Bindungsstärkendes Spielen in der Eingewöhnung

Erneut konnte ich eine wundervolle Gastautorin für diesen Blogbeitrag gewinnen. Passend zum Start ins neue KitaJahr verknüpft sie die Wichtigkeit des Spielens mit den Chancen, die das gemeinsame Spielen für den Beziehungsaufbau zwischen der Fachkraft und den Kindern eröffnet. Ich wünsche viele Anregungen und einen guten Start mit den Kindern und Eltern.

Bindungsstärkendes Spielen in der Eingewöhnung oder wie ich gerne sage in der „Willkommenszeit“

Ein Gastbeitrag von Gundula Göbel

Warum setze ich Willkommenszeit mit Eingewöhnung gleich? Für mich ist diese Zeit, ein Augenblick, Momente und Wochen der Beziehungsgestaltung zwischen der pädagogischen Fachkraft dem Kind und den Eltern. Alle zusammen werden zu einem ergänzenden Bindungs- und Beziehungssystem mit Sicherheit und Feinfühligkeit, um dem Kind bestmögliche psychische Stabilität und emotionale Sicherheit zu ermöglichen.

Nur, wenn auch die Eltern in der Krippe oder Kita willkommen und gesehen werden, werden sie ihr Kind bei diesem wichtigen Schritt und Übergang achtsam begleiten können. Kinder spüren die Gefühle der Erwachsenwelt.

Sich willkommen zu fühlen ist ein Bedürfnis eines jeden Menschen:

Mit einem Lächeln begrüßt zu werden

Verlässlichkeit durch Worte zu erleben

Begrüßungsrituale wie Lieder oder Abläufe zu erfahren

Getröstet zu werden, also Co-Regulation zu spüren

Körperkontakt mit angemessener Nähe und Distanz er erleben

und als Kind sein Nein zu behalten

ist was Kinder im Übergang von sicheren zuhause in die Krippe /Kita dringend brauchen. Feinfühlige Erwachsene. Da sind wir schon beim „Bindungsstärkenden Spielen“ in der Eingewöhnung. Denn ohne beziehungsaufbauende Erfahrungen ist für Kinder kein vertieftes und emotional stärkendes Spielen möglich oder lediglich, wenn die Bezugsperson (bspw. ein Elternteil ) als Sicherheitsanker in der Nähe ist.

Kleinstkinder und Kinder lernen mit allen Sinnen, wir nennen es auch das sensomotorisches Spielen. Kinder entdecken und begreifen die Welt im Spiel. Sie riechen, schmecken, tasten, hören, probieren aus, all das ist auch in der Bindungsentwicklung verankert. Das Baby riecht die Milch, die Mama, den Papa, tastet das Gesicht, die Brust, die Flasch, die Rassel ab, hört die Stimme der Bezugsperson, diese wirkt meist beruhigend und so lässt es sich fortsetzen. All das braucht auch ein Krippenkind in der Eingewöhnung. Dies ist die gemeinsame Stärkung und Aktivierung der Bindungswurzeln aus dem Bindungsbaum-Konzept (siehe Broschüre Bindungsbaum-Konzept).

Das kindliche Spielen ermöglicht dem Kind die Auseinandersetzung mit der neuen Situation, das entdecken der Räumlichkeiten, das Erleben von fremden Gerüchen, Geräuschen, Lautstärken und noch „fremden“ pädagogischen Fachkräften. Im Spielen entwickelt das Kind kreative, aktive oder andere Lösungsstrategien, für den Umgang mit der unbekannten und noch unsicheren Situation.

Das „ Bindungsstärkende Spielen“ ist gerade in der Eingewöhnung ein guter Begleiter. Denn ein Kind kann nur vertieft und versunken entwicklungs- und beziehungsstärkend spielen, wenn es sich sicher fühlt. Deshalb braucht das Kind zuerst die Nähe und Sicherheit der Bezugsperson, welche die Eingewöhnung begleitet. Bspw. Mutter, Vater, Oma oder Opa sind also das wichtigste Bindeglied zwischen Zuhause und Einrichtung, um Kindern Sicherheit zum Entdecken zu geben.

Eine entspannte und emotional sichere Eingewöhnung begleitet vom bindungsstärkenden Spielen, mit Grundlage der Stärkung der Bindungswurzeln festigt das Vertrauen des Kindes, aber auch seine Feinfühligkeit. Denn Kinder brauchen beides. Vertrauen zu ihren Bezugserzieher*innen und gleichzeitig ihre eigene Stimme und ihr eigenes NEIN, wenn sich etwas nicht gut anfühlt.

