dieses Vorgehen dient schließlich der Stressregulation und dem Aufbau von Vertrauen.

# Irrtum No. 12 – Wenn die Bindungsperson jetzt nachgibt, dass wird es gar nicht mehr klappen

Passt auch zu Irrtum No. 11. Diese Haltung begegnet mir häufig, wenn die Eingewöhnung eigentlich schon als abgeschlossen gilt und das Kind dann von heute auf morgen seine Trauer zeigt und wieder mit nach Hause möchte.
Dann meinen manche Fachkräfte, sich auf einmal dem Kind gegenüber durchzusetzen und ihm zu zeigen zu müssen, dass das so nicht funktioniert.

Dabei gibt es viele Gründe, warum ein Kind, die Nähe zur Bindungsperson der Kinderbetreuung wieder vorzieht:
– ihm geht es gerade nicht so gut
– es war so schön zu Hause
– es gab Stress, der noch nicht ausgestanden ist
– das Trennungsleid tritt jetzt erst mit Zeitverzögerung auf
– das Kind war krank und muss sich erst wieder neu einfinden

Merke: Es gibt immerwieder Situationen, in denen es dem Kind gut tun wird, dass die Bindungspersonen, sich für die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes Zeit nehmen. Ausnahmen können hier sehr stressreduzierend wirken. Alles andere artet schnell in einen Machtkampf aus und ist als adultistisch einzuordnen. Wenn die Bindungsperson das Kind aus verschiedensten Gründen nicht vwieder mit nach Hause nehmen oder nicht in Ruhe den morgentlichen Übergang in dieser Situation begleiten kann, braucht das Kind eine Erklärung und zugewandte Fachkräfte, die diesen erschwerten Übergang dann feinfühlig begleiten und die Gefühle ernst nehmen.

# Irrtum No. 13 – Die Eingewöhnung muss nach 2 Wochen abgeschlossen sein

Diese Fehlannahme wird oftmals von den Ablaufplänen des Berliner Eingewöhnungsmodells abgeleitet, die dort exemplarisch für 2 Wochen beschrieben sind.
Mit Hineinspielen kann zusätzlich

  • der Druck, den manche Eltern machen, so schnell wie möglich die Kita wieder verlassen zu können,
  • die große Zahl der neuen Kinder, die es aufzunehmen gilt,
  • der Wunsch der Fachkräfte schnellstmöglich zum Alltag zurückkehren zu können,
  • nicht so kange von Bindungspersonen beobachtet zu werden

Merke: Keine Eingewöhnung ist nach exakt 2 Wochen abgeschlossen. Die meisten Kinder bleiben zwar ohne größeres Trennungsleid nach 2 Wochen ohne ihn Bindungspersonen in der Kinderbetreuung. Der Prozess des Ankomnens, Orientierens und Sicherheit gewinnen geht aber noch weiter. Wie eine bindungs- und bedürfnisorientiert gestaltete Eingewöhnung aussehen kann, habe ich in dem Kita Talk mit Teresa Miss:  Jedem Kind sein eigenes Tempo – auch in der Eingewöhnung besprochen.

Soweit ersteinmal die wesentlichsten Irrtümer und Mythen, die ich auch mit Hilfe einiger Fachkräfte auf Instagram und Faceboo gesammelt habe. Fehlt dir noch ein Aspekt? Dann schreib ihn gerne in die Kommentare. Gerne schaue ich dann dort wie wir diesen Mythos entkräften können.

Ich wünsche dir eine bindungsstarke und bedürfnisorientierte Eingewöhnungszeit mit den neuen Kindern und Eltern

Deine Anja