Wie Kinder stark werden! –

Resilienzförderung in Kita und Kindertagespflege

Wie bereits im vorausgegangenen Beitrag näher erläutert, stecken resiliente Menschen krisenhafte Situationen, Stress und Frustration besser weg. In der aktuellen Situation sind die Kinder sehr gefordert und können Resilienz gut gebrauchen. Je nach Lebenssituation und Befindlichkeit in der Familie, wird das aktuelle Geschehen von den Kindern als sehr bedrohlich und verunsichernd erlebt. Vielen fällt es schwer zu verstehen, warum sie nun zu Hause bleiben müssen und weder Kita bzw. Kindertagespflege noch die Großeltern besuchen dürfen. Der Virus ist für sie unsichtbar und nicht greifbar. Trotzdem erleben sie die Unruhe, Verunsicherung und Angst der Erwachsenen, die sich dann unbestimmt auf sie selbst überträgt. In manchen Familien erleben die Kinder die Erkrankung oder gar den Tod nahestehender Personen. Hier wird die Bedrohung auf einmal sichtbar und kommt ganz nah.

In der Notbetreuung begegnet Ihr teilweise Kindern, die in deutlicher oder latenter Sorge um Ihre Eltern sind, die der Gefahr unmittelbar ausgesetzt sind, weil sie in den sog. systemrelevanten Berufen arbeiten. Für diese Kinder ist es wichtig, dass ihre Sorgen und Ängste ernst genommen werden. Ihr könnt mit ihnen gemeinsam überlegen, was sie und ihre Eltern im Alltag tun, um sich zu schützen.

Jede Krise geht vorbei

Zur Zeit steht zwar noch nicht fest, wann so etwas wie Alltag in Kita und Kindertagespflege wieder einkehren wird. Da wir wissen, dass jede Krise irgendwann vorbei ist, solltet Ihr Euch schon heute darauf vorbereiten.

Wenn die Kinder aus dem Lockdown und der Quarantäne wieder zurückkehren, bedarf es zunächst einmal viel Fingerspitzengefühl und Empathie, um die Kinder und auch die Eltern da abzuholen, wo sie dann stehen. Jedes Kind braucht etwas anderes, um schrittweise wieder an die Beziehung zu Euch anknüpfen zu können. Individuelle Entwicklung und Alter der Kinder spielen hier eine große Rolle.

In den ersten Wochen wird es dann um das erneute Zusammenfinden als Gruppe, die Verarbeitung der zurückliegenden Zeit und die Einführung des veränderten Infektionsschutzes gehen. Sinnvoll erscheint es mir ergänzend hierzu, die Förderung der einzelnen Resilienzfaktoren mit einzubeziehen.

Hierzu habe ich in YouTube ein anregendes Video über ein Projekt aus Rheinland-Pfalz entdeckt. Am Beispiel einer Naturkatastrophe, beschäftigen sich die Kinder mit möglichen Angehens- und Lösungsmöglichkeiten. Sie teilen Gefühle mit und üben sich in sozialen Kompetenzen. Handpuppen z.B der Güffelo und die Maus werden zu wichtigen Mittlern und Vorbildern für die Kinder. Ich kann mir gut vorstellen, wie ein ähnliches Projekt zur Verarbeitung der jetzigen Situation beitragen.

Förderung der Resilienzfaktoren

Ausgehend von den Anregungen im Video könnt Ihr als Team, ein Projekt entwickeln, das den resilienten Umgang mit der aktuellen Situation anregt. Um beispielsweise den Reisilienzfaktor „Selbstwahrnehmung“ zu fördern, könnt Ihr den Kindern Bücher, Gespräche und Spiele anbieten, mit deren Hilfe sie lernen, Ihre Gefühle zu erkennen und zu benennen.

Desweiteren ist für die Kinder wichtig, dass sie an regelmäßige Abläufe und Rituale anknüpfen können. Das gibt Ihnen Halt, Sicherheit und Orientierung.

