Trauer und Tod sind Themen, womit sich bereits kleine Kinder beschäftigen. Wie bereits in den vorausgegangenen Interviews herausgestellt, sind viele Erwachsene mit den Fragen und den Reaktionen der Kinder überfordert oder trauen sich aus Unsicherheit nicht, das Thema mit Kindern zu bearbeiten. Wenn Kinder trauern, brauchen sie eine liebevolle Begleitung durch einfühlsame Erwachsene. In der Trauerbegleitung gibt es verschiedene Möglichkeiten und Methoden, das trauernde Kind und seine Familie zu unterstützen. Eine davon ist der sog. Trauerkoffer.

Was ist ein Trauerkoffer?

Mit einem Trauerkoffer kann das Thema Tod, Trauer und Verlust spielerisch mit den Kindern erarbeitet werden kann. Dabei handelt es sich um einen Koffer, der mit verschiedenen Materialien bestückt ist, die bewusst im Vorfeld passend zur jeweiligen Situation zusammengestellt wurden. Dieser Koffer kann zum einen in der konkreten Arbeit pädagogischen Fachkräfte in der Kita eingesetzt werden oder von der Kita für die trauernden Familien zur Verfügung gestellt werden. Der Koffer bietet für Kinder und/oder Familien eine Möglichkeit, sich mit dem Verlust sichtbar und begreifbar auseinanderzusetzen, wenn sie dazu bereit sind.

Was kann mit einem Trauerkoffer bewirkt werden?

Er kann von Erwachsenen als Unterstützung genutzt werden, um mit Kindern Situationen aufzuarbeiten, die von Trauer, Verlust und Abschiednehmen geprägt sind. Das kann in konkreten Situationen geschehen, die die Kinder im familiären Umfeld erleben oder die sich spontan daraus ergeben, wenn die Kinder tote Tiere auf dem Kitagelände finden und ihre Fragen dazu äußern.

Mit Hilfe des Koffers vermittelt der Erwachsene dem Kind, dass der Tod etwas ganz Natürliches ist und dass der damit verbundene Verlust von einem Angehörigen, Freund oder auch Haustier sehr schmerzlich ist. Das Kind erfährt, dass sich die Traurigkeit mit der Zeit verändert ändert, dass es wieder fröhlich sein darf und sich schließlich gerne an den Verstorbenen erinnert.

In welchem Rahmen kann der Trauerkoffer eingesetzt werden?

Ein Trauerkoffer kann in einer konkreten Einzelsituation mit einem Kind oder mit einer Kindergruppe in der Kita vor Ort zur allgemeinen Thematisierung von Trauer und Tod genutzt werde. Bei einem konkreten Todesfall könnte dieser Koffer auch an die jeweilige Familie weiter gegeben werden. Eine weitere Option wäre, einen Elternabend zu und mit dem Koffer anzubieten. Ein offener Austausch nimmt Eltern evtl. Ängste und das Tabuthema bricht ein Stück weiter auf.

Was ist in einem Trauerkoffer drin?

Je nach Situation, Thema und Alter des Kinder kann folgendes in diesem Koffer sein: Bilderbücher, Materialien wie Tücher, Lichterketten, Gefühlskarten, Stofftier oder Handpuppe, Tonpapier, Kerzen, Steine, Kissen und Blumensamen etc. Dazu gibt es ein Begleitheft mit Impulsen und Anregungen für Umgang mit den Materialien und ein persönliches Gespräch mit der Familie, wenn der Koffer an die Familie ausgeliehen wird.

Wie können die verschiedenen Materialien eingesetzt werden?

Die vielfältigen Materialien im Koffer können je nach Situation unterschiedlich eingesetzt werden. Fällt es einem Kind schwer über den Verlust zu sprechen, kann beispielsweise eine Handpuppe die Brücke zum Kind bauen. Die Handpuppe stellt dann beispielsweise folgende Frage an das Kind: „Möchtest du vielleicht ein Bild malen und es beim nächsten Besuch auf dem Friedhof mitnehmen?“, um so den Trauerprozess in Gang zu bringen. Gefühlskarten ermöglichen einen Einstieg, um für die Gefühle Worte kennenzulernen und diese somit benennen zu können. Aus dem Tonpapier kann eine Blume mit verschiedenen Blütenblättern gebastelt werden. Jedes Blatt hat die Form einer Träne, worauf die Kinder malen, was sie traurig macht. Jedes Kind sucht sich eine Kerze aus, die es in Gedenken an einen Verstorbenen entzünden darf. Im Allgemeinen haben Kerzen eine sehr lange Tradition. Die Flamme gibt Geborgenheit, sie spendet ein besonderes sanftes Licht, das eine gemütliche, aber auch gleichzeitig festliche Stimmung erzeugen kann. Auch in der Trauerarbeit ist die Kerze ein wichtiges, tröstliches und nicht wegzudenkendes Element. Sie symbolisiert, dass das Licht der Seele des verstorbenen Menschen immer noch leuchtet, und dass er dadurch unvergessen bleibt. So wird durch das Anzünden der Kerze eine magische und besondere Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten geschaffen, die für die trauernden Menschen sehr tröstlich ist. Traditionell werden an bestimmten Tagen besondere Kerzen angezündet. Grablichter z.B. sollen zeigen, dass an diesen Tagen ganz besonders an den Verstorbenen gedacht wird. Eine gute Möglichkeit ist es daher, Kindern die Gelegenheit zu geben, eine eigene Kerze zu gestalten und diese am Tag der Beerdigung oder zu einem späteren Zeitpunkt aufzustellen. Auch Zuhause kann die brennende Kerze der Familie oder dem Kind einen Raum für die Trauer eröffnen. Eine weitere Idee im Falle eines plötzlichen und unerwarteten Todesfalls ist das Abbrennen von Wunderkerzen am Grab, die das abrupte Ende versinnbildlichen.

Grundsätzlich lieben Kinder, Koffer in denen sie stöbern und eintauchen dürfen. Das regt ihre Phantasie und Kreativität an. Die Materialien werden sie dazu anregen eigene Ideen und Impulse zu entwickeln, wenn sie hierfür die Gelegenheit bekommen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Für den fünfjährigen Tom war es ein schwerer Schlag, als sein Opa starb. Die Beziehung der beiden war sehr eng und intensiv. Zunächst wollte der Junge kaum über den Tod gesprochen.sprechen. Mittlerweile hat sich das völlig verändert und Tom nutzt gerne das Angebot der Pädagogischen Fachkräfte zur Trauerverarbeitung. Er nimmt mit ein paar Kindern aus seiner Kitagruppe an einer Gesprächsrunde teil, bei der der Trauerkoffer eingesetzt wird. Tom, die Kinder und die Pädagogischen Fachkräfte sitzen im Kreis in der Mitte brennt eine Kerze und der Koffer steht geöffnet an der Seite. Jedes Kind nimmt nacheinander einen Stein aus dem Koffer und berichtet, wie es ihm heute geht. Tom beteiligt sich aktiv am Gespräch und man merkt, wie es ihn erleichtert, seine Gefühle mit den anderen teilen zu können.

Was gilt es zu beachten?

Empfehlenswert ist es für Teams, schon vor Auftreten des ersten Todesfalls, Verlustes und Abschieds, sich mit dem Themen „Tod und Trauer“ zu beschäftigen und ein Konzept hierzu zu entwickeln. Das Thema an sich erfordert viel Mut von den pädagogischen Mitarbeiter*innen. Es ist wichtig zu wissen, dass dieses Thema immer ganz viel in uns selbst auslösen kann und unsere eigene Geschichte hier eine wichtige Rolle spielt. Die Kinder werden den Erwachsenen nach seiner Meinung und seinen Erfahrungen fragen. Die Arbeit mit dem Koffer erfordert daher eine ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst, um eine bewusste und authentischen Haltung entwickeln zu können. Wer bei dieser biografischen Selbstreflexion erkennt, dass es ihm schwer fällt, das Thema mit Kindern und Familien zu bearbeiten, sollte dies in Absprache anderen Kolleg*innen überlassen. Das hat nichts mit „Drücken vor der Arbeit“ zu tun. Es ist gelebte Authentizität. Bei der Arbeit mit den Kindern und Familien ist immer das Prinzip der Freiwilligkeit zu wahren. Das bedeutet, dass jede*r kann etwas sagen und sich beteiligen aber niemand muss. Selbstverständlich unterliegt diese Arbeit der Schweigepflicht wie jede andere persönliche Information, die Kinder und Familien mit den Pädagogischen Fachkräften teilen, auch. Wichtig ist auch der wertschätzende und achtsame Umgang mit den Gefühlen und Befindlichkeiten der Kinder und Familien. Das bedeutet, den Gefühlen Raum zu geben, wenn die Kinder es brauchen und sich wieder abwartend zurück zu ziehen, wenn das Kind signalisiert: „Halt Stopp, für jetzt reicht es mir.“

Schenkt den Kindern Euer Vertrauen im Umgang mit ihren Gefühlen und bleibt aufmerksam für die Signale der Kinder.

Ein Gastbeitrag von Vanessa Pivit, Erzieherin und Trauerbegleiterin

Bücherlisten zum Download

www.trauerbegleitung-pivit.de

trauerbegleitung-pivit@t-online.de / Tel.: 0160 – 947 43 683