Durch das bindungsstärkende Spielen können verlässliche Beziehungen aufgebaut werden. Nur wenn Kinder Sicherheit und Orientierung spüren, können sie sich auf es vertieftes Spielen einlassen und auch so Phasen von Anspannung und Entspannung erleben.

Das sensomotorische Spielen ist also für die Entwicklung und Bindung gleichermaßen von Bedeutung. Kinder brauchen Sinnesreize um sich zu entwickeln, aber auch um ihre “Krippen-Welt“ oder „Kita-Welt“ mit allen Sinnen zu entdecken.

Den Begriff „Bindungsstärkendes Spielen“ habe ich 2013 entwickelt auf Grundlage des Bindungsbaum-Konzeptes. Denn nur wenn wir die Bindungswurzeln im Spiel, in der Interaktion und durch Vorbildsein stärken und diese bei uns und den Kindern angemessen versorgen wird Kindern ihre eigene Entwicklung als ganz eigene Persönlichkeit und mit ganz eigenem Temperament ermöglicht. Moegel sieht das Spielen als ein fundamentales Lebenssystem des Menschen. Wir dürfen und sollten für die psychische Gesundheit von Kindern, das vertiefte Spielen ohne ständige Unterbrechungen von Seiten der Erwachsenen in Einrichtungen in den Mittelpunkt stellen. Das kindliche Spielen zeigt auch in der Eingewöhnungszeit und im Weiteren, ob sich Kinder sicher fühlen, es ist ein Ausdruck ihres Wohlbefindens.

Wenn ein Kind in der Eingewöhnung nicht spielen möchte oder kann, ist es ein non-verbales Zeichen für die erwachsenen Welt.

Was könnte das Kind uns sagen:

  • ich brauche mehr Sicherheit
  • es ist mir hier zu laut
  • der Geruch ist mir fremd oder erinnert mich an…
  • soviel Kinder auf einmal
  • warum sieht mich keiner
  • Angst, dass Mama/Papa einfach geht (vielleicht frühe Erfahrungen)
  • Mama, Papa ich spüre eure Angst um mich
  • usw.

Der Aufbau einer Beziehung braucht Zeit und das Kind sowie die Eltern Orientierung, Sicherheit sowie Feinfühligkeit.

Pädagogische Fachkräfte haben oft schon einige Eingewöhnungen begleitet und sind Erwachsene, die es reflektieren können. Aber für jedes Kind ist es das „ERSTE-MAL“ und Kinder reagieren emotional mit ihrem ganzen Körper.

Das „Bindungsstärkende Spielen ermöglicht dem Kind Freiraum und Halt, Eltern und alle Erwachsenen sehen die Bedürfnisse des Kindes nach Bindung und schwingen sich ein. Nicht die Bedürfnisse des Erwachsenen nach schneller Eingewöhnung, dem Gefühl das Eltern den Kitaablauf belasten oder der Personalmangelstress dürfen Gründe sein, Kinder ihr Grundbedürfnis nach Sicherheit nicht zu ermöglichen.

Vertieftes Spielen ist nur mit Bindungs- oder Beziehungssicherheit möglich. In der Eingewöhnung ist somit „Bindungsstärkendes Spielen“ von großer Bedeutung.

Eingewöhnung und „Bindungsstärkendes Spielen“:

  • Impulse vom Kind aufnehmen und feinfühlig begleiten
  • Interaktion (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Vorbild, Einschwingen)
  • Co-Regulation als Grundlage für den Bindungs- und Beziehungsaufbau
  • „Gefühle färben ab“ (eigene Haltung, eigene emotionale Verfassung, Erwartungen)
  • Spielen braucht Sicherheit – Zeit – sensomotorisches Material
  • Spielen ist: Entwicklung – Lösung – Freiheit – Lustgewinn und nicht Ablenkung von Gefühlen
  • Alle Gefühle brauchen liebevolle Begleitung

Bindungsstärkendes Spielen“ ist besonders in der Eingewöhnung von:

Feingefühl – Achtsamkeit – Wertschätzung und Offenheit geprägt.

Gundula Göbel

Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeutin

Traumatherapeutin | Paar- und Familientherapeutin | Spieltherapeutin | Autorin |Referentin

21244 Buchholz in der Nordheide

mail@gundula-goebel.de, www.gundula-goebel.de

Meine Veröffentlichungen siehe: www.thekla.de/shop

 

 

 

Schluss mit Irrtümern und Mythen in der Eingewöhnung

Ich bin seit 30 Jahren im Arbeitsfeld der Kinderbetreuung tätig- erst 10 Jahre als pädagogische Fachkraft und seit 20 Jahren als Weiterbildnerin und Coachin.

