von Anja Cantzler | 10.01.2023 | Podcast
Was ist Resilienz und was hat Achtsamkeit mit Resilienzförderung zu tun?
Warum ist Resilienz so wichtig für Kinder?
Wie kann ich die Resilienzentwicklung bei Kindern bereits im Kindergarten unterstützen?
All das sind Themen mit denen ich mich mit Marion Tönges in diesem KitaTalk beschäftige.
Außerdem erfährst du näheres über das Projekt „Affenstill“- ein Projekt für mehr Achtsamkeit und Resilienz von Anfang an.
Du kannst Marion Tönges über Instagram folgen, um mehr über sie und Tun zu erfahren:
https://www.mt-mentoring.de
Vielen Dank an Roland Kah für die hier verwendete Musik: Happy Intro https://ronaldkah.de
von Anja Cantzler | 10.01.2023 | Biografiearbeit
Als pädagogische Fachkraft hast du eine wichtige Verantwortung: Du begleitest Kinder in ihrer Entwicklung, bestärkst sie in ihrem Sein und unterstützt sie, sich selbst zu entdecken. Doch wie kannst du dich selbst darauf vorbereiten, diese Aufgabe erfolgreich zu meistern? Eine Möglichkeit dazu bietet die biografische Selbstreflexion, mit der ich mich schon seit vielen Jahren beschäftige. Diese Auseinandersetzung mit mir selbst, begann aufgrund einer schweren Erkrankung vor über 20 Jahren, die ich in Begleitung einer Therapeutin zu verarbeiten suchte. Schon sehr schnell bemerkte ich, dass diese Form der Bearbeitung meiner biografischen Erlebnisse und Erfahrungen dazu führte, dass ich mich selbst besser verstehen und annehmen lernte. Die anschließenden systemischen Ausbildungen zur Coachin und Supervisorin vertieften dieses Erleben. Hier machte ich die Erfahrung, dass es nicht immer eine Therapie sein muss, um sich mit der eigenen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen oder um herauszufinden wer ich bin, was ich kann und wohin ich will.
Was genau ist biografische Selbstreflexion?
Unter biografischer Selbstreflexion versteht man die systematische Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte. Dabei geht es darum, die eigenen Erlebnisse, Gefühle und Einsichten zu reflektieren und sich bewusst damit auseinanderzusetzen. Die biografische Selbstreflexion kann dabei auf verschiedene Arten stattfinden, zum Beispiel durch das biografische Schreiben oder durch Gespräche mit anderen Menschen.
Warum ist biografische Selbstreflexion für pädagogische Fachkräfte wichtig?
Biografische Selbstreflexion kann für pädagogische Fachkräfte auf viele Arten von Nutzen sein. Zum einen kann sie dazu beitragen, die eigene Identität und die eigenen Werte besser zu verstehen und zu stärken. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn wir uns in schwierigen Situationen befinden oder uns unsicher sind, wie wir am besten handeln sollen.
Zum anderen kann biografische Selbstreflexion dazu beitragen, die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen. Dies ist wiederum von Vorteil, wenn wir uns beruflich neu orientieren oder uns für eine neue Stelle bewerben möchten. Indem wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was uns in der Vergangenheit besonders gut gelungen ist und wo wir noch Verbesserungspotential haben, können wir uns gezielt weiterentwickeln und uns auf die Zukunft vorbereiten.
Biografische Selbstreflexion als Werkzeug zur Standortbestimmung
Neben der Klärung der eigenen Werte und Stärken kann biografische Selbstreflexion auch dazu
beitragen, uns bei der Standortbestimmung zu unterstützen. Indem wir uns bewusst mit unseren bisherigen beruflichen Erfahrungen und Erlebnissen auseinandersetzen, können wir besser verstehen, welche Art von Arbeit uns wirklich erfüllt und welche nicht. Auf diese Weise können wir uns gezielt auf Stellen bewerben, die zu uns und unseren Werten, Interessen und Vostellungen passen.
Biografische Selbstreflexion als Möglichkeit, die eigene Entwicklung zu unterstützen
Nicht zuletzt kann biografische Selbstreflexion auch dazu beitragen, unsere eigene berufliche Entwicklung zu unterstützen. Indem wir uns bewusst mit unseren bisherigen Erfahrungen und Erlebnissen auseinandersetzen, können wir besser verstehen, welche Art von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten wir in der Vergangenheit wahrgenommen haben und welche wir in Zukunft noch nutzen möchten. Auf diese Weise können wir unsere Karriere gezielt gestalten und uns auf die Zukunft vorbereiten.
Wie findet das im Einzelnen statt?
Durch die Auseinandersetzung mit deiner eigenen Lebensgeschichte weckst du Erinnerungen und damit verbundene Gefühle – dies kann für dich sowohl zur Aufarbeitung und Versöhnung führen als auch ein wiederentdeckter Quell der persönlichen Freude sein. Du bist das Ergebnis deiner Vergangenheit, unabhängig davon ob sie nun positiv oder negativ war. Wenn du sie annimmst, kannst du fühlen, wer du bist!
Indem du dich mit deinem Leben auseinandersetzt, erkennst du deine eigenen Stärken und Ressourcen und kannst sie in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern, Eltern und Kolleg*innen bewusst und möglichst entwicklungsförderlich einsetzen. Nur, wenn du dich selbst kennst und weißt, was für Ressourcen und Kompetenzen in dir schlummern, kannst du das authentisch und stimmig in deine pädagogische Tätigkeit einbringen.
Manchmal verstehen wir erst durch den Blick in unsere Vergangenheit warum Dinge geschehen. Nicht selten wird dann deutlich, dass auch vermeintlich „schlechte“ Erfahrungen am Ende etwas Positives in deinem Leben bewirkt haben. Ben Fuhrmann hat hierzu das wunderbare Buch: „Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben“ geschrieben. Sein Fazit besteht darin, dass es nicht wichtig ist, was wir im Einzelnen erlebt haben, sondern unsere Bewertung im Nachhinein ausschlaggebend ist, welche Bedeutung das Erlebte für uns hat. Biografische Selbstreflexion ist ein Weg, der dir hilft, das zu erkennen.
