Abschied ohne Tränen?

Die meisten Krippen, Kitas und Kindertagespflegestellen sind gerade mitten in der Eingewöhnungszeit. Wie in dem Blogbeitrag: „Viele Modelle- ein Ziel“ bereits beschrieben, wird in den verschiedenen Einrichtungen mit unterschiedlichen Ansätzen eingewöhnt. Alle Eingewöhnungsmodelle haben folgende Ziele: „das Kind soll sich in der Betreuung emotinal wohlfühlen, gerne kommen und die Pädagogischen Fachkräfte als stressregulierende Bezugspersonen annehmen.“

Doch bis Du mit dem einzelnen Kind dort hinkommst, liegt ein langer und oftmals auch tränenreicher Weg vor Dir, dem Kind und seinen Eltern. Mal Hand aufs Herz, wünscht du Dir in diesen Tagen auch manchmal insgeheim, dass die Eingewöhnungszeit dieses Mal ohne Tränen abläuft? Ein Jahr, dass alle Kinder von Anfang an gerne kommen und nicht weinen müssen? Doch aus Erfahrung weißt, dass dies nicht so sein wird.

Deswegen möchte ich in diesem Blogbeitrag zum einen klären, warum Tränen so wichtig für die Kinder sind und wie Du damit kind- und bedürfnisorientiert umgehen kannst. Zum anderen möchte ich Dich auf die möglichen Fehlanzeichen aufmerksam machen, an denen pädagogische Fachkräfte oftmals fälschlicherweise festmachen, dass die Eingewöhnung für das Kind bereits abgeschlossen ist.

Die Bedeutung der Tränen

Durch das Weinen drücken die Kinder ihre Trauer über die Abwesenheit der Eltern aus. Sie sind Ausdruck des emotionalen Befindens und kindlichen Bedürfnisse. Für viele Eltern ist das sehr schmerzhaft, wenn ihr Kind weint und sie versuchen, diese Tränen zu vermeiden. Wichtig ist, dass Du mit den Eltern über die positive Bedeutsamkeit der Tränen sprichst. Es ist wünschenswert, dass ein Kind in der Lage ist seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ich vermittel daher den Eltern immer auf Elternabenden und in Elternberatungen, dass dies ein ganz natürliches und gesundes Verhalten des Kindes ist und dass das Kind ein Recht auf seine Trauer hat.

Die Eingewöhnung stellt große Herausforderungen an das Kind und sind daher für die Kinder mit einem erhöhten Stresspegel verbunden. Die Tränen unterstützen das Kind während des Eingewöhnungsprozesses, Anspannung und Stress abzubauen.

Tränen gehören also durchaus zu einer gelingenden Eingewöhnung. Es geht nicht darum sie zu vermeiden oder zu unterdrücken, es geht vielmehr darum, diese Tränen gemeinsam mit den Eltern achtsam und feinfühlig zu begleiten.

Die Dont’s im Umgang mit Tränen

Bitte vermeide deswegen dem Kind gegenüber Sätze wie:

  • „Du musst nicht traurig sein“ – damit verleugnest Du das Gefühl des Kindes. Das Kind ist in diesem Augenblick jedoch sehr traurig und fühlt diese Emotion. Besser wäre, ihm für seine Trauer Worte zu geben: „Du bist jetzt sehr traurig, dass Mama gegangen ist.“
  • „Schau mal was ich hier habe…“ – wird gerne als Ablenkungsmanöver genutzt. Auch das ist nicht sehr ratsam, da das Kind indirekt die Botschaft erhält, dass seine Gefühle nicht wichtig sind. Es soll die bestehenden Gefühle zurückstellen und unterdrücken. Es erhält keine Chance die eigenen Emotionen zu regulieren, was wiederum ein wichtiger Meilenstein in der emotionalen Entwicklung und der Resillienzförderung ist.
  • „Nimm deinen Schnuller, trink oder iss etwas…“ – damit lernt das Kind fälschlicherweise heftige Emotionen mit Hilfe von Essen und Trinken zu kompensieren. Dieses Verhalten kann den ersten Grundstein für ein gestörtes Essverhalten und Süchte legen.
Tränen achtsam begleiten

Was kannst Du also tun, um ein Kind achtam und feinfühlig durch die Eingewöhnungszeit zu begleiten?

  • Signalisiere dem Kind Verständnis für seine Trauer, sag ihm: „Ich verstehe, dass Du traurig bist!“
  • Vermittel dem Kind, dass Du ihm vertraust, dass es früher oder später diesen Entwicklungsschritt schaffen wird.
  • Gib dem Kind Worte für seine Gefühle. Damit zeigst Du ihm, dass Du diese Gefühle wahrnimmst und diese Gefühle sein dürfen.
  • Sprich mit dem Kind über seine Gefühle.
  • Vermeide dem Kind gegenüber Bedauern über seine Trauer zu äußern. Es geht in erster Linie um Mitgefühl und nicht um Mitleid.
  • Selbsreflexion als Basis für Empathie
Selbsreflexion als Basis für Empathie

Überprüf Deine eigenen Gefühle und Haltung bezüglich der Eingewöhnung. Gerade wenn die Kinder noch sehr jung sind, solltest Du Dich reflektieren, inwieweit Du es als richtig und wichtig empfindest, dass dieses Kind schon in einer Kindertagesbetreuung betreut wird. Kannst Du die Entscheidung der Eltern wertfrei stehen lassen? Oder bist Du der Meinung, dass das Kind zu Hause viel besser aufgehoben wäre?