Ihr werdet von den Kindern vielfältigen Emotionen erleben: Freude, Wut, Trauer, Aggressionen… Seid den Kindern hier ein verstehendes Gegenüber, das sie dabei unterstützt, Strategien zur Selbstregulierung zu entwickeln.

Eröffnet den Kindern viele Spielräume für Selbstwirksamkeit, damit sie das Gefühl bekommen, wieder aktiv und selbstbestimmt handeln zu können. Beteiligt sie aktiv an Entscheidungen. Die Kinder brauchen jetzt eine Umwelt, die ihnen wieder etwas zutraut und ihnen altersgerechte Herausforderungen stellt. Das einzelne Kind braucht Bestärkung, um sich seiner Stärken und Fähigkeiten bewusst zu werden. Wichtig ist auch die Unterstützung und der Beistand bei Frustration und Misserfolgen.

Resiliente Kinder verfügen über soziale Kompetenzen. Sie sind empathisch und können gut Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen. Situationen werden passend eingeschätzt und Probleme konstruktiv gelöst. Diese Fähigkeiten könnt Ihr beispielsweise durch Rollen- und Kooperationsspiele intensivieren. Lasst die Kinder im Alltag Konflikte möglichst selbständig lösen, damit sie dadurch ein wertvolles Übungsfeld im Umgang mit anderen Menschen bekommen.

Zum Aufbau von Stressbewältigungskompetenzen solltet Ihr eine Balance von An- und Entspannung anregen. Hier bieten sich Bewegungsspiele und -baustellen einerseits und Rückzugs- und Entspannungsmöglichkeiten anderseits an.

Ein weiterer Resilienzfaktor ist die Problemlösungsfähigkeit. Das Sprechen über mögliche Lösungsansätze oder der Einsatz von Bilderbüchern, in denen die Hauptfigur erfolgreich Probleme löst, sind hier sehr hilfreich.

Die pädagogischen Fachkraft als Vorbild

Bei der Resilienzförderung nehmt Ihr als pädagogische Fachkräfte immer eine zentrale Vorbildfunktion ein. Ihr lebt den Kindern im Alltag Resilienz vor, durch die Art und Weise wie Ihr selbst mit schwierigen und krisenhaften Situationen umgeht. Hier bietet sich im Vorfeld eine biografische Selbstreflexion an. Wie habt Ihr in Eurem bisherigen Leben Krisen erlebt? War es eher bedrohlich oder haben sich Chancen aufgetan? Was oder wer hat Euch dabei unterstützt, diese Herausforderungen zu bewältigen? Wie habt Ihr selbst die letzten Wochen erlebt? Auf welche Ressourcen und Kompetenzen konntet Ihr zurück greifen?

Ich lade Euch am kommenden Donnerstag zu einem Fachkräfteaustausch „Stark durch die Krise“ über Zoom ein. (Nähere Infos und Anmeldung s. unten)

Vision einer resilienzfördernden Pädagogik

Nun wollen wir gemeinsam den Blick nach vorne richten. Wir können dieses „danach“ schon heute aktiv gestalten. Entwickelt eine gemeinsame Vision als Team und stärkt die Kinder für deren weiteres Leben. Aus den vorher benannten Bausteinen lässt sich eine resilienzfördernde Pädagogik für die Zeit nach Kontaktverbot und Lockdown entwickeln. Lasst Eurer Fantasie und Kreativität freien Lauf.

Ich bin schon sehr gespannt auf Eure Ideen und Umsetzungen.

Eure Anja

 

Buchtipps:

Ronnau-Böse/ Fröhlich-Gildhof: Resilienz im KiTa-Alltag, Herder Verlag

Zur Förderung der Selbstwahrnehmung:

Cantzler, Anja: Mein Körper, Hase und Igel Verlag

Cantzler, Anja: Meine Sinne, Hase und Igel Verlag