Eine Auseinandersetzung mit deiner eigenen Lebensgeschichte und deinem beruflichen Werdegang führt zur Sinnfindung in deinem Leben. Indem du du vergangene Erfahrungen reflektierst, weißt du viel besser, warum du in bestimmten Situationen auf deine persönliche Art und Weise reagierst. Der „rote Faden“ in deinem Fühlen, Denken und Handeln wird sichtbar und du lernst dich selbst als Person intensiv kennen.
Bist du noch glücklich in deinem Team oder in deinem Beruf?
In letzter Zeit begegne ich zunehmend Leitungs- und Fachkräften, die in einer Sinnkrise stecken. Viele Kolleg*innen sind zwischen 35 und 60 Jahre alt, arbeiten schon viele Jahre mit viel Herz und Engagement in diesem Beruf. Die einen haben schon alles erreicht und sind auf der Suche nach neuen Herausforderungen, andere haben sich so verausgabt und versuchen den drohenden Burnout zu umgehen, wieder andere sind frustriert, weil ihnen Wertschätzung und und Anerkennung fehlt, und dann gibt es die, die ihre beruf lieben, jedoch immerwieder an Grenzen stoßen, weil ihre Vision einer beziehungsstarken, bedürfnisorientierten und gewaltfreien Kindheit bei den Kolleg*innen auf Widerstand stößt.
Findest du dich da gerade wieder? Dann solltest du dich fragen:
- Wie zufrieden bin ich gerade mit mir und meiner beruflichen Situation?
- Sehne ich mich nach einer Veränderung?
- Wie erlebe ich meinen beruflichen Alltag? Sind meine Tätigkeiten für mich noch sinnvoll oder gibt es für mich wichtigere bzw. andere Dinge, zu denen ich aber nicht komme, weil mir die Energie fehlt?
- Ertappe ich mich öfters bei Gedanken wie z.B. „Ich kann so nicht mehr weitermachen“ oder „wann kommt endlich das nächste Wochenende?“
- Habe ich im schlimmsten Fall vielleicht schon körperliche oder psychische Beschwerden, weil mir „alles zuviel“ wird?
- Oder hinterfrage ich ganz einfach „das große Ganze“ und stelle mir öfters mal die Frage nach dem „Sinn“ ?
Schließe nun für einen Moment die Augen, atme tief durch und fühle in dich hinein.
Wie hast du die Fragen im Einzelnen beantwortet und wie geht es dir damit? Fühlt sich das noch stimmig für dich an? Stehst du am Morgen im Normalfall gerne auf und startest gut in den Tag? Oder gibt es etwas, was dich bedrückt und das du vielleicht gerne ändern möchtest? Woher kommt deine aktuelle Unzufriedenheit?
Gehen wir einen Schritt weiter
Lass uns nun einmal ein kleines Experiment machen. Lass vor deinem geistigen Auge eine Sanduhr entstehen, die für dich deine persönlich gefühlte Lebens-Sanduhr darstellt – und damit meine ich nicht deine bereits vorhandenen Lebensjahre. Wie viel von deinem emotionalen Leben hast du nach deinem Empfinden schon gelebt bzw. wie viel Sand ist schon durch die Verengung geronnen? Nimm dir für die Beantwortung dieser Frage Zeit – und spüre in dich hinein.
Wie sieht deine Sanduhr aus? Ist deine Sanduhr im oberen Teil noch ganz voll, weil noch nicht viel Lebenszeit verronnen ist und du noch alle Möglichkeiten hast, dein Leben zu genießen und dich zu verwirklichen? Oder ist bei dir die Hälfte der Zeit schon abgelaufen ist? Oder bestimmt dich das Gefühl haben, dass dir nicht mehr allzu viel Zeit bleibt…
Alleine dich hier einzuordnen gibt dir schon eine gute Auskunft darüber, wo du in gerade stehst. Denke jetzt noch einmal einen Moment darüber nach. Was sagt dir das? Was möchtest du aus deiner verbleibenden Zeit machen? Hast du noch Pläne? Wenn ja, wann willst du damit beginnen, sie zu verwirklichen?
Um dem Ganzen aber noch genauer auf den Grund zu gehen, schau dir bitte nachfolgende Satzanfänge an.
- Bis jetzt habe ich noch nicht …
- Irgendwann will ich unbedingt …
- Mir fehlt derzeit …
- Ich freue mich gerade über …
Was braucht es, um dahin zu kommen, wo du gerne sein möchtest? Und was kannst du selbst dafür tun?
Nicht immer bedeutet das dann, den Beruf ganz an den Nagel zu hängen. Manchmal reicht der Wechsel in ein neues Team, das von den Werten und der Haltung besser zu einem passt. Manchmal sind es kleinere und größere Stellschrauben, die es zu verhandeln gilt wie z.B. die Einführung eines Nachmittags im Home Office für die Leitungskraft, um ungestörte Zeit für das Qualitätsmanagement zu haben.
Und wenn du merkst, dass du dich gerade im Kreis drehst und selbst keine passenden Wege für dich findest, dann wende dich am besten an eine*n Coach*in deines Vertrauens. Oftmals braucht es einfach den Blick und die Begleitung von außen. Auch ich als erfahrene Coachin suche manchmal professionelle Beratung auf, da Selbstcoaching nicht immer zielführend ist. Oder wie mein Mann sagt: „Das kann ja auch nicht funktionieren, schließlich kann man sich ja auch nicht selbst kitzeln.
Ein paar Worte zum Schluss
Biografische Selbstreflexion kann dir als pädagogische Fachkraft auf viele Arten von Nutzen sein. Sie kann dazu beitragen, deine eigene Identität und die eigenen Werte besser zu verstehen und zu stärken, die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen und dich bei der Standortbestimmung und beruflichen Entscheidungsfindung zu unterstützen. Wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was uns in der Vergangenheit besonders gut gelungen ist und wo wir noch Verbesserungspotential haben, können wir uns gezielt weiterentwickeln und uns auf die Zukunft vorbereiten und ggfs. neue wege finden. Manches Mal bedarf es hierbei der professionellen Begleitung und Unterstützung.