Deine eigene Haltung überträgt sich auch immer auf Dein pädagogisches Handeln. Bist Du der Überzeugung, dass das Kind zu Hause besser aufgehoben wäre, dann wirst Du die Tränen des Kindes vermutlich unter diesem Blickwinkel betrachten. In diesem Fall ist der Schritt vom Mitgefühl zum Mitleid für das Kind nur noch ein ganz kleiner. Unbewusst läufst Du Gefahr, dem Kind mit dieser Haltung den Einstieg zu erschweren. Nicht nur Eltern, denen es schwer fällt loszulassen, übertragen ihre Gefühle auf das Kind. Auch Du als pädagogische Fachkraft sendest nonverbal Haltung und damit verbundene Erwartungen an das Kind.

Bis du also der Überzeugung, dass das Kind bei Dir gut aufgehoben ist und dass es diese Herausforderung aktiv und kompetent meistern wird, wirst Du mit den Tränen des Kindes ganz anders umgehen können und das Kind wird sich gemäß dieser Erwartungen anders verhalten.

Mögliche Fehlinterpretationen im Eingewöhnungsprozess

So unterschiedlich die Kinder und Familien sind, so unterschiedlich verlaufen die verschiedenen Eingewöhnungsprozesse. In Deiner Praxis begegnen Dir neben den weinenden Kindern einzelne, bei denen tatsächlich keine Tränen auftreten oder die Tränen sehr schnell verschwunden sind. In diesen Fällen besteht dann die Gefahr der Fehleinschätzung, dass das Kind bereits gut angekommen und damit die Eingewöhnung abgeschlossen ist.

Hier ein paar Beispiele:

  • ein Kind spielt ununterbrochen und begibt sich neugierig auf Entdeckungstour. Es ist sehr beschäftigt mit dem neuen Raum, den neuen Spielmaterial und den neuen Kindern. Durch den Reiz des Neuen bleibt ihm zunächst keine Zeit für Trauergefühle. Es trennt sich gut und unproblematisch von den Eltern. Der Einbruch kommt dann oftmals nach 6-8 Wochen, wenn der Reiz des Neuen aufgebraucht ist. Jetzt tritt erstmals Langeweile auf und die Trauer um die Eltern setzt ein. Das Kind wird traurig, weinerlich und manchmal auch aggressiv. Es zeigt jetzt seine Emotionen in voller Bandbreite. Trau dich die Eltern zu bitten, vorübergehend einen Moment länger zu bleiben und die Traurigkeit des Kindes entsprechend zu begleiten.
  • Kinder, die von der Persönlichkeit her offen, zugänglich und kommunikativ sind, werden manchmal überfordert und verschätzt. Durch ihre fröhliche und aufgeschlossene Art wird die Vermutung aufgestellt, dass die Eingewöhnung ganz schnell und unkompliziert stattfinden wird. Dadurch wird der Eingewöhnungsprozess dann gerne verkürzt, was bei manchen dieser Kinder dazu führt, dass sie dann bei längerer Abwesenheit der Eltern auf einmal viel gehemmter und zurückhaltender werden. Lass Dich also nicht von einem solchen Verhalten auf die falsche Fährte führen. Der Gradmesser ist immer das beobachtbare Spielverhalten, sobald die Eltern länger abwesend sind.
  • bei einem anderen Kind, dass zunächst unbekümmer mit der neuen Situation umgeht und dadurch die Trennung von den Eltern vorzeitig herbeigeführt wird, kann die Trauerphase auch erst zeitverzögert einsetzen. Ähnlich der Veränderungskurve nach Kübler-Ross, kommt das Kind nach dem ersten Schock und der Verdrängung der Realität in das Tal der Tränen. Auch hier darfst Du den Mut haben, die Eltern noch einmal zurück und den verpassten Loslösungsprozess nachzuholen.
  • eine weitere typische Situation ist, wenn ein Kind bei der Verabschiedung zwar weint, sich dann schnell wieder beruhigt, sobald die Eltern weg sind. In diesem Fall solltest Du das Kind gut beobachten, ob es dann wirklich fröhlich spielen geht. Manche Kinder legen dann ein lethargisches Verhalten an den Tag, haben permanent gerötete Augen, jammern still vor sich hin, werden anhänglich oder zeigen vielfältige Krankheitssymptome. Das alles sind ernstzunehmende Stresssymptome. In einem solchen Fall sind, wenn möglich die Eltern wieder mit ins Boot zu holen. Trau Dich, zum Wohle des Kindes mit Eltern zu besprechen, was möglich ist oder ob es eine andere Bindungsperson gibt, die das Kind noch begleiten kann. Ist dies seitens der Eltern nicht machbar, dann brauchen diese Kinder Dich als verlässliche Bezugsperson, die bereit ist, dem Kind viel Nähe und möglichst auch Körperkontakt anzubieten.
  • schließlich gibt es auch noch die Kinder, die vermeiden ihre negativen Gefühle in einer Trennungssituation zu zeigen. Sie reagieren nicht, wenn die Eltern gehen und sie zeigen auch keine freudige Raktion, wenn die Eltern wiederkommen. Während der Abwesenheit der Eltern nehmen sie selten Kontakt zu den pädagogischen Fachkräften auf. Auch wenn sie in der Eingewöhnung recht unbeeindruckt wirken, stehen diese Kinder unter einem sehr hohen Stresspegel. Sie bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit und Ansprache, da sie erst lernen müssen, dass jemand ihre Gefühle wahr und ernst nimmt. Begleite die Kinder sprachlich. Benenne ihre Gefühle und signalisiere, dass Du für sie da bist.