Bereits während meiner ersten Eingewöhnung im Berufspraktikum spürte ich intuitiv, dass hier etwas grundlegend schief lief. Von Eingewöhnung konnte damals überhaupt noch nicht gesprochen werden: die Kinder kamen und mussten von Tag 1 an ohne Eltern bleiben.

Mittlerweile hat sich einiges getan. In vielen Krippen, Kitas und Kindertagespflegen wird nach standardisierten Modellen die Ankommenszeit mit Kindern und Eltern gestaltet. Die Bedürfnisse aller Beteiligten stehen im Fokus und werden ernst genommen. Im besten Fall findet der für die weitere Zeit wichtige Beziehungsaufbau von Fachkraft und Kind individuell und im Tempo des Kindes statt.

Trotzdem geistern immernoch fatale Irrtümer hartnäckig durch die Köpfe einiger Fachkräfte. Damit gilt es ein für alle mal aufzuräumen, sind sie doch oft ein Zeichen für ein längst überholtes Bild vom Kind, und fehlender Augenhöhe zu den Bindungspersonen als Expert*innen für ihr Kind.  Manch Haltung und Praktik in der Eingewöhnung grenzt bedauerlicherweise an schwarze Pädagogik.

Es folgen ein paar Irrtümer und ihre begründete Richtigstellung. Es geht nicht darum irgendwen damit explizit an den Pranger zu stellen und zu verurteilen. Ich möchte Fachkräfte zur Reflektion und Überprüfung einladen, damit die hier benannten,  meist unreflektierten Irrtümer irgendwann einmal Geschichte und damit passe sind.

# Irrtum No. 1 – Früher blieben die Kinder doch auch ohne Eltern und das klappte viel besser

Dem möchte ich als Zeitzeugin vehement widersprechen. Es war für alle Beteiligten einfach nur anstrengend und eine Zumutung.

Viele Kinder haben sich die Seele aus dem Leib geschrien und geweint. Wenn sie Glück hatten, gab es Fachkräfte, die zumindest versucht haben, sie zu trösten, was aber nur bedingt gelingen konnte, weil man sich i.d.R. kaum bis gar nicht kannte. Die ein oder andere Fachkraft war der Überzeugung, dass wenn man das Kind nur lang genug ignoriert, es schon mit dem Theater aufhören würde. Und das taten viele Kinder dann auch: sie ergaben sich in ihr Schicksal und versuchten ihren Weg zu finden.

Leider übertreibe ich mit diesen Schilderungen nicht.

Wer jetzt behauptet, er habe das auch erlebt und es habe ihm nicht geschadet., den frage ich: und wie sieht es heute für dich mit unbekannten Situationen aus? Magst du dich auf Veränderungen einlassen und begrüßt diese freudig und offen? Oder bist du da eher vorsichtig und zweifelnd?

Merke: Das die frühere Praktik nach außen gesehen funktionierte, lag sehr wahrscheinlich daran, dass die Kinder keine andere Wahl hatten.
Neurobiologisch gesehen war das Stressystem der Kinder hoch aktiv und die Kinder haben gemäß der drei Überlebensreaktionen: Kampf, Flucht oder Erstarrung reagiert. Flucht (weglaufen) war ihnen nicht möglich  ihr Kampf und Widerstand (weinen, schreien) wurde schlichtweg ignoriert. Was blieb, war die Resignation. Also schleunigst weg mit diesem Mythos.

Kinder brauchen auf jeden Falleine einfühlsame Begleitung durch ihre Bindungspersonen, zugewandte und beziehungsstarke Fachkräfte und Zeit.

Natürlich gibt es auch einzelne Kinder, die von Tag 1 an, problemlos alleine in der Kindertagesbetreuung bleiben. Hier handelt es sich um die berühmte Ausnahme von der Regel, die nicht als Maßstab genommen werden kann und darf.

# Irrtum No. 2 – Eine zu starke Bindung zu der begleitenden Bindungsperson erschwert den Eingewöhnungsprozess

Genau das Gegenteil ist der Fall. Auf der Basis einer starken Bindung verfügt das Kind über genügend Urvertrauen, um sich aufgeschlossen auf die neue Umgebung, die Fachkräfte und die anderen Kinder einzulassen. Das Kind löst sich dann von seinen Bindungspersonen besser, weil es die Erfahrung gemacht hat, dass es anderen Menschen vertrauen kann. Zunächst einmal wendet ein stark gebundenes Kind sich aber in der unbekannten Umgebung an die vertaute Bindungsperson, bevor es schrittweise sich offnet.