Deine Anja
Zur Vertiefung:
Bogartikel: Warum glaubst du mir nicht- Umgang mit Mißtrauen und falschen Unterstellungen
Gastbeitrag von Anja Klostermann: Und jedem Abschied folgt ein Neubeginn
Wedewardt, Lea/ Cantzler, Anja (2022): Sich seiner Selbst Bewusst Sein – Biografische Selbstreflexion. Herder Verlag.
Wedewardt, Lea/ Cantzler, Anja (2022): Sich seiner Selbst Bewusst Sein – Biografische Selbstreflexion, Das Workbook. Herder Verlag.
von Anja Cantzler | 22.11.2022 | Gastbeitrag
Quelle: Canva
Bereits 2020 habe ich mich mit Unterstützung Trauerbegleiterin Vanessa Pivit hier auf diesem Blog den Themen Tod und Trauer gewidmet. Diese Beiträge findest du unter: Wie lange dauert traurig sein – Ein Interview über Abschied Tod und Trauer, Teil 1 und Teil 2 und Der Trauerkoffer.
Heute folgt ein weiterer Beitrag, dieses Mal von Anne Seyfert verfasst, die sich im Rahmen ihres Studiums mit dem Thema intensiv auch auf Basis der Biografiearbeit beschäftigt hat. Ich wünsche dir viele interessante Impulse und Anregungen für deine Arbeit mit Kinder, die gerade diese Themen umtreiben und die du gerne darin begleiten möchtest.
Wird Papa nass, wenn es regnet? – Umgang mit Tod und Trauer bei Kindern
Ein Gastbeitrag von Anne Seyfert
Kann Mia den Regenbogen auch sehen? Schaut Opa mir beim Spielen zu? Hat Mama mich jetzt immer noch lieb? Kann ich Oma das Haus zeigen, was ich heute für sie gemalt habe?
Die Auseinandersetzung mit dem Thema achtsame Begleitung von Kindergartenkindern in Trauer-, Trennungs- und Verlustsituationen verursacht oftmals Scheu, Unsicherheiten, Versagensängste oder das Gefühl, dem nicht gewachsen zu sein. Pädagogische Fachkräfte werden mit Situationen konfrontiert, die ihnen einerseits das schmerzliche eigene Erleben derartiger Verluste aufzeigen oder Handlungsstrategien fordern, deren theoretische Fundierung durch fehlende Erfahrungen nicht vorhanden sind.
Biografiearbeit als Schlüssel
Im Verlauf meines Studiums und basierend auf eigenen persönlichen Erfahrungswerten, hatte ich die Möglichkeit mich gemeinsam mit einer Kommilitonin intensiv mit der Methode der Biografiearbeit auseinander zu setzen und Chancen, Möglichkeiten und Ansätze der Biografiearbeit bei der achtsamen Begleitung von Kindern und deren Angehörigen in Trennungs- und Verlustsituationen in einem reflexiven Handlungsleitfaden für pädagogische Fachkräfte zusammenzutragen. Dieser Blogbeitrag dient der Sensibilisierung für die dringende Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit einer möglichen Begleitung von Kindern in einschlägigen Lebenssituationen.
Die Biografie eines Menschen reflektiert Einstellungen, Erwartungen, Erlebnisse und erweiterte oder auch beschränkte Handlungsmuster.
„Biografiearbeit ist eine strukturierte Methode in der pädagogischen und psychosozialen Arbeit, die Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und alten Menschen ermöglicht, frühere Erfahrungen, Fakten, Ereignisse des Lebens zusammen mit einer Person ihres Vertrauens, zu erinnern, zu dokumentieren, zu bewältigen und zu bewahren. Dieser Prozess ermöglicht Menschen, ihre Geschichte zu verstehen, ihre Gegenwart bewusster zu erleben und ihre Zukunft zielsicherer zu planen“ (Lattschar; Wiemann 2018, S. 14)
Die Kernelemente der Trauerbegleitung
Die Konfrontation mit Trennungs- und Verlustsituationen in der Entwicklungsbegleitung im Kindergartenalltag zeigt mögliche Facetten auf. Die Verabschiedung von Eltern- oder Geschwisterteilen in Scheidungskonstellationen, der Verlust von Bindungsbeziehungen durch Inobhutnahme, die Begleitung von Freunden oder Familienangehörigen in schweren Krankheitsverläufen mit Todesfolge oder der absehbare bzw. plötzlich eintretende Tod von Eltern/ Elternteil, Großeltern, Geschwistern, Haustieren, Nachbarn, Verwandtschaft, Kollegen oder selbst Kindern von Fachkräften. Diese lebensverändernden Ereignisse eröffnen Erfahrungsbereiche, die eine kindzentrierte Begleitung fordern. Dabei ist die Vorbereitung auf den Umgang mit derartigen Auseinandersetzungen effizienter und im pädagogischen Aufgabenfeld zu verorten. Die Notwendigkeit der Selbstreflexion eigener Emotionswelten ist die Voraussetzung für die Vermeidung einer Vermischung eigener und fremdbezogener Empfindungen. Die Kenntnis kultureller, religiöser und familienspezifischer Handlungsstrategien ist Basis einer kindzentrierten Begleitung. Das Bewusstsein für die Auswirkung der eigenen Biografie auf adäquate Handlungsmuster ist essenziell und implementiert die Chance einer verstehenden Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, der Bewältigung aktueller Krisen sowie dem Entwerfen von Zukunftsplänen (Klingenberger; Ramsauer 2017, S. 71f.). Somit sind die zwei Kernelemente der kindzentrierten Begleitung von Kindern und deren Familien in Trauer- und Verlustsituationen: Die Selbstreflexion der Fachkräfte und der Erwerb Grundkenntnisse der Trauerprozesse bei Kindern im Kindergartenalter.
Die Selbstreflexion der Fachkräfte
Den Fokus auf die eigene Person und die Auseinandersetzung mit der Fragestellung „Welche Trauer-und Trennungserfahrungen haben meine Biografie geprägt?“ wirkt konträr zu der Einstellung von Erwachsenen, Trauer- und Verlusterfahrungen als Schutzsegment von Kindern fernzuhalten. Die Entwicklungsbegleitung von Kindern verlangt vielmehr das Erlebte zu erfassen und eine gemeinsame Krisenbewältigung zu forcieren. Ohne diese ist eine Konstruktion geeigneter Bewältigungsstrategien ausgeschlossen. Eine unterdrückte Kommunikation über die Trauer- und Verlustsituation bedingt das
Entstehen unangepasster Fantasien infolge von Negativerfahrungen durch fehlendes „Situation-beim-Namen-nennen“ und somit die Entwicklung einschlägiger Schemata mit negativem Erfahrungsgehalt. Das konsequente Durchführen biografischer Selbstreflexion eröffnet die Chance unvorbereitetes Aufbrechen eigener Verlustsituationen und folglich lähmender Entscheidungsfindung durch das „Antriggern“ bei Konfrontation mit ähnlichen Situationen entgegenzuwirken und entsprechend Handlungsstrategien zu implementieren, die Kinder effektiv bei der Bewältigung derartiger Lebensereignisse unterstützen. Verschiedene Impulsfragen dienen der ersten Auseinandersetzung mit dem Thema und bilden die Grundlage für erweiterte Reflexionstools.
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Impulsfragen zum Thema Tod
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Impulsfragen zum Thema Verlusterfahrung
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Was beschäftigt mich am Tod?
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Welche Ängste und Hoffnungen habe ich, wenn ich an den Tod denke?
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Glaube ich an ein Leben nach dem Tod?
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Wodurch wurde meine Einstellung zum Tod gespeist?
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Um wen habe ich in meiner Kindheit getrauert?
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Welche Gedanken hatte ich dabei?
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Welche inneren Bilder tauchen dazu auf?
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Wie wurde seitens der Erwachsenen mit meiner Trauer umgegangen?
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Renommierte Autor*innen wie Herbert Klingenberger und Erika Ramsauer verweisen auf die Methoden der Genogrammarbeit, der Bio-Grafik oder der Verwendung eines Zeitstrahls, um eine Selbstreflexion gewissenhafter zu verschriftlichen und eigene prägende Erlebnisse festzuhalten. Dem gemeinsamen Ergründen expliziter Biografien im pädagogischen Team einer Einrichtung wird dabei ein besonderer Stellenwert zugemessen. Dabei ist es essenziell zu hinterfragen, ob das Thema Trauer / Tod / Trennung generell Aktualität im Kita-Alltag besitzt. An dieser Stelle verneinen Fachkräfte oftmals den Bezug zum Tod. Prävention ist jedoch ausschlaggebend. Die Vorbereitung auf derartige Situationen ist als notwendig zu betrachten. Die Facetten dieser Situationen werden später nochmal beleuchtet. Der Abgleich einrichtungsbezogener und gesellschaftlicher bzw. medial transportierter Einstellungen ist die Grundlage für die Reflexion kollegialer Handlungsstrategien. Das Bild vom Kind und explizit eines trauernden Kindes ist dabei entscheidend. Diverse Team-Settings können diesbezüglich hilfreich sein, damit das oftmals unangenehm berührende Thema Verlust und die damit verbunden Emotionen aufgebrochen und zielführend gelenkt werden.
Folgende Vorschläge für Impulsfragen zur Teamreflexion können angeführt werden:
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Sollen Kinder mit dem Thema Tod konfrontiert werden?
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Wie können Eltern und Träger für die Wichtigkeit des Themas sensibilisiert werden?
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Ist es sinnvoll, in der Konzeption den Umgang mit dem Thema
Trauer/ Trennung/ Tod festzuschreiben?
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Wie kann man Tod/ Trauer/ Verlust thematisieren mit Eltern und Kindern?
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Haben wir die Kompetenz Kinder und Familien adäquat zu begleiten?
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Welchen Wert messen wir diesem Thema bei?
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Was ist in der Konzeption über Trauer/ Trennung/ Tod geschrieben?
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Welche Rituale des Abschiednehmens werden in unserer Einrichtung gelebt?
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Welche Haltung bzw. welches Verständnis in der Bewältigung von Krisen hat das Team?
Der Erwerb Grundkenntnisse der Trauerprozesse bei Kindern im Kindergartenalter
Die wohl größte Herausforderung ist es, eine kindliche Auffassung des Trauer- und Verlustgeschehens zu erkennen, zu verstehen, anzunehmen und zu respektieren. Im Kindergartenalter sind Kinder noch nicht in der Lage, dem Begriff Tod die Bedeutung zuzumessen, die von Erwachsenen zugedacht wird. Die fehlenden Erfahrungen und Auseinandersetzungen sind die Grundlage dafür. Miriam Haagen beschreibt in ihrem Buch die Relevanz, dass Kinder den Tod als zeitweilig, umkehrbar und als Weiterleben unter anderen Bedingungen auffassen und entsprechend keine Vorstellung von Endlichkeit haben (Haagen 2017, S. 49ff.). Entsprechend ist es für pädagogische Fachkräfte, die Kinder in prägenden Entwicklungsphasen begleiten und einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Selbstkonzeptes von Kindern ausüben, essenziell, sich mit den durch Verena Kast determinierten vier Phasen der Trauer auseinander zu setzen:
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Nicht-wahrhaben-Wollen: Empfindungslosigkeit
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aufbrechende Emotionen: Verlust wird wahrgenommen -> Wut, Trauer, Freude, Angst, Zorn, Schuldgefühle
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Suchen und Sich-Trennen: örtlich, räumlich, Tätigkeiten, Objekte wie Kleidungsstücke und Fotos
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Neuer Selbst- und Weltbezug: in neue Rolle im Leben einfinden und diese annehmen, Akzeptanz des Todes und Verständnis dafür, dass Zuneigung nicht mehr erwidert wird -> Zuwendung real suchen
(Kast 2014, S. 69ff.)
In der Praxis sind verschiedene Reaktionen von Kindern auf Trauer- und Verlustreaktionen beobachtbar. Diese verweisen auf die Notwendigkeit einer kindzentrierten und bedürfnisorientierten Begleitung. Die Ausprägungen reichen von dem Entwickeln von Schuldgefühlen, Wut, Aggression, Ärger, Verstummung und Rückzug, Hyperaktivität bis hin zur Verdrängung und völliger Ablehnung. Häufig beobachtbare Formen der kindlichen Trauerverarbeitung wurden von Margit Franz mit folgenden Termini beziffert:
Animismus: unbelebte Objekte für lebendig halten
Egozentrismus: Kinder gehen davon aus, dass alle das Gleiche fühlen, denken, sehen -> Anspruch an Eltern und Fachkräfte sich in die Situation der Kinder hineindenken
magisches Denken: Vorstellung von Kindern mit eigenem Denken Wirklichkeit beeinflussen zu können – Verlustpersonen wieder herbeidenken (Franz 2021, S. 67ff.)
Bedarfe von Kindern zu ergründen ist als Prämisse einer erfolgreichen Implementierung angepasster Bewältigungsstrategien zu verorten. Sie benötigen keinen erzwungen Abstand oder herbeigeführte Schonräume. Was Kinder wirklich brauchen, ist authentischer Zuspruch, Gelegenheiten selbstgewählte Freundschaften zu pflegen, offen über ihre Emotionen sprechen zu dürfen und sich dabei ange-nommen und verstanden zu fühlen. Dabei ist es möglich, dass Kinder unter Umständen befremdliche Reaktionen zeigen wie überschwänglichen Humor anstatt kennzeichnender Trauer. Dabei muss die Entscheidung beim Kind selbst liegen, ob es sich in der Einrichtung und gegenüber den anderen Kindern bzw. Fachkräften öffnen möchte oder die Kita als trauerfrei deklariert. Diese Entwicklungsbegleitung fordert ein Höchstmaß an Sensibilität von pädagogischen Fachkräften. Deren eigene Erfahrungen, welcher Natur auch immer, bestimmen deren Haltung und Einstellungen, dürfen aber nicht als Maßstab für eine erfolgreiche Krisenbewältigung des zu betreuenden Kindes zementiert werden. Die reflektierende Auseinandersetzung mit persönlichen Werten und Gedanken muss als Ressourcenquelle genutzt, aber als erweiterbares Repertoire auf Basis individueller Pädagogik betrachtet werden.
In der Trauerbegleitung von Kindern ist der partizipative Bezug zum Elternhaus nicht nur eine wichtige Ressource, vielmehr ein ausschlaggebendes Kriterium. Eltern, Erziehungsberechtigte und Angehörige sollten darüber informiert und aufgeklärt werden, welche unterstützenden Maßnahmen in der Einrichtung stattfinden. Dies verweist auf die notwendige präventive Festlegung pädagogischer Konzeptionen. Transparenz und Mitgefühl dienen der Aktivierung möglicher Bewältigungsstrategien. Das Thema Tod und Verlusterfahrung bedarf der Inklusion in bestehende pädagogische Konzepte und nicht der Exklusion durch Unwissenheit. Diese Hürde gilt es vielerorts zu überwinden. Es bedarf einer sensibilisierten Aufklärung. Die Herausforderung ist darin zu ergründen, dass unterschiedliche Vorstellung akzeptiert und respektiert werden müssen. Während Kinder gegenwartsbezogen und oftmals ohne Vorstellung eines autobiografischen Gedächtnisses interagieren und das Leben als Ganzes nicht vollumfänglich erfassen, sind sowohl Angehörige als auch Fachkräfte biografisch beeinflusst und geprägt. Das gemeinsame Interesse, dem Kind in der Konstruktion seines Selbstkonzeptes zu unterstützen, ist die Handlungsgrundlage für das Tarieren bestimmter Handlungsansätze. Bildungs- und Erziehungspartnerschaften ohne hierarchische Zuschreibungen sind dabei essentiell.
Abschließend sollen einige mögliche Ansätze biografischer Arbeit mit Kindern angeführt werden. Diese Liste ist als reflexiv zu betrachten und bietet lediglich Impulse, welche durch Fachkräfte individuell angepasst werden können. Immer unter der Beachtung vorliegender Gegebenheiten und Möglichkeiten.
Möglichkeiten der biografischen Begleitung im pädagogischen Alltag
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Arbeit mit großen Handpuppen
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- Scheu davor, Erwachsenen oder vertrauten Personen eigene Gefühle und Empfindungen anzuvertrauen
- Handpuppen als Brückenfiguren
- berichten den imaginären Personen oftmals offener und unbeschwerter
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Gestaltung Identitätsblüte
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Aufmalen einer Blüte mit diversen Blütenständen
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gemeinsam Erinnerungen an den Verstorbenen in die verschiedenen Blütenblätter malen, schreiben, skizzieren und dadurch Erinnerungsarbeit leisten
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Anregungen für Angaben: Kleidung, Spiel, Essen, Erlebnisse, Orte, Ausflüge, Vorlesegeschichten
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Bereitstellen von diversem Kreativ-material – Schaffen von Erinnerungs-bildern
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sinnliche Verarbeitung von Erlebtem ermöglichen
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Materialien: Farben, Pinsel, Naturmaterialien, Tücher, Papiere, Leim, Schere
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Impulsfragen:
- Wie sieht der Himmel aus?
- Wie stellst du dir den Ort vor, wo … jetzt ist?
- An was erinnerst du dich am liebsten?
- Möchtest du mir zeigen, wie … aussieht?
- Wie fühlst du dich jetzt?
- Wie möchtest du dich gern fühlen?
- An welche Farben kommen dir in den Sinn, wenn du an … denkst?
- Gibt es einen Ort, an dem ihr zusammen wart, den du nicht vergessen möchtest?
- Verbindest du einen bestimmten Ort mit der Person, die du verloren hast?
- Was möchtest du auf keinen Fall vergessen?
- Möchtest du deine Familie malen, gestalten, bauen?
- Möchtest du gern etwas gestalten und dann gemeinsam zu … bringen?
- Gibt es etwas, was du nochmal aufmalen möchtest und dann vergessen willst?
- Macht dir etwas Angst?
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Netzwerkkarten
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Dialogorientierung
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Spiel als Erinnerungs-medium
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Bezug zur Gruppe – Integration statt Exklusion
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- achtsames Begleiten der gesamten Gruppe
- Information an die Eltern- und Erziehungsberechtigten der Gruppe, Trauer und Verlust muss thematisiert werden
- Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten nutzen:
- Erinnerungskartons basteln
- Impulse im Stuhlkreis
- Bilderbücher allen zugänglich machen – Thema Tod und Verlust gehört zum Leben
- Möglichkeiten der Anteilnahme vermitteln
- gemeinsamer Besuch auf dem Friedhof: WICHTIG: NUR in Rücksprache mit allen beteiligten Eltern und Erziehungsberechtigten
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Fühlen sich Fachkräfte aufgrund fehlender eigener Erfahrungen im Zusammenhang mit Tod und Trauer nicht in der Lage, Kinder in derartigen lebensverändernden Situationen adäquat zu begleiten, muss dies offen und wertschätzend im Team kommuniziert werden und Beachtung finden. Authentizität ist keine Schwäche.
Biografiearbeit stellt eine wichtige Ressource für Kinder und deren Familien sowie den Fachkräften dar. Die Möglichkeiten der Gestaltung dieser ist schier unendlich. Bei aller Vielfalt des möglichen Angebotes, bedarf es durch eine bedürfnisorientierte Pädagogik kindzentriert auszuwählen, welche Unterstützung ein Kind benötigt und auch verarbeiten kann. Die persönliche Biografie ist Basis für nachfolgende Entscheidungen und die Entwicklung von Handlungsmustern. Die Notwendigkeit der Aufarbeitung einschlägiger Lebensereignisse ist damit konstatiert.
Quellen- und Literaturangaben:
Franz, M. (2021). Tabuthema Trauerarbeit. Erzieherinnen begleiten Kinder bei Abschied, Verlust und Tod. München: Don Bosco Medien GmbH.
Haagen, M. (2017). Mit dem Tod leben. Kinder achtsam in ihrer Trauer begleiten. Stuttgart: Kohlhammer.
Kast, V. (2014). Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses. Freiburg im Breisgau: Kreuz Verlag.
Klingenberger, H.; Ramsauer, E. (2017): Biografiearbeit als Schatzsuche. Grundlagen und Methoden. München: Don Bosco Medien GmbH.
Lattschar, B.; Wiemann, I. (2018). Mädchen und Jungen entdecken ihre Geschichte. Grundlagen und Praxis der Biografiearbeit. Weinheim Basel: Beltz Juventa.
von Anja Cantzler | 27.10.2022 | Bindung und Eingewöhnung, Team, Übergänge
Mittlerweilen gibt es die verschiedensten Eingewöhnungsmodelle, damit Kinder und Familien den Übergang in die Kindertagesbetreuung gut bewältigen können. Am geläufigsten sind hierbei die Eingewöhnungen nach dem Berliner oder Müncher Modell. In den letzten Jahren sind die Peergroup Eingewöhnung und das Partizipatorische Modell dazu gekommen.
Wie du bestimmt weißt, habe ich mich in den letzten Jahren besonders mit der Peergroup Eingewöhnung beschäftigt und seit 17.10.2022 ist nun endlich das so häufig nachgefragte Buch zu diesem Modell erschienen.
Ziele und Nutzen überprüfen
Noch mitten drin in den Eingewöhnungen machen sich parallel gerade viele Teams auf den Weg und überprüfen noch einmal ihre Eingewöhnungskonzepte. Der Impuls kommt hier aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Der Träger drängelt, dass die Eingewöhnung aus wirtschaftlichen Gründen schneller stattfinden muss, die Leitung weiß nicht mehr wie sie den Dienstplan organisieren soll, ein*e Mitarbeitende kommt mit neuen Ideen von einer Fortbildung zurück.
Es ist also erst einmal gut hinzuzuschauen, was ist der Auslöser für den Wunsch nach Veränderung. Hat sich das bisherige Konzept tatsächlich überholt? Was spricht für eine Veränderung? Können die Mitarbeitenden bei dieser Veränderung gut mtgehen? Welche Vorteile bietet eine Veränderung den Kindern und Eltern, aber auch den Fachkräften?
Eingewöhnung nicht nur Sache der Leitung
Die Einführung eines neuen Eingewöhnungsmodells ist demzufolge nie allein Sache des Trägers oder der Leitung. Eine solche Veränderung betrifft immer auch das gesamte Team. Daher besteht die wesentliche Aufgabe darin, das Team im Rahmen des anstehenden Veränderungsprozesses ins Boot zu holen und zu der damit verbundenen Weiterentwicklung der konzeptionellen Ausrichtung zu motivieren.
Wie in anderen Veränderungsprozessen kann die Einführung eines anderen oder veränderten Eingewöhnungsprozesses nur gelingen, wenn alle Mitarbeitenden an der Erarbeitung wesentlicher Qualitätsmerkmale und konkreter Umsetzungsmöglichkeiten beteiligt sind.
Ein Team macht sich auf den Weg …
Zunächst einmal gilt es, den Ausgangspunkt des einzelnen Teams herauszufinden. Wie sich ein Veränderungsprozess entwickelt, hängt entscheidend von der Diskussions-, Partizipations- und Entscheidungskultur in der Einrichtung ab. Hinzu kommen die unterschiedlichsten bisherigen Betreuungserfahrungen und die bestehende Teamkultur. Das Team eines Regelkindergartens, das über viele Jahre hinweg nur Kinder ab drei Jahren aufgenommen und bis mittags betreut hat, steht vor einer anderen Herausforderung als eine Ganztageseinrichtung mit einem integrativen Konzept.
Veränderung braucht Zeit
Die Leitungskraft sollte mehrere Teamsitzungen einplanen, um sich gemeinsam mit dem Team mit den theoretischen Grundlagen, den Säulen und der praktischen Umsetzung der gut gelingenden Eingewöhnung auseinanderzusetzen.
Zu den theoretischen Grundlagen gehören im wesentlichen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bindungs-, Transitions- und Peergroupforschung. Aber auch Aspekte der Kultursensiblen Pädagogik, der Partizipation und der Bedürfnisorientierung sind zu berücksichtigen.
Nicht alle Mitarbeitenden werden sich von Anfang an von dem anstehenden Veränderungs- und Weiterentwicklungsprozess überzeugen lassen. Dabei ist es auf jeden Fall hilfreich, wenn sich die Leitung der Einrichtung im Vorfeld selbst intensiv mit den Feinheiten beschäftigt hat oder ggfs. eine*n erfahrene*n Referent*in dazu holt. IPP
Ausprobieren als erster Schritt
Manchmal ist es für ein Team einfacher, die vereinbarten Veränderungen zunächst in einer oder zwei Gruppen einzuführen und so erste Erfahrungen zu sammeln, bevor die gesamten Einrichtung weitere Schritte umsetzt.
Ganz gleich, ob ein verändertes Eingewöhnungsodell mit oder ohne externe Begleitung eingeführt wird – wichtig ist auf jeden Fall, dass Sorgen und Bedenken im Team ernst genommen werden und ausgesprochen werden dürfen. Das trägt massiv zum Gelingen einer Veränderung bei.
Erste Schritte in Richtung Veränderung
Wenn du dich nun mit Deinem Team auf den Weg machen möchtest, um dein Eingewöhnungskonzept zu überprüfen, hier ein paar Materialien und Anregungen, die dich im Teamprozess unterstützen können.
Hier kommst du zu meinen 5 Tipps zur Gestaltung einer gelingenden Eingewöhnung. Nach Eintrag in die Email Liste, erhälst du mehrere Emails mit Anregungen zur Reflexion deines Eingewöhnungsprozesses.
In dem Blogartikel: Verschiedene Modelle – ein Ziel erhälst du einen kleinen Überblick über die bestehenden Modelle. Auf Kita-Fachtexte (www.kita-fachtexte.de) gibt es ergänzend kostenfrei zugängliche Texte zu den verschiedenen Modellen z.B. der aktuelle Text von Heike Fink: Die Eingewöhnung in der Peer – das Tübinger Modell
Wenn du dich für die Peergroup Eingewöhnung interessierst, möchte ich dir folgende Podcasts ans Herz legen, die ihr euch auch im Team anhören könnt:
Feas Naive Welt: Eingewöhnung in der Peergroup – ein Interview mit Anja Cantzler
KitaTalks auf YouTube: Peergroup Eingewöhnung in der Kita mit Christa Manske
Das nächste Online-Seminar zur Peergroup Eingewöhnung findet am 5.11.2022 in Kooperation mit Haus Neuland statt. Hier kommst du direkt zur Anmeldung.
Und natürlich kannst du auch mein Buch zur Peergroup Eingewöhnung bestellen.
Never change a running Horse
Wenn du jetzt denkst: „Wieso sollten wir etwas verändern? Es läuft doch alles gut so wie es ist.“ Was gut läuft braucht nicht zwangsläufig eine Veränderung. Nimm meine Anregungen einfach als Einladung, Angebot und Inspiration.
Deine Anja
von Anja Cantzler | 30.08.2022 | Bindung und Eingewöhnung, Gastbeitrag, Resilienzförderung, Spiel, Übergänge
Erneut konnte ich eine wundervolle Gastautorin für diesen Blogbeitrag gewinnen. Passend zum Start ins neue KitaJahr verknüpft sie die Wichtigkeit des Spielens mit den Chancen, die das gemeinsame Spielen für den Beziehungsaufbau zwischen der Fachkraft und den Kindern eröffnet. Ich wünsche viele Anregungen und einen guten Start mit den Kindern und Eltern.
Bindungsstärkendes Spielen in der Eingewöhnung oder wie ich gerne sage in der „Willkommenszeit“
Ein Gastbeitrag von Gundula Göbel
Warum setze ich Willkommenszeit mit Eingewöhnung gleich? Für mich ist diese Zeit, ein Augenblick, Momente und Wochen der Beziehungsgestaltung zwischen der pädagogischen Fachkraft dem Kind und den Eltern. Alle zusammen werden zu einem ergänzenden Bindungs- und Beziehungssystem mit Sicherheit und Feinfühligkeit, um dem Kind bestmögliche psychische Stabilität und emotionale Sicherheit zu ermöglichen.
Nur, wenn auch die Eltern in der Krippe oder Kita willkommen und gesehen werden, werden sie ihr Kind bei diesem wichtigen Schritt und Übergang achtsam begleiten können. Kinder spüren die Gefühle der Erwachsenwelt.
Sich willkommen zu fühlen ist ein Bedürfnis eines jeden Menschen:
Mit einem Lächeln begrüßt zu werden
Verlässlichkeit durch Worte zu erleben
Begrüßungsrituale wie Lieder oder Abläufe zu erfahren
Getröstet zu werden, also Co-Regulation zu spüren
Körperkontakt mit angemessener Nähe und Distanz er erleben
und als Kind sein Nein zu behalten
ist was Kinder im Übergang von sicheren zuhause in die Krippe /Kita dringend brauchen. Feinfühlige Erwachsene. Da sind wir schon beim „Bindungsstärkenden Spielen“ in der Eingewöhnung. Denn ohne beziehungsaufbauende Erfahrungen ist für Kinder kein vertieftes und emotional stärkendes Spielen möglich oder lediglich, wenn die Bezugsperson (bspw. ein Elternteil ) als Sicherheitsanker in der Nähe ist.
Kleinstkinder und Kinder lernen mit allen Sinnen, wir nennen es auch das sensomotorisches Spielen. Kinder entdecken und begreifen die Welt im Spiel. Sie riechen, schmecken, tasten, hören, probieren aus, all das ist auch in der Bindungsentwicklung verankert. Das Baby riecht die Milch, die Mama, den Papa, tastet das Gesicht, die Brust, die Flasch, die Rassel ab, hört die Stimme der Bezugsperson, diese wirkt meist beruhigend und so lässt es sich fortsetzen. All das braucht auch ein Krippenkind in der Eingewöhnung. Dies ist die gemeinsame Stärkung und Aktivierung der Bindungswurzeln aus dem Bindungsbaum-Konzept (siehe Broschüre Bindungsbaum-Konzept).
Das kindliche Spielen ermöglicht dem Kind die Auseinandersetzung mit der neuen Situation, das entdecken der Räumlichkeiten, das Erleben von fremden Gerüchen, Geräuschen, Lautstärken und noch „fremden“ pädagogischen Fachkräften. Im Spielen entwickelt das Kind kreative, aktive oder andere Lösungsstrategien, für den Umgang mit der unbekannten und noch unsicheren Situation.
Das „ Bindungsstärkende Spielen“ ist gerade in der Eingewöhnung ein guter Begleiter. Denn ein Kind kann nur vertieft und versunken entwicklungs- und beziehungsstärkend spielen, wenn es sich sicher fühlt. Deshalb braucht das Kind zuerst die Nähe und Sicherheit der Bezugsperson, welche die Eingewöhnung begleitet. Bspw. Mutter, Vater, Oma oder Opa sind also das wichtigste Bindeglied zwischen Zuhause und Einrichtung, um Kindern Sicherheit zum Entdecken zu geben.
Eine entspannte und emotional sichere Eingewöhnung begleitet vom bindungsstärkenden Spielen, mit Grundlage der Stärkung der Bindungswurzeln festigt das Vertrauen des Kindes, aber auch seine Feinfühligkeit. Denn Kinder brauchen beides. Vertrauen zu ihren Bezugserzieher*innen und gleichzeitig ihre eigene Stimme und ihr eigenes NEIN, wenn sich etwas nicht gut anfühlt.
Durch das bindungsstärkende Spielen können verlässliche Beziehungen aufgebaut werden. Nur wenn Kinder Sicherheit und Orientierung spüren, können sie sich auf es vertieftes Spielen einlassen und auch so Phasen von Anspannung und Entspannung erleben.
Das sensomotorische Spielen ist also für die Entwicklung und Bindung gleichermaßen von Bedeutung. Kinder brauchen Sinnesreize um sich zu entwickeln, aber auch um ihre “Krippen-Welt“ oder „Kita-Welt“ mit allen Sinnen zu entdecken.
Den Begriff „Bindungsstärkendes Spielen“ habe ich 2013 entwickelt auf Grundlage des Bindungsbaum-Konzeptes. Denn nur wenn wir die Bindungswurzeln im Spiel, in der Interaktion und durch Vorbildsein stärken und diese bei uns und den Kindern angemessen versorgen wird Kindern ihre eigene Entwicklung als ganz eigene Persönlichkeit und mit ganz eigenem Temperament ermöglicht. Moegel sieht das Spielen als ein fundamentales Lebenssystem des Menschen. Wir dürfen und sollten für die psychische Gesundheit von Kindern, das vertiefte Spielen ohne ständige Unterbrechungen von Seiten der Erwachsenen in Einrichtungen in den Mittelpunkt stellen. Das kindliche Spielen zeigt auch in der Eingewöhnungszeit und im Weiteren, ob sich Kinder sicher fühlen, es ist ein Ausdruck ihres Wohlbefindens.
Wenn ein Kind in der Eingewöhnung nicht spielen möchte oder kann, ist es ein non-verbales Zeichen für die erwachsenen Welt.
Was könnte das Kind uns sagen:
- ich brauche mehr Sicherheit
- es ist mir hier zu laut
- der Geruch ist mir fremd oder erinnert mich an…
- soviel Kinder auf einmal
- warum sieht mich keiner
- Angst, dass Mama/Papa einfach geht (vielleicht frühe Erfahrungen)
- Mama, Papa ich spüre eure Angst um mich
- usw.
Der Aufbau einer Beziehung braucht Zeit und das Kind sowie die Eltern Orientierung, Sicherheit sowie Feinfühligkeit.
Pädagogische Fachkräfte haben oft schon einige Eingewöhnungen begleitet und sind Erwachsene, die es reflektieren können. Aber für jedes Kind ist es das „ERSTE-MAL“ und Kinder reagieren emotional mit ihrem ganzen Körper.
Das „Bindungsstärkende Spielen ermöglicht dem Kind Freiraum und Halt, Eltern und alle Erwachsenen sehen die Bedürfnisse des Kindes nach Bindung und schwingen sich ein. Nicht die Bedürfnisse des Erwachsenen nach schneller Eingewöhnung, dem Gefühl das Eltern den Kitaablauf belasten oder der Personalmangelstress dürfen Gründe sein, Kinder ihr Grundbedürfnis nach Sicherheit nicht zu ermöglichen.
Vertieftes Spielen ist nur mit Bindungs- oder Beziehungssicherheit möglich. In der Eingewöhnung ist somit „Bindungsstärkendes Spielen“ von großer Bedeutung.
Eingewöhnung und „Bindungsstärkendes Spielen“:
- Impulse vom Kind aufnehmen und feinfühlig begleiten
- Interaktion (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Vorbild, Einschwingen)
- Co-Regulation als Grundlage für den Bindungs- und Beziehungsaufbau
- „Gefühle färben ab“ (eigene Haltung, eigene emotionale Verfassung, Erwartungen)
- Spielen braucht Sicherheit – Zeit – sensomotorisches Material
- Spielen ist: Entwicklung – Lösung – Freiheit – Lustgewinn und nicht Ablenkung von Gefühlen
- Alle Gefühle brauchen liebevolle Begleitung
„Bindungsstärkendes Spielen“ ist besonders in der Eingewöhnung von:
Feingefühl – Achtsamkeit – Wertschätzung und Offenheit geprägt.
Gundula Göbel
Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeutin
Traumatherapeutin | Paar- und Familientherapeutin | Spieltherapeutin | Autorin |Referentin
21244 Buchholz in der Nordheide
mail@gundula-goebel.de, www.gundula-goebel.de
Meine Veröffentlichungen siehe: www.thekla.de/shop
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