Soweit die vielen kleinen Nuancen, die im Eingewöhnungsprozess zu beachten sind. Selbstverständlich gibt es auch Kinder, die ganz unkompliziert und schnell in der Kindertagesbetreuung ankommen. Kinder, die ihren Eltern beispielsweise vermitteln, dass das ein Kinder- und kein Elterngarten ist. Dies zeugt von positiven Vorerfahrungen mit der Trennung von den Eltern. Andere kulturelle Wurzeln und Kontexten, in denen nicht der Erwachsene die Bindungsperson Nr.1 für das Kind ist, sondern andere Kinder diese Rolle übernehmen, kann andererseits dafür ursächlich sein, dass diese Kinder schnell Anschluss an die Kindergruppe finden und sich wohl fühlen. Die Peer Group gibt dem Kind viel Halt und Sicherheit. (vgl. Kultursensitive Pädagogik nach Heidi Keller).

Die Bedeutsamkeit der PeerGroup

Aus der besonderen Bedeutung und Wirkung der Kindergemeinschaft für den Eingewöhnungsprozess hat sich die Eingewöhnung in der Peer Group entwickelt. Die Kinder unterstützen sich in dieser herausfordernden Situation gegenseitig und erfahren, dass sie mit ihren Gefühlen nicht alleine sind. Sie lernen von und miteinander diese Übergangssituation zu meistern. Ein interessantes Modell, auf das ich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal genauer eingehen werde.

Ich wünsche Dir noch eine gute und gelingende Eingewöhnungszeit- je nach Kind und Familie mit und ohne Tränen

Deine Anja

Ein Fortbildungstipp

Safe the Date! – Wenn Du mehr über die Eingewöhnung in der Peer Group erfahren willst. Am Samstag, 23.01.2021 von 9.30-12.00 Uhr biete ich wieder in Kooperation mit Haus Neuland eine Online- Seminar hierzu an.

Die Gefühlsuhr – Eine Methode zur Förderung der Emotionalen Kompetenz

Zur Förderung der emotionalen Kompetenz gehört es, dass Kinder möglichst spielerisch verschiedene Gefühle kennenlernen und diese zum Ausdruck bringen können. Die folgende Methode von Mareike Paic (Sternstunden-Seminare) unterstützt diesen Lernprozess und schult parallel die Wahrnehmung der Kinder, die verschiedenen Gefühle beim Gegenüber richtig zu interpretieren. Ich wünsche Euch heute viel Spaß mit dem Gastbeitrag von Mareike. Ich hoffe, ihr findet hier ganz viel Inspiration für Eure Arbeit mit den Kindern.

Eure Anja

Mareike Paic – Sternstunden-Seminare:

Die Gefühlsuhren

Habt Ihr auch früher stundenlang vor dem Spiegel gesessen und Grimassen gezogen? Ich selbst konnte als Kind nicht genug davon bekommen. Auch die Kinder, mit denen ich arbeite, verbringen so Ihre Zeit mit viel Spaß und Ausdauer vor dem Spiegel. Daraus entstand vor einiger Zeit meine Idee für die „Smiley-Schmuckdose“.

Die Vorbereitungen

Als erstes solltet Ihr 12 Smileys ausdrucken, auf Karton aufkleben, laminieren und ausschneiden. Zur Aufbewahrung eignet sich ein Schmuckkästchen, ein hübscher Karton oder ähnliches…egal welche Schachtel Ihr findet, ein Spiegel gehört UNBEDINGT dazu, damit sich das Kind selbst sehen und beobachten kann. Natürlich könnt Ihr auch prima einen aufstellbaren Schminkspiegel nutzen.

Die Spielanregung

Ladet das Kind ein, sich einen Smiley auszusuchen und das dargestellte Gefühl mimisch nachzumachen. Lasst das Kind erst einmal experimentieren. Im besten Fall versinkt es in seinem Tun und fühlt dabei spielerisch in sich hinein.

Im weiteren Prozess kann dieser spielerische Zugang ein Türöffner werden, um mit dem Kind über die verschiedenen Gefühle ins Gespräch zu kommen:

  • Wie siehst du aus?
  • Wie fühlt sich das an…im Gesicht, im Bauch …?
  • Warst du auch schon einmal so richtig wütend/traurig/lustig?
  • Wie guckst du, wenn du …bist?
Allein und mit der Gruppe

Die Smiley Schmuckdose lässt sich sehr gut für ein Kind oder in einer 1:1 Interaktion von Pädagogischer Fachkraft und Kind einsetzen. Ergänzend hierzu könnt Ihr die Methode in etwas abgewandelter Form auch im Morgenkreis integrieren. Dann sucht sich ein Kind sich ein Smiley aus der Schmuckdose aus und macht den entsprechenden Gefühlsausdruck mimisch. Die anderen werden dann eingeladen:

  • den Gesichtsausdruck nachzumachen.
  • zu beschreiben, was sie sehen
  • das Gefühl, was in Ihnen hochkommt, zu benennen
  • uvm.
Die Weiterentwicklung einer Spielidee

Um mit mehreren Kindern noch intensiver in das jeweilige Gefühl einzutauchen, die verschiedenen Gefühle zu verdeutlichen und Worte dafür zu finden, habe ich schließlich die Gefühlsuhren entwickelt.

Hierbei handelt es sich um mehrere runde Scheiben aus dicker Pappe, die am Kreisrand mit den gleichen Smileys wie in der Dose beklebt sind und mit einem drehbarem Zeiger, der in der Mitte durch eine Musterklammer in der fixiert wird, und so wie eine Uhr aussehen. (s. Fotos) Achtung: Der Zeiger darf nicht zu lang sein, sonst verdeckt er die Mimik des Smileys.

Jedes Kind bekommt es eine solche Uhr im Morgen- bzw. Spielkreis. Die Gefühluhren können dann unterschiedlich eingesetzt werden: z.B.

  • als Gefühlsbarometer: auf die Frage hin „Wie fühlst Du Dich heute?“ stellt jedes Kind seine aktuelle Befindlichkeit auf der Uhr ein und so seht Ihr, wie es den einzelnen Kindern gerade geht.
  • als Kombination von Schmuckdose und Gefühlsuhren: Ein Kind bekommt die Schmuckdose und alle anderen jeweils eine Uhr. Das Kind mit der Schmuckdose zieht einen Smiley und versucht, den Ausdruck nachzumachen. Zur Selbstkontrolle sollte unbedingt ein Spiegel zur Verfügung stehen. Mit diesem Gesichtsausdruck schaut das Kind dann in die Runde und alle andern stellen ihren Zeiger auf den Smiley, den sie zu erkennen glauben. Wenn alle fertig sind, werden die auf den Uhren markierten Smileys verglichen. Dann entsteht automatisch ein Austausch und es kann vorkommen, dass ein Kind feststellt: „Dein Gesicht sieht aber anders aus. Deine Augenbrauen sind anders. Deine Mundwinkel sind nicht unten.“ usw.

Daraus entsteht oftmals ein gemeinsames Ausprobieren und Experimentieren. Diese Übung ist dadurch nicht nur ein Türöffner, um mit den Kindern über Gefühle ins Gespräch zu kommen, die Kinder werden auch sensibilisiert, genau hinzuschauen und Körpersignale zu deuten.

Ein Dino zeigt Gefühle

Eine zusätzliche, erweiterte Variante für die Uhren wäre die Verwendung von Figuren, die dazu einladen neben den Gesichtsausdrücken auch die Körperhaltung miteinzubeziehen. Hier greife ich gerne auf die Bilder der Geschichte: „Ein Dino zeigt Gefühle“ von Christa Manske und Heike Löffel zurück.

Erfahrungsgemäß entwickeln die Kinder noch ganz viele weitere Variationen mit diesen Materialien.

Ich wünsche euch ganz viel Spaß bei der Umsetzung

Mareike Paic

Kontaktdaten:

Mareice Paic, Sternstunden-Seminare, www.sternstunden-seminare

Buch-Tipps:

Ein Dino zeigt Gefühle, Christa Manske und Heike Löffel, mebes & noack Verlag, ISBN 987-3927796423
Ein Dino zeigt Gefühle „Die Box“ Memo/Lotto Bildkarten Christa Manske und Heike Löffel, mebes & noack Verlag,

Anja Cantzler, Mein Körper, Hase und Igel https://www.hase-und-igel.de/buch/mein-koerper-9783867608589

Anja Cantzler, Meine Sinne, Hase und Igel, https://www.hase-und-igel.de/buch/meine-sinne-9783867608794

„Heute bin ich…“ – Die Entwicklung der Emotionalen Kompetenz

Die Entwicklung der emotionalen Kompetenz ist eine der zentralen Entwicklungs-aufgaben von Kindern im Alter von 0 – 6 Jahren. Die Kinder lernen in diesen Lebensabschnitt ihre eigene Gefühle auszudrücken und zu verstehen, sie anderen zu erklären, negative Gefühle zu bewältigen, Empathie und Einfühlungsvermögen zu entwickeln und die Gefühle anderer richtig zu deuten. All dies muss ein Kind erst lernen, um kompetent mit den eigenen und den fremden Gefühlen umgehen zu können. Ein Mensch der über emotionale Kompetenzen verfügt, hat in der Regel ein gesundes Selbstbewusstsein, kann mit Frust und Niederlagen umgehen und besitzt die Fähigkeit Beziehungen und Bindungen einzugehen.

Die 5 Stufen der Entwicklung

Die emotionale Kompetenz entwickelt sich in 5 Stufen:

  1. Stufe: Der Emotionsausdruck beinhaltet die Fähigkeit des Kindes, die eigenen Gefühle verbal und non-verbal zu zeigen.
  2. Stufe: Das Emotionswissen/ -verständnis umfasst die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und die der anderen wahrnehmen und interpretieren zu können.
  3. Stufe: Die Emotionsregulation ist die Fähigkeit, mit den eigenen Gefühlen situationsangemessen und konstruktiv umzugehen.
  4. Stufe: Die Empathie meint die Fähigkeit, sich in die Gefühle des Gegenübers hineinversetzen und darauf angemessen reagieren zu können.
  5. Stufe: Die emotionale Kompetenz fasst alle benötigten Fähigkeiten zusammen, um mit den eigenen Gefühlen und denen der anderen angemessen umgehen zu können.
Fördermöglichkeiten

In der täglichen Praxis mit den Kindern spielt Ihr als pädagogische Fachkräfte eine wichtige Rolle, damit Kinder ihre emotionalen Kompetenzen entwickeln und entfalten können. Dazu bieten sich Euch viele Möglichkeiten:

  • lasst die Kinder im Alltag an Euren positiven und negativen Gefühlen teilhaben, dadurch können sie an Eurem Vorbild und Modell lernen
  • sprecht mit den Kindern über die verschiedensten Gefühle
  • nehmt die Gefühle der Kinder immer ernst
  • gebt den Kindern Raum, Angst, Wut und Trauer genauso auszuleben wie Freude
  • vermeidet Gefühle herunterzuspielen oder zu verharmlosen
  • setzt ein Kind nicht unter Druck, wenn es mit seinen eigenen Gefühlen überfordert ist
  • unterstützt die Kinder, Strategien zu entwickeln, um mit verschiedenen Gefühlen umgehen zu können
  • gebt Anregungen zur Gefühlswahrnehmung mit Hilfe von Büchern, Spielen zur Körper- und Sinneswahrnehmung, Spiegeln, Bildkarten, Piktogrammen etc.
  • ermöglicht den Kindern das freie Spiel mit Gleichaltrigen, damit sie sich aktiv mit der Befindlichkeit ihrer Spielpartner auseinandersetzen können und sie so lernen, sich in andere hineinzuversetzen.
Befindlichkeit der Kinder wahrnehmen und beachten

Aufgrund der Situation in den letzten Wochen und Monaten sind viele Kinder einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt: Freude, Angst, Wut und Trauer sind tägliche Begleiter. Zuhause bleiben zu müssen und nicht in die Kita zu dürfen, wird von den Kindern ganz unterschiedlich erlebt und wahrgenommen. Abhängig von der jeweiligen Lebens- und Arbeitssituation reagieren die Erwachsenen um sie herum ganz unterschiedlich. Für Euch wird es daher in den nächsten Wochen wichtig, genau hinzuschauen, wie es den Kindern geht. Auch wenn die Kinder zunächst freudig wiederkommen und fröhlich mit den anderen Kindern spielen, lasst Euch nicht täuschen, das ein oder andere Kind wird erst später über die Angst, die Wut oder über die Trauer reden können. Also bleibt am Ball. Neben den Fragen: „Was habt Ihr in den letzten Wochen gemacht?“ , „Was habt Ihr am meisten vermisst?“ und „Worauf freut Ihr Euch am meisten?“, solltet Ihr folgende Fragen stellen:

  • „Wie habt Ihr Euch in den letzten Wochen gefühlt?“
  • „Was hat Euch Angst gemacht?“
  • „Wart Ihr manchmal auch traurig oder wütend“
  • „Worüber habt Ihr Euch am meisten gefreut?“

Haltet in diesem Moment einmal kurz inne, horcht in Euch hinein und stellt Euch selbst diese Fragen: „Wie habt Ihr Euch in den letzten Wochen gefühlt?“, „Wie fühlt Ihr Euch gerade in diesem Moment?“, „Auf welche Strategien und Ressourcen konntet bzw. könnt Ihr in diesen herausfordernden Zeiten zurückgreifen?“, „Wo könnt Ihr Euch Unterstützung holen, wenn Ihr diese braucht?“

Ein Unterstützungsangebot biete ich Euch wieder am kommenden Mittwoch. Ich würde mich freuen, Euch wieder beim Zoom-Erfahrungsaustausch für Pädagogische Fachkräfte begrüßen zu können. (Nähere Infos s. unten)

Bis dahin alles Gute

Eure Anja

Erfahrungsaustausch für Fachkräfte über Zoom

Am Mittwoch, den 20.05.2020, von 14.30 – 16.30 Uhr treffen wir uns zu einem live Zoom Meeting zum Thema: (Wieder-)Ankommen in der Gruppe unter veränderten Rahmenbedingungen, Reaktionen der Kinder, Corona thematisieren – ja oder nein?

Anmeldung bis zum 20.05.2020 um 12.00 Uhr

per Email: anjacantzler@t-online.de

oder über das Kontaktformular mit dem Stichwort „Erfahrungsaustausch Fachkräfte“

Nach der Anmeldung schicke ich Euch die Zugangsdaten, damit Ihr Euch in das Meeting einloggen könnt.

Weitere Angebote unter:

und

„Wie lange dauert traurig sein?“ – Interview über Abschied, Tod und Trauer (1)

In meinem Blogbeitrag „Übergänge gestalten – (Wieder)Ankommen in der Kita“ habe ich darüber geschrieben, dass Eure Kinder nach so langer Zeit mit den unterschiedlichsten Befindlichkeiten und Stimmungen z.B. Freude, Angst, Wut oder Trauer in die Kita zurückkehren. Eure Krippen und Kita-Kinder befinden sich altersentsprechend mitten in ihrer sozial-emotionalen Entwicklung. Alles was sie in dieser Phase erleben, wirkt auf ihre Persönlichkeitsentwicklung. Emotionssausdruck, Emotionswissen und Emotionsregulierung sind die zentralen Lern- und Entwicklungsaufgaben. Die Kinder brauchen gerade in dieser Phase eine feinfühlige Begleitung durch Erwachsene, die den unterschiedlichen Emotionen Raum geben und den Kindern zuhören.

Am liebsten würden viele von Euch die unangenehmen Gefühle und Erinnerungen, die mit den zurückliegenden Wochen verknüpft sind, hinter sich lassen und mit den Kindern eine schöne Zeit verbringen. Das ist durchaus richtig und wichtig. Schaut trotzdem genau hin, welches Kind in den nächsten Tagen und Wochen starke Erwachsene braucht, die diesen unangenehmen Gefühlen genauso viel Stellenwert einräumen wie den angenehmen Gefühlen. Gebt ihnen dadurch das Gefühl, dass auch diese Emotionen sein dürfen.

Ich möchte hier in diesem Blog, Gefühlen wie Trauer, Angst und Wut ganz bewusst Beachtung schenken. Daher freue ich mich, Euch diese Woche an einem Interview mit Vanessa Pivit (V.P.), die als Erzieherin und Trauerbegleiterin arbeitet, teilhaben zu lassen.

Das Interview

A.C.: Du bist Erzieherin und Trauerbegleiterin. Wie bist Du zu dieser Kombination der Professionen gekommen?

V.P.: Ich bin seit 1994 mit Leib und Seele Erzieherin. Ich wusste seit meiner Kindheit, dass ich mit Kindern arbeiten möchte und bis heute liebe ich diese Arbeit. Aufgrund verschiedener persönlicher und emotionaler Erfahrungen merkte ich 2014, dass ich etwas in meinem Leben verändern möchte. Ein Prospekt vom Ambulanten Hospiz und Palliativdienst brachte mich auf einen neuen Weg. Ich begann eine Weiterbildung zur Sterbebegleiterin. Menschen auf dem letzten Weg zu begleiten, sprach mich sofort im Herzen an. Es war eine große Herausforderung und Bereicherung zugleich, schon alleine dadurch, dass ich mich sehr viel mit mir selbst und meiner Lebensgeschichte auseinandersetzte. Leider merkte ich schon bei der ersten Begleitung, dass ich für diese Aufgabe nicht die richtige Person bin. Nach 10 Minuten auf der Intensivstation erlitt ich einen Kreislaufkollaps und bündelte die Zuwendung der Ärzte und Pflegerinnen auf meine Person. Dies sollte für meinen Geschmack eine einmalige Erfahrung bleiben. Meine „Ausbilderin“ empfahl mir daraufhin, mich als Trauerbegleiterin weiterzubilden. So begann ich meine Weiterbildung zur Trauerbegleiterin für Kinder und Jugendliche bei der Akademie des Kinder- und Jugendhospizes Olpe. Trotz der Widerstände in meinem persönlichen Umfeld bin ich diesen Weg weitergegangen und das hat viel bzgl. meiner Haltung und meines Handelns verändert.Neben meiner Vollzeitstelle im Kindergarten fuhr ich an 8 Wochenenden nach Olpe in ein Kloster. Der Kontakt mit den anderen Teilnehmer*innen war sehr intensiv und emotional. Eine anstrengendeund sehr bereichernde Zeit.

A.C.: Wie verstehst Du Deine Rolle als Trauerbegleiterin?

V.P.: Die Trauerbegleitung ist ein sensibler Bereich, der einem „liegen“ muss. Empathie für das Gegenüber und das Annehmen seiner Situation zählt zu den Grundwerten. In Trauerzeiten sind wir mitunter in einer anderen Verfassung als üblich. Als Trauerbegleiterin musste ich lernen mich abzugrenzen. Das war und ist für mich nicht immer ganz leicht, Empathie und Mitgefühl nur bis zu einem gewissen Grad zu zeigen. Das ist ein langer und andauernder Lernprozess. Als Trauerbegleiterin habe ich die Aufgabe, den Menschen in seinem Trauerprozess als neutrale Frau zur Seite zu stehen. Ihn in seiner Trauer anzunehmen, auszuhalten und Möglichkeiten der Verarbeitung auf dem Trauerweg zu geben. Es geht um die Erkenntnis und Annahme, dass es dazugehört, ein Leben lang um einen Verstorbenen zu trauern. Der Trauernde kommt schrittweise zu der Erkenntnis, dass das, was sich dabei verändern wird, die Intensität der Traurigkeit ist. Deshalb verstehe ich mich in erster Linie als Begleiterin. Es geht nicht darum, die Trauer zu bewältigen, sondern es geht darum, andere Wege zu finden, um dem Verstorbenen einen neuen Platz im Leben der Hinterbliebenen zu geben. Das ist ein großer Unterschied.