Als Fachkraft kannst du den Beziehungsaufbau zum Kind insofern unterstützen, indem du interessiert und neugierig auf das Kind zugehst und dich  einfühlsam um eine gute Beziehung zum Kind bemühst.

Natürlich gibt es Eingewöhnungen, in denen ein Kind sich nur schwer lösen oder es den Bindungspersonen schwer fällt loszulassen. Dann lohnt es sich, sich  gemeinsam mit den Bindungspersonen auf den Weg zu machen, welche Irsache hier zu finden ist und lösungsorientiert zu schauen, was möglich ist, um allen Beteiligten die Eingewöhnung zu erleichtern.

Merke: Wenn ein Kind sich in der Eingewöhnung nur schwer löst, hat das nichts mit der starken Bindung zu tun. Ganz im Gegenteil: Eine starke Bindung unterstützt die Eingewöhnung.

# Irrtum No. 3 –  Mit Vätern ist die Eingewöhnung viel leichter

Das sollte schon aufgrund der Klischeehaftigkeit der Aussage schleunigst verabschiedet werden. Vätern wird damit eine weniger enge Bindung zugeschrieben als den Müttern. Das entspringt veralteter Rollenvorstellungen, die sich in den vergangenen 10 Jahren in der Praxus nocheinmal deutlich verändert haben. Ich konnte das allein auf den Elternabenden der letzten 12 Jahre veobachten, dass Väter immermehr Interesse an der Entwicklung ihrer Kinder  zeigen, vermehrt zu den Elternabenden kommen und der Eingewöhnung mit ähnlichen Zweifeln, Sorgen und Bedenken entgegensehen, wie die Mütter der Kinder.
Auch der Anteil der Väter, die ihre Elternzeit nutzen, ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Väter haben demzufolge keine schlechtere Bindung zu ihren Kindern, hier ist geschlechtsunabhängig die tatsächliche  Beziehungsqualität von Bindungsperson zu Kind entscheidend.

Eine weitere tief verwurzelte Annahme, die hier noch verankert ist, dass Männer perse weniger Gefühle haben bzw. zeigen und ihnen die Trennung von ihrem Kind daher viel weniger ausmacht. So ein Quatsch!

Merke: Natürlich gibt es Unterschiede in der Bindungs- und Beziehungsqualität der beiden Elternteile (oder anderer Bindungspersonen zum Kind). Das ist aber niemals am Geschlecht festzumachen. Väter und andere Bindungspersonen brauchen die gleiche achtsame und feingühlige Begleitung in der Eingewöhnungszeit wie Mütter.

# Irrtum No. 4 – Die erste Trennung muss am 4. Tag stattfinden

Das ist ein Riesenmissverständnis in Verbindung mit dem  Berliner Modell. Dort wird der 1. TrennungsVERSUCH am 4. Tag durchgeführt. In anderen Modellen findet dies häufig erst später statt, was ich sehr begrüße.
Im Berliner Modell lege ich größten Wert auf das kleine Wörtchen „Versuch“. Hier wird angetestet und ausprobiert und sofort unterbrochen, wenn das Kind Gegenwehr und Widerstand zeigt bzw. Sich nicht auf die Tröstangebote der Fachkraft einlässt.
Es geht also nicht um Schema F, sondern es gilt die Persönlichkeit und das individuelle Tempo des Kindes zu berücksichtigen.
Für die meisten Kinder ist eine Trenung am vierten Tag noch viel zu früh.

Merke: Eine Trennung am 4. Tag ist in den meisten Fällen wenig sinnvoll. Auch der Trennungsversuch ist zu diesem frühen Zeitpunkt fragwürdig. Ein sanftes Ankommen und Kennenlernen stärkt Vertrauen und Beziehung zu den Fachkräften, was den Übergang sehr erleichtert.

# Irrtum No.5 – DAS ist vom Modell so vorgeschrieben

Diese Aussage beinhaltet im Prinzip eine Steigerung von Irrtum No. 4. Egal worum es geht, es wird mit den vermeintlichen Vorgaben des Modells argumentiert. Das führt dann in der Praxis nicht selten zu Stillblüten, wie ich selbst schon in der Elternberatung begleitet habe. Die komplette Eingewöhnung war durchgetaktet. Einschließlich Tag 4 hatte das Kind bis dahin kooperiert und dann kam es zu der Situation, dass am 5. Tag die bisherige Bezugserzieherin erkrankt war und anstatt nun die Trennungsversuche vorübergehend auszusetzen, wurde ganz nach Plan verfahren. Obwohl das fast einjährige Kind, die neue Person noch nicht kannte, sollte die Mutter nach einer kurzen Verabschiedung gehen. Das Kind reagierte verzweifelt und weinte und schrie. Aber die Mutter sollte trotzdem für 20 Minuten fortbleiben. Der Mutter wurde vermittelt, dass sei alles ganz normal und nach dem Modell wäre das der übliche Weg.Glücklicherweise vertraute die Mutter auf ihr Bauchgefühl und verkürzte nach einigem Hadern die Trennungssituation gegen den Willen der Fachkraft. Nach dem Wochenende sollte es sofort zu weiteren Trennungen kommen, gegen die das Kind sich vehement auflehnte. Bei den Fachkräften war bis zum Schluss kein Abweichen vom Ablauf des Modells möglich, sie beharrten auf die Richtigkeit des Vorgehens. Nachdem dann der Vater sein Glück erfolglos versuchte (Fun-Fakt für Irrtum No. 3) wurde seitens der Eltern die Eingewöhnung abgebrochen und das Kind abgemeldet.

Merke: Eingewöhnungmodelle wurden nicht dazu entwickelt, sich sklavisch daran zu halten. Sie geben eine Orientierung, wie eine Eingewöhnung gelingen kann. Alle Modellen haben zum  Ziel, dem Kind und seinen Eltern Sicherheit und Orientierung zu geben, damit sie den Übergang in die Kinderbetreuung gut bewältigen können. Dabei ist es elementar wichtig, die Bedürfnisse des Kindes ernst zu nehmen. Diese Bedürfnisse äußert es durch seine Bindungssignale wie schreien, weinen, klammern etc.

# Irrtum No. 6 – Das Kind muss trocken sein, wenn es in die KInderbetreuung kommt

Diese Frage wurde mir viele Jahre von jungen Eltern gestellt, die dies von ihren Eltern oder Großeltern so eingetrichtert bekommen hatten. Der Ursprung dieser Grundannahme ist schnell zu ergründen. Als ich vor 30 Jahren als Fachkraft gearbeitet habe, waren hier in den alten Bundesländern die jüngsten Kinder vier oder fünf, die in den Kindergarten kamen. In diesem Alter hatten die meisten Kinder bereits ihre Blase und ihren Darm unter Kontrolle. Mit den zunehmend jünger werdenden Kinder bedurfte es ein Umdenken, das glücklicherweise in den meisten Fällen stattgefunden hat.

Vor gut 20 Jahren traf ich noch regelmäßig auf Fachkräfte, die diese Meinung vertraten. Heute ist das deutlich weniger geworden, aber noch immer nicht ganz  weg. Laut meiner Umfrage auf Insta sind es ca. 30% der Fachkräfte, die Kolleg*innen haben, die diesen Irrglauben auch heute noch für Kinder ab 3 Jahren vertreten. Und irgendwo in Bayern gibt es allen Ernstes eine Einrichtung, die für Kinder ab 3 Jahren eine Wickelzulage für den personellen Mehraufwand von bis zu 30 € im Monat erhebt. 🤦

Merke: Kein Kind muss vor der Eingewöhnung trocken sein. Bei den meisten Kindern ist dies entwicklungsbedingt nicht vor dem 4. Lebensjahr möglich. (vgl. G. Haug-Schnabel und Dorothee Gutknecht).

# Irrtum No. 7 – Die Mutter sollte vor der Eingewöhnung abgestillt haben

Das sind veraltete und falsche pädagogische Denkweisen, die heute überholt sind. Wir wissen es heute besser: die Mutter ist nicht für den Beziehungsaufbau zwischen dem Kind und der pädagogischen Fachkraft zuständig oder verantwortlich. Bindungspersonen können natürlich diesen Aufbau unterstützen, indem sie ihrem Kind vermitteln, dass der/die Erzieher*in xy wir Fachkräfte nett und vertrauenswürdig sind. Aber die Bindungspersonen müssen dafür nichts (!) an der Beziehung zu ihrem Kind verändern.

Ich selbst habe vor 25 Jahren eine Eingewöhnung erlebt und begleitet, bei der die Mutter des 6 Monate alten Kindes von ihrem Recht gebraucht machte, 1-2 x am Tag noch zum Stillen zu uns in die Einrichtung zu kommen. Auch das hat wundervoll funktioniert. Ich hatte den Eindruck, dass das Kind so auch zwischendurch Kraft bei der Mutter auftanken konnte, um sich dann wieder auf die Fachkräfte und den herausfordernden KitaAlttag einlassen zu können.

Wenn eine Fachkraft der Meinung ist, dass Stillen oder ein Familienbett, Tragen, Kuscheln usw. falsch sei, da sich ein Krippen- oder Kindergartenkind von seinen Eltern ablösen muss, dann kennt diese Person sich recht wenig mit der Bindungstheorie und Entwicklungspsychologie aus oder möchte sich nicht auf dem aktuellsten Stand halten. Hier sollte noch einmal sehr genau das Bild vom Kind überprüft werden.

Merke: Kinder können sehr wohl Beziehungen zu anderen aufbauen, auch wenn sie gestillt werden. Vor allem bei so großen Entwicklungsaufgaben wie die Bewältigung der Eingewöhnung ist das Weiterstillen sogar von Vorteil, weil es Geborgenheit, Trostt und Zuwendung gibt. Es beruhigt das Stresssystem des Kindes und erleichtert den Übergang.

# Irrtum No.8 – Verabschiedung lieber kurz und schmerzlos

Das entspringt der falschen Vorstellung, dass wenn ich ein Gefühl nicht lange spüren muss, dass es dann auch schnell wieder vorüber ist.  Bei einer unvermittelten und zügigen Verabschiedung, ist das Kind meistens überrumpelt und reagiert überrascht. Je nach Alter und Entwicklungsstand kann es die Situationen und die damit verbundenen Konsequenzen noch gar nicht richtig einschätzen. Daraus lässt dann nicht zwangsläufig schließen, dass nur weil das Kind in diesem Moment gar nicht reagieren kann, es ihm damit wirklich gut geht.

Möglicherweise ist sein Stresssystem gerade so hochgradig aktiviert, dass ihm nur das Notfallprogramm Erstarren zur Verfügung steht.  Gerade dann sollte die Bindungsperson sich langsam verabschieden dürfen, damit das Kind soweit beruhigt wird, dass es sich auf die Bezugserzieher*innen in diesem Moment überhaupt einlassen kann.

Dazu gehört auch, dass das Kind die Erfahrung machen kann: wenn ich traurig bin, dann ist das okay. Ich werde verstanden und ich werde nicht alleine gelassen mit meinen Gefühlen.

Das „Abflücken“ des Kindes vom Arm der Bindungsperson ist übrigens übergriffig und grenzüberschreitend. Im Rahmen des institutionellen Kinderschutzes steht dieses Verhalten absolut auf rot.

Merke: Es ist für das Kind wichtig, mit seinen wahren Gefühlen in Kontakt kommen zu dürfen und dann tut es gut, dies mit den für sie wichtigsten Personen zu erleben und zu bewältigen. Ein Kind hat das Recht auf seine Trauer und sein Traurigsein. Bekommt ein Kind die Zeit, das es braucht, wird es sogar viel schneller das nötige Vertrauen zu den Bezugserziehende fassen können.

# Irrtum No. 9 – Tränen gehören zur Eingewöhnung dazu, da muss das Kind durch

Tränen gehören bei vielen Kindern in der Trennungssituation durchaus dazu und sind Ausdruck ihres Trennungsleids und Trennungsprotestes, das muss aber nicht so sein. Lässt man Kind und Bindungspersonen die notwendige Zeit, sich zu orientieren, anzukommen und Beziehung zur Fachkraft aufzubauen, können diese Tränen auch gänzlich ausbleiben.

Tränen sind immer Signale für Bindungsverhalten, die mitteilen wollen: Geh noch nicht! Bleib hier! Ich bin noch nicht so weit. Ich brauche dich, bis ich hier gut angekommen bin. Und Tränen können auch ein wichtiges Ventil sein, um der eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen.

Und Nein- kein Kind muss da pauschal durch. Leider erlebe ich immernoch viel zu oft, dass Kinder in ihrer Trauer und in ihrer Not alleine gelassen werden. Sie sitzen dann einsam und alleine – sich selbst überlassen – und sollen mit ihrem Schmerz alleine klar kommen. Das ist herzlos und grausam. Mit Blick aus das Kinderschutzkonzept zählt das eindeutig zu emotionaler Gewalt. In einer sowieso stressbehafteten Zeit wie der Eingewöhnung wird das Kind dadurch zusätzlichem Stress ausgesetzt. Das ist schlichtweg entwicklungshemmend und nicht zu beschönigen. Dazu gibt es mittlerweilen fundierte Erkenntnisse aus der Neurobiologie – Stress verändert die kindlichen Gehirnstrukturen und verlangsamt Lern- und Entwicklungsprozesse. Zusätzlich haben frühe Stresserfahrungen eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf das spätere Stresssystem des Erwachsenen. Das kann minimiert werden durch gute Co-Regulation und hier wirken gerade die vertrauten Bindungspersonen für das Kind beruhigend.

Merke: Ist ein Kind untröstlich, sind gerade die Bindungspersonen wichtig, damit das Kind in deren Gegenwart möglichst stressdreduziert, sich mit den Fachkräften, den Kindern und der neuen Umgebung vertraut machen kann.
Ein Kind, dass traurig ist, braucht Zuwendung, Nähe und Trost. Es darf niemals in seinem Schmerz alleine gelassen werden. Wenn die Bindungspersonen nicht da sind, ist dies eine der wichtigsten Aufgaben der pädagogischen Fachkraft.

# Irrtum No. 10 – Das Kind weint extra, damit es nicht hierbleiben muss

Und da ist sie wieder: die Unterstellung, dass Kinder aus der Absicht heraus handeln, um die Erwachsenen unter Druck zu setzen und zu manipulieren. Hier lassen Johanna Harrer (Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind) und Dr. Michael Winterhoff (Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden) grüßen.

Nein!!! – Kinder manipulieren uns Erwachsene nicht. Sie treten für sich und ihre Bedürfnisse ein und wenn wir dies übergehen, dann tun sie das aus der Not heraus auch heftig und lautstark. Wenn Kinder weinen, dann haben sie immer einen guten Grund. Wenn sie dann Bindungspersonen an ihrer Seite haben, die das ernst nehmen, dann ist das als Fachkraft anzuerkennen und zu unterstütze. Das kann im Einzelfall natürlich auch heißen, dass ein Kind während oder auch nach der Eingewöhnungszeit früher als geplant abgeholt wird, weil es das gerade braucht. Ein solches Vorgehen fördert das Vertrauen des Kindes in alle Richtungen.

Merke: Die Bedürfnisse und Bindungssignale wahrzunehmen, zu verstehen und darauf einzugehen, fördert das Vertrauen des Kindes und erleichtert den Übergang Familie zur Kinderbetreuung. Dabei ist Feinfühligkeit und Sensitive Responsivität- eine wichtige Kompetenz einer jeden pädagogischen Fachkraft.

# Irrtum No. 11 – Wenn wir einmal in der Trennungsphase sind, dann gibt es kein zurück mehr

Die Basis einer bedürfnisorientierten und beziehungsstarken Eingewöhnung ist die Feinfühligkeit der eingewöhnungsbegleitenden Fachkräfte. Dazu gehört es auch, sehr einfühlsam damit umzugehen, dass das Kind zu unterschiedlichsten Zeitpunkten des Ankommens, seiner Trauer Ausdruck verleiht und signalisiert: „Das geht mir gerade alles viel zu schnell, ich brauche noch Zeit.“
Auf dieses Bedürfnis dann einzugehen und Tempo rauszunehmen oder die Bindungsperson auch noch einmal für eine kurze Zeit wieder mit dabei sein zu lassen ist kein Rückschritt. Ausführlicher habe ich zu diesem Punkt schon einmal in meinem früheren Blogartikel: „Abschied ohne Tränen?“ geschrieben.
Diese Maßnahmen werden immer dann notwendig, wenn das Kind kurz davor steht, sich komplett zu verweigern, was in der Praxis oftmals dadurch forciert wird, dass die Trennungsversuche ohne Pause Tag für Tag wiederholt werden.

Merke: Eingewöhnung verläuft nie linear. Ein Kind, das auch in der Trennungsphase seine Bindungspersonen wieder einfordert, braucht noch Zeit. Rückschritte geben dem Kind die Möglichkeit zur Entschleunigung. Dieses Vorgehen dient schließlich der Stressregulation und dem Aufbau von Vertrauen.

# Irrtum No. 12 – Wenn die Bindungsperson jetzt nachgibt, dass wird es gar nicht mehr klappen

Passt auch zu Irrtum No. 11. Diese Haltung begegnet mir häufig, wenn die Eingewöhnung eigentlich schon als abgeschlossen gilt und das Kind dann von heute auf morgen seine Trauer zeigt und wieder mit nach Hause möchte.
Dann meinen manche Fachkräfte, sich auf einmal dem Kind gegenüber durchzusetzen und ihm zu zeigen zu müssen, dass das so nicht funktioniert.

Dabei gibt es viele Gründe, warum ein Kind, die Nähe zur Bindungsperson der Kinderbetreuung wieder vorzieht:
– ihm geht es gerade nicht so gut
– es war so schön zu Hause
– es gab Stress, der noch nicht ausgestanden ist
– das Trennungsleid tritt jetzt erst mit Zeitverzögerung auf
– das Kind war krank und muss sich erst wieder neu einfinden

Merke: Es gibt immerwieder Situationen, in denen es dem Kind gut tun wird, dass die Bindungspersonen, sich für die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes Zeit nehmen. Ausnahmen können hier sehr stressreduzierend wirken. Alles andere artet schnell in einen Machtkampf aus und ist als adultistisch einzuordnen. Wenn die Bindungsperson das Kind aus verschiedensten Gründen nicht vwieder mit nach Hause nehmen oder nicht in Ruhe den morgentlichen Übergang in dieser Situation begleiten kann, braucht das Kind eine Erklärung und zugewandte Fachkräfte, die diesen erschwerten Übergang dann feinfühlig begleiten und die Gefühle ernst nehmen.

# Irrtum No. 13 – Die Eingewöhnung muss nach 2 Wochen abgeschlossen sein

Diese Fehlannahme wird oftmals von den Ablaufplänen des Berliner Eingewöhnungsmodells abgeleitet, die dort exemplarisch für 2 Wochen beschrieben sind.
Mit Hineinspielen kann zusätzlich

  • der Druck, den manche Eltern machen, so schnell wie möglich die Kita wieder verlassen zu können,
  • die große Zahl der neuen Kinder, die es aufzunehmen gilt,
  • der Wunsch der Fachkräfte schnellstmöglich zum Alltag zurückkehren zu können,
  • nicht so kange von Bindungspersonen beobachtet zu werden

Merke: Keine Eingewöhnung ist nach exakt 2 Wochen abgeschlossen. Die meisten Kinder bleiben zwar ohne größeres Trennungsleid nach 2 Wochen ohne ihn Bindungspersonen in der Kinderbetreuung. Der Prozess des Ankomnens, Orientierens und Sicherheit gewinnen geht aber noch weiter. Wie eine bindungs- und bedürfnisorientiert gestaltete Eingewöhnung aussehen kann, habe ich in dem Kita Talk mit Teresa Miss:  Jedem Kind sein eigenes Tempo – auch in der Eingewöhnung besprochen.

Soweit ersteinmal die wesentlichsten Irrtümer und Mythen, die ich auch mit Hilfe einiger Fachkräfte auf Instagram und Faceboo gesammelt habe. Fehlt dir noch ein Aspekt? Dann schreib ihn gerne in die Kommentare. Gerne schaue ich dann dort wie wir diesen Mythos entkräften können.

Ich wünsche dir eine bindungsstarke und bedürfnisorientierte Eingewöhnungszeit mit den neuen Kindern und Eltern

Deine Anja

 

 

 

 

 

Peergroup Eingewöhnung Stimmen aus der Praxis

Ein besonderes Dankeschön geht hier an die Kolleginnen des Evangelischen Kindergarten Huckepack in Hüllhorst. Petra Stallmann hat sich vo ein paar Jahren auf meine Anregung hin auf den Weg gemacht, die Peergroup Eingewöhnung in ihrer Gruppe umzusetzen.

Hier kannst du nun nachlesen, wie die verschiedenen Beteiligten diese Form der Eingewöhnung erleben.

Die Eingewöhnung aus Sicht der Leitung

Die Rückmeldung der Eltern zu diesem Eingewohnungsmodell sind durchweg positiv. Das ergab sich aus dem zurückliegenden Audit. Wichtig ist es aber, die Eltern sorgfäItig über dieses Eingewöhnungsmodell zu informieren. Auch die Kontakte unter den Eltern werden intensiviert, weil Sie sich mehr als Gruppe erleben. Das stärkt ihr „Wir-GefühI“. Die EItem. erfahren auch so etwas wie eine „Eingewöhnung & Abnabelung“ als Gruppe.

Es eignet sich nur fur kleine Gruppen, weil die Räume und Personalkapazität dies sonst nicht zulassen. In einer Betreuungsgruppe in der sich 20 oder mehr Kinder befinden, gibt es bei uns keine Möglichkeit parallel zum Betreuungsalltag einen Gruppenraum „nur“ fur die Eingewöhnung vorzuhalten. Da auch nachmittags Kinder in der Einrichtung sind, steht bei uns kein Zeitfenster zur Verfügung in dem das möglich wäre.  Die Personaldecke lässt kaum zusätzliche Arbeitszeiten zu, ohne dass Personal im pädagogischen Alltag fehlt. Ideal ist es, wenn Eingewöhnungszeiten ab 14 / 15 Uhr sind. So i‹ann der „normale‘ Betrieb weiterIaufen. Das bedeutet aber, dass uriter den Bestandskindern möglichst keine oder nur vereinzelt 45 Stunden gebucht sind. Im Gruppentyp II at es sich bewährt 50% der Gruppe neu zu belegen.

Die Kinder in der Krippengruppe profitieren von dieser Eingewohnung, