Tragen als Brücke zwischen Familie und Kita

Die Zeit des Ankommens ist sowohl für die neuen Kinder und ihre Familien als auch für die anderen Kinder der Gruppe eine intensive Zeit voller Veränderungen und Emotionen. In dieser Zeit wird die Grundlage für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen dem neuen Kind und den neuen Beziehungspersonen, gelegt. Ein zentraler Aspekt, der während dieser Phase oft unterschätzt wird, ist die Co-Regulation – und hier spielt das Tragen eine durchaus entscheidende Rolle.

Was ist Co-Regulation?

Co-Regulation beschreibt den Prozess, bei dem eine andere Person einem Kind hilft, seine Emotionen und sein Verhalten zu regulieren. Für kleine Kinder, die ihre Emotionen noch nicht selbstständig steuern können, ist diese Unterstützung durch eine vertraute Person essenziell. Durch physische Nähe und emotionalen Beistand kann ein Kind lernen, seine Gefühle zu ordnen und auf stressige Situationen angemessen zu reagieren.

Die Rolle des Tragens in der Co-Regulation

Das Tragen, sei es in einem Tragetuch oder einer Tragehilfe, bietet eine einzigartige Möglichkeit zur Co-Regulation. Das Tragen ermöglicht dem Kind:

  1. Sicherheit und Geborgenheit: Es vermittelt dem Kind ein starkes Gefühl von Sicherheit. In einer ungewohnten Umgebung oder in stressigen Situationen bietet der Körperkontakt ein Gefühl von Geborgenheit, was dabei hilft, Ängste und Unsicherheiten zu lindern.
  2. Stärkung der Bindung: Das Tragen fördert die Bindung zwischen Kind und Fachkraft. Diese Bindung ist gerade in der Eingewöhnungsphase entscheidend, da sie dem Kind das Vertrauen gibt, sich auf die neuen Erfahrungen einzulassen.
  3. Regulation von Stress: Körperliche Nähe durch Tragen kann den Stresslevel eines Kindes signifikant senken. Der gleichmäßige Herzschlag der Bezugsperson und die Körperwärme tragen dazu bei, dass das Kind sich entspannen und beruhigen kann.
  4. Förderung des Vertrauens: Indem das Kind durch das Tragen unmittelbar auf seine Bedürfnisse hin beruhigt und getröstet wird, entwickelt es Vertrauen in die Fachkraft. Es lernt, dass diese zuverlässig auf seine Signale reagiert, was es ihm erleichtert, sich den anderen Kindern zu nähern und in der neuen Umgebung anzukommen.

Tragen während der Eingewöhnung

In der Eingewöhnungsphase kann das Tragen eine Brücke zwischen der bekannten und der neuen Welt des Kindes schlagen. Besonders in den ersten Tagen kann das Tragen dabei helfen, dem Kind den Übergang zu erleichtern. Die körperliche Nähe zur Bindungsperson gibt dem Kind die Möglichkeit, sich aus einer sicheren Position heraus an die neue Umgebung zu gewöhnen. Vom Arm der Bindungsperson kann es alles beobachten und deutlich signalisieren, wann es diesen sicheren Hafen verlassen möchte, um die Welt selbständig zu erkunden.

Bei dem morgentlichen Wechsel von der Familie in die Kindergruppe geschieht dies nicht selten vom Arm der Bindungsperson rüber zum Arm der Fachkraft. So bildet das Getragen Sein hier eine Brücke, um sanft ankommen zu können.

Darüber hinaus kann das Tragen auch den Fachkräften in der Kindertagesstätte oder bei der Tagespflege helfen, eine Beziehung zum Kind aufzubauen. Wenn das Kind von Anfang an Nähe und Körperkontakt als beruhigend erlebt hat, fällt es ihm oftmals leichter, sich auch auf die Nähe einer neuen Beziehungsperson einzulassen.

Ich selbst durfte in meiner Zeit als Fachkraft erfahren, wie wertvoll es war, dass meine Kolleg:innen bereit waren, mit Hilfe von Tragetüchern, die Kinder durch den KitaAlltag zu tragen und zwar immer dann, wenn die Kinder diese Form der Co-Regulation brauchten. Und auch unsere etwas älteren Kinder kamen ab und zu in den Genuß, auf diese Weise Zuspruch und Nähe zu bekommen und immer mit dabei sein zu können. Für meine Kolleg:innen war das vor gut 20 Jahren das Normalste von Welt und den Kindern ging es sehr gut damit. Gleichzeitig konnte ich beobachten, wie selbständig und sicher genau diese Kinder sich entwickelten und die Kita für sich eroberten.

Fazit

Das Tragen ist weit mehr als nur eine praktische Möglichkeit, ein Kind von A nach B zu transportieren. Es ist ein essenzielles Werkzeug der Co-Regulation, das Kindern hilft, emotionale Stabilität und Sicherheit zu finden, insbesondere in Übergangsphasen wie der Eingewöhnung. Eltern und Betreuungspersonen sollten das Tragen bewusst als Mittel nutzen, um die Eingewöhnungszeit so sanft und positiv wie möglich zu gestalten. Denn ein gut reguliertes Kind ist bereit, die Welt zu entdecken und neue Beziehungen zu knüpfen.

Wenn Du neugierig geworden bist. Dann empfehle ich dir in meinen neuen KitaTalk reinzuhören, der am 12.09.2024 auf YouTube, spotify und hier auf meiner Website erscheint: Geborgen&Getragen mit Kira Daldrop – einer Trage- und Familienberaterin.

Podcast Episode 23: Wenn Eltern Rat suchen – Eingewöhnung

Bei „Wenn Eltern Rat suchen – Eingewöhnung“ handelt es sich um eine Sonderfolge, bei der ich über meine Publikation berichte, die bei „Kindergarten heute“ erschienen ist. 

Ich nehme euch mit in meine Beratungspraxis als Elternberaterin und berichte über die verschiedensten Situationen, die mir dort begegnet sind, wo Kinder oder auch Familien Beratungs- und Unterstützungsbedarf hatten.

Ihr erfahrt, inwieweit euch die Publikation in ähnlichen Situationen unterstützen kann.

Hier könnt ihr die Publikation bestellen:

https://www.herder.de/kiga-heute/wenn-eltern-rat-suchen

Vielen Dank an Roland Kah für die hier verwendete Musik: Happy Intro

Podcast Episode 22: Partizipation geht immer – echt jetzt?

In dieser Folge spreche ich mit Fea Finger, Autorin des Buches „Selbst aktiv statt fremdbestimmt“ darüber, warum Partizipation eigentlich immer und überall im Kita Alltag Platz hat und sogar zur Entlastung im Alltag beitragen kann. Vorausgesetzt die Fachkräfte sind bereit die Kinder ernst zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.

Ein kurzer Exkurs führt uns über das Thema Partizipation in der Eingewöhnung und abschließend verrät uns Fea ihre liebste Reflexionsfrage.

Reinhören lohnt sich.

Mehr über Fea Finger erfährst du unter:
https://www.feafinger.de/
und ihren Podcast unter:
https://www.feafinger.de/fea-s-naive-welt

Feas Buch „Sebst aktiv statt fremdbestimmt“ ist im Herder Verlag erschienen. Das Buch empfehle ich inhaltlich von ganzem Herzen trotz meiner aktuellen Kritik am Verlag. Mehr über die Kritik erfährst du unter 
@wessendebattenraum auf Instagram.

Vielen Dank an Roland Kah für die hier verwendete Musik: Happy Intro

Bedürfnisorientierte Eingewöhnung ist gelebter Kinderschutz

Warum eine Bedürfnisorientierte Eingewöhnung Unverzichtbar ist: Ein Leitfaden für Fachkräfte in Krippe, Kita und Kindertagespflege

Die Eingewöhnung eines Kindes in die Krippe, Kita oder Kindertagespflege ist ein sensibler und essenzieller Prozess, der die Basis für eine erfolgreiche Betreuung und eine positive Entwicklung des Kindes legt. Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung ist dabei von zentraler Bedeutung und sollte von allen Fachkräften als grundlegender Bestandteil des Kinderschutzes verstanden werden.

Die Bedeutung der Bedürfnisorientierten Eingewöhnung

Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse und das Tempo jedes Kindes. Sie orientiert sich an den emotionalen, sozialen und physischen Bedürfnissen, die in dieser Übergangsphase besonders ausgeprägt sind. Die Basis hierfür bildet eine zugewandte und einfühlsame Begleitung, welche schrittweise und behutsam das Ankommen unterstützt und dem Kind die notwendige Sicherheit gibt, um sich in der neuen Umgebung wohlzufühlen.

Bedürfnisorientierte Eingewöhnung bedeutet, dass Fachkräfte jedes Kind als einzigartig betrachten und die Gestaltung des Übergangs auf seine individuellen Bedürfnisse abstimmen. Diese Herangehensweise fördert eine positive Einstellung des Kindes zur neuen Situation und stärkt sein Vertrauen in die Bezihungsspersonen.

Auswirkungen einer Fehlenden Eingewöhnung

Eine nicht bedürfnisorientierte oder gar fehlende Eingewöhnung kann schwerwiegende Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Entwicklung des Kindes haben:

  1. Kinder, die ohne behutsamen Übergang in eine neue Betreuungssituation kommen, erleben häufig Stress und Angst. Dies kann zu dauerhafter emotionaler Unsicherheit führen, die sich negativ auf ihr Wohlbefinden und ihre Entwicklung auswirkt. Solche Kinder zeigen oft erhöhtes Trennungsangstverhalten und Schwierigkeiten, sich auf die neue Umgebung einzulassen.
  2. Ohne eine sanfte Eingewöhnung fällt es vielen Kindern schwer, stabile Beziehungen zu den Betreuungspersonen aufzubauen. Ein sicheres Verbundensein ist jedoch entscheidend für das Vertrauen und die soziale Entwicklung des Kindes. Kinder benötigen verlässliche Beziehungspersonen, um ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu entwickeln.
  3. Stress und Unsicherheit können sich in herausforderndem Verhalten äußern, wie z. B. Rückzug, Aggressivität oder verstärktes Klammern an die Bindungspersonen. Diese Verhaltensweisen können den Alltag in der Betreuungseinrichtung zusätzlich belasten und die Integration des Kindes erschweren.
  4. Chronischer Stress kann das Immunsystem schwächen und das Kind anfälliger für Krankheiten machen. Auch Schlafprobleme und Essstörungen können die Folge sein. Kinder, die sich nicht wohlfühlen, haben häufig auch Schwierigkeiten, sich auf Aktivitäten und Lernprozesse einzulassen, was ihre kognitive und motorische Entwicklung beeinträchtigen kann.

Bedürfnisorientierte Eingewöhnung als Kern des Kinderschutzes

Der gelebte Kinderschutz beginnt bereits mit der Eingewöhnung. Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung stellt sicher, dass das Kind in einer neuen Umgebung sicher und geborgen ankommen kann. Dies umfasst mehrere wichtige Elemente:

  1. Wertschätzung und Empathie: Die Fachkräfte nehmen die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes ernst und reagieren sensibel darauf. Sie bieten Trost und Unterstützung, wenn das Kind sie braucht. Diese empathische Haltung schafft Vertrauen und Sicherheit, die für die emotionale Stabilität des Kindes essenziell sind.
  2. Zeit und Geduld: Jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Die Eingewöhnung sollte flexibel gestaltet sein, um dem Kind die Zeit zu geben, die es braucht, um sich sicher zu fühlen. Ein starres Eingewöhnungsschema kann das Kind überfordern und zusätzlichen Stress verursachen. Flexibilität und Geduld seitens der Fachkräfte sind daher unerlässlich.
  3. Partizipation der Eltern: Eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist entscheidend. Sie kennen ihr Kind am besten und können wertvolle Hinweise geben. Gleichzeitig vermittelt die Anwesenheit der Eltern dem Kind Sicherheit. Durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern wird die Eingewöhnung erleichtert und die Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gelegt.
  4. Rituale und Struktur: Vertraute Rituale und eine haltgebende Struktur geben dem Kind Orientierung und Sicherheit in der neuen Umgebung. Rituale helfen dem Kind, den Tagesablauf vorherzusehen und sich darauf einzustellen, was ihm ein Gefühl der Kontrolle und Sicherheit gibt.
  5. Kontinuierliche Beobachtung und Reflexion: Die Eingewöhnungsphase sollte durch ständige Beobachtung und Reflexion begleitet werden, um auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes flexibel reagieren zu können. Fachkräfte sollten regelmäßig den Übergangsprozess evaluieren und bei Bedarf Anpassungen vornehmen. Eine enge Dokumentation und der Austausch im Team sowie mit den Eltern sind dabei hilfreich.

Fazit

Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung ist nicht nur eine Frage der pädagogischen Qualität, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil des Kinderschutzes. Sie legt den Grundstein für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Kind und Betreuungsperson und unterstützt die gesunde Entwicklung des Kindes. Fachkräfte in Krippe, Kita und Kindertagespflege tragen eine große Verantwortung, diesen sensiblen Prozess mit Empathie, Geduld und Fachwissen zu gestalten. Nur so können wir sicherstellen, dass jedes Kind die bestmögliche Grundlage für seine weitere Entwicklung erhält.

Indem wir die individuellen Bedürfnisse der Kinder respektieren und auf sie eingehen, schaffen wir eine Umgebung, in der sie sich sicher und geborgen fühlen. Dies ist die Grundlage für ihre emotionale, soziale und kognitive Entwicklung. Bedürfnisorientierte Eingewöhnung ist daher ein wesentlicher Bestandteil des gelebten Kinderschutzes und sollte von allen Fachkräften als solcher verstanden und praktiziert werden.

Deswegen gehört die Auseinandersetzung mit der Gestaltung des Übergangs von der Familie in die Kita auch grundlegend mit in die Kinderschutzkonzepte und sollten jedes Jahr aufs neue evaluiert werden.

Podcast Episode 21: Vielfalt als Stärke – Diskriminierungsbewusstsein beginnt im Team

In dieser Podcastfolge ist die inspirierende Aida Kiflu zu Gast. Sie arbeitet als Kita-Leitung und Weiterbildnerin für vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung. Zusammen erkunden wir ihr Herzensthema: „Vielfalt als Stärke – Diskriminierungsbewusstsein beginnt im Team“.

Aida teilt ihre umfangreiche Erfahrung und Expertise darüber, wie Kita-Leitungen eine positive und inklusive Umgebung für Kinder schaffen können. Wir diskutieren, wie Vielfalt als eine Quelle der Stärke betrachtet werden kann und wie eine bewusste Auseinandersetzung mit Vorurteilen im Team dazu beiträgt, Diskriminierung zu verhindern.

Besonders betonen wir die entscheidende Rolle der Leitung in diesem Prozess. Aida teilt praktische Tipps und Strategien, wie Leitungen ihre Teams dazu ermutigen können, Vorurteile zu erkennen, zu reflektieren und aktiv gegen Diskriminierung vorzugehen.

Diese Folge ist ein Muss für alle, die in der frühkindlichen Bildung tätig sind und nach Möglichkeiten suchen, eine inklusive und respektvolle Umgebung für Kinder und ihre Familien zu schaffen.

Kontaktdaten:
Aida Kiflu
kifluaida@gmail.com
Insta: youmechange

Vielen Dank an Roland Kah für die hier verwendete Musik: Happy Intro