A.C.: Während meiner Zeit als Pädagogische Fachkraft und Leitung in der Kita habe ich die Erfahrung gemacht, dass Themen wie Tod und Trauer Tabuthemen in unserer Gesellschaft sind. Viele Erwachsene tun sich selbst schwer darüber zu sprechen. Oftmals sind sie der Meinung, dass Kinder den Tod noch nicht verstehen und vermeiden es die Kinder miteinzubeziehen. Wie erlebst Du das als Erzieherin einerseits und als Trauerbegleiterin andererseits?

V.P.: Als ich mich für die Weiterbildung entschied, traf ich bei Familie, Freunden und Arbeitskollegen oft auf Erstaunen und Befremden. Reaktionen wie: „Wow, so ein schweres Thema. Hut ab.“, begegnete ich häufig. Stimmt, Trauer und Tod sind schwere Themen, wenn wir sie schwer machen. Ich habe diese Reaktionen erst einmal so stehen lassen. Ich entwickelte das Vertrauen, dass sich mein Gegenüber weiter mit den Gedanken beschäftigt. Daraus entwickelten sich oftmals schöne intensive Gespräche über eigene Verluste und Erfahrungen. Dadurch haben sich viele Beziehungen und Freundschaften sehr verändert. Als Erzieherin muss ich sagen, dass seitens der Kita-KollegInnen diesen Themen oftmals weniger Offenheit und Verständnis entgegengebracht wird. Gespräche miteinander oder mit Kinder und Eltern hierzu finden seltener statt. Umgang mit Trauer und Trauerbegleitung haben wenig Raum in der Arbeit. Da empfinde ich das Tabu stärker. In der Zusammenarbeit mit Eltern erlebe ich Interesse und Offenheit gepaart mit der Unsicherheit, wieviel sie ihrem Kind zumuten können. Dazu später noch ein bisschen mehr.

A.C. Ich persönlich durfte das als Kind anders erleben. Meine Eltern haben mich von Anfang an mit zu Beerdigungen genommen. Sie haben mir sehr offen vorgelebt, mit Tod und auch der damit verbundenen Trauer umzugehen. Du arbeitest in Deiner Profession als Trauerbegleiterin mit unterschiedlichsten Familien zusammen. Warum ist es aus Deiner Sicht wichtig, dass mit Kindern Tod und Trauer angesprochen und bearbeitet werden?

V.P.: Der Tod gehört zum Leben dazu. Kinder sind von Natur aus neugierig und wissbegierig. Sie erleben fast täglich Trauersituationen. Sie sehen den toten Vogel, die überfahrene Katze am Straßenrand. Sie wollen wissen, was passiert ist und was mit dem toten Tier weiter geschieht. Wo kommt es hin, wo lebt es weiter… Die englische Hilfsorganisation „Winstons Wish“ hat eine Charta für trauernde Kinder und Jugendliche entwickelt. Dort wird in 10 Punkten aufgelistet, dass Kinder u.a. das Recht auf eine kindgerechte, angemessene Information haben und in Entscheidungen mit einbezogen werden sollten. Ein weiteres Recht, das ihnen zugestanden wird, besteht darin, ihre Geschichte erzählen und ihre Gefühle ausleben zu dürfen.

Die Praxis erlebe ich persönlich stellenweise anders. Kindern wird seltener die Möglichkeit gegeben, selbst zu entscheiden, ob sie z.B. den Verstorbenen noch einmal sehen oder mit zur Beerdigung gehen möchten. Oftmals erhalten sie nicht einmal die Gelegenheit, ihre Fragen stellen zu können. Das passiert in der Regel aus bester Absicht. Eltern wollen Kinder beschützen. Erwachsene meinen irrtümlicherweise, dass Kinder das Geschehene nicht mitbekommen. Aber Kinder spüren, wenn etwas nicht dem „Normalablauf“ entspricht. Kinder brauchen diese wichtigen Erfahrungen, den Umgang mit schwierigen Situationen zu erlernen, und die kindgerechte Begleitung dabei. Sie müssen lernen mit dem Geschehenen und den damit verbundenen Gefühlen umzugehen. Vermutlich wird das Kind durchaus verunsichert reagieren, weinen und sich vielleicht auch vorübergehend mit Rückzug oder Aggression verhalten. All das gehört dazu und ist völlig normal. Es geht uns Erwachsenen doch ganz ähnlich bei unbekannten Ereignissen. Und da spreche ich nicht mal vom Tod. Ungewohntes und Neues braucht seine Zeit, um seinen Platz in unserem Inneren zu bekommen. Abschied nehmen von etwas Vertrautem und Liebgewonnen fällt schwer. Die Erwachsenen sind auf diesem Weg wichtige Vorbilder und Begleiter für die Kinder.

A.C.: Wie erleben Kinder im Alter von 0-6 Jahren den Tod? Wie gehen sie damit um?

V.P.: Jedes Kind sollte in seinem eigenen kognitiven und sozial emotionalen Entwicklungsstand gesehen werden und behandelt werden. Jedes Kind hat eine andere Herangehensweise an die jeweilige Situation. Das eine Kind stürmt gleich neugierig und interessiert drauf los und das nächste Kind braucht mehr Begleitung und Erklärung. So erleben auch Kinder den Tod sehr unterschiedlich. Schon in einem Alter von 6 Monaten können Kinder ein verändertes Verhalten an ihren Eltern wahrnehmen und in ihrem eigenen Verhalten spiegeln. Das Bindungsverhältnis ist stark beeinflusst von den Emotionen, die die Eltern aussenden. Vom 6. – 18. Lebensmonat verstehen Kinder erste Ansätze von Trauer, wenn jemand nicht wieder kommt. Sie sehen den Tod jedoch noch als etwas Vorübergehendes an. Sie haben noch keine Vorstellung von der Endlichkeit. Die Person ist weg, sie erwarten deren Wiederkommen. Zwischen 3 bis 5 Jahren kann man mit Kindern bereits über den Tod und dessen Bedeutung sprechen. Die Dauerhaftigkeit des Todeseins erahnen sie aber erst ab 6 Jahren. Sie beginnen dann zu verstehen, dass der Verstorbene nicht mehr wiederkommen wird. Ab 9 Jahren bis zum 12. Lebensjahr verstehen Kinder die Realität des Todes und entwickeln ein normales Interesse an den biologischen Aspekten des Todes. Sie erfragen Einzelheiten zum Sterben, Tod sein und zur Beerdigung. 13- jährige entwickeln schließlich eine ähnliche Denkweise und Vorstellung wie der Erwachsene. Während der Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, nur soweit auf Fragen zu antworten, die die Kinder konkret stellen. Kinder und Jugendliche kennen unbewusst ihre eigenen Grenzen. Sie fragen in der Regel nur so viel, wie sie verarbeiten können. Sie brauchen die Chance auf ihre Art und Weise zu trauern und ihre Gefühle entsprechend zeigen zu können. Unterdrückte Trauer macht einsam und hilflos. Daraus können Verlustängste, Wut, Schuldgefühle, verändertes Sozialverhalten, Trennungsängste etc. entstehen. Daher braucht das Kind einfühlsame und feinfühlige Erwachsene, die es in seiner Befindlichkeit begleiten können.

Wenn mich beispielsweise die Tochter einer Freundin anschreibt und fragt, ob es nach 2 Jahren ohne den geliebten Opa in Ordnung ist, dass sie ihn vermisst und auch manchmal weint, dann weiß ich, dass die Eltern vieles richtig gemacht haben. Sie haben ihr Kind wahr und ernst genommen, um es gut begleiten.

A.C.: Wie zeigen Krippen- und Kindergartenkinder ihre Trauer? Was unterscheidet das kindliche Verhalten von dem des Erwachsenen?

V.P.: Wie eben schon erwähnt, leben Kinder ihr Leben neugierig, offen und spontan. Ganzheitlich und gefühlsbetont. Fähigkeiten, die bei Erwachsenen über die Jahre oftmals verloren gegangen sind. Kinder stellen ihre Fragen, weil die Fragen für sie in diesem Moment wichtig sind und sie JETZT eine Antwort haben möchten. Kinder orientieren sich an den Erwachsenen und „lesen“ in Ihnen wie in einem Buch. Sie spüren auch, ob sie ehrliche Antworten bekommen oder ob etwas vor ihnen verheimlicht wird. Trauer ist ein wichtiger und notwendiger Zwischenschritt der Heilung und Verarbeitung des Geschehenen. Trauer heißt, von Gefühlen gepackt, traurig und verzweifelt zu sein, die gemeinsame Zeit mit dem Verstorbenen in Gedanken passieren zu lassen und langsam ein Leben ohne ihn zu gestalten. Durch den schmerzlichen Prozess lösen wir uns von der alten Lebenssituation und finden neue Wege und Möglichkeiten. Kinder stellen manchmal Fragen, mit denen wir nicht rechnen. Sie switchen dann auch schnell wieder um. Wenn wir denken, sie waren gerade noch beim Verlust, sind sie im nächsten Moment schon bei einem ganz anderen Thema. Ja, so ist Kindertrauer. Schnelllebig, sprunghaft und gut. Kinder gehen da mit dem ihnen eigenen kindlichem Humor dran und das sollten wir auch in angemessener Art und Weise mit ihnen tun. In der Trauer sollte auch der Humor einen wichtigen Platz haben. Es ist einfach schön, wenn man über eine Anekdote und eine gemeinsame Erinnerung lachen kann, nicht wahr? (Ende des 1. Teils)

Humor als Schlüssel

Letzterem kann ich nur beipflichten. Auch in der Trauer geht vieles mit Humor leichter. Und wie mein Coaching – Ausbilder Heinrich Fallner immer sagt: „Tiefe muss nicht schwer sein.“

Ich freue mich schon auf den 2. Teil des Interviews mit Vanessa, der morgen erscheint. Darin erfahrt ihr, wie Ihr als pädagogische Fachkräfte trauernde Kinder und ihre Familien unterstützen könnt.

Bis morgen

Eure Anja

Links: (zur Vertiefung)
https://www.ecosia.org/search?q=charta+Winstons+Wish&addon=firefox&addonversion=4.0.4
Linksammlung zu Winstons Wish

https://www.familienhandbuch.de/familie-leben/schwierige-zeiten/tod-trauer/hilfreicheunterstuetzungfuertrauerndekinder.php

Kontaktdaten von Vanessa Pivit – Trauerbegleiterin

trauerbegleitung-pivit@t-online.de / Tel.: 0160 – 947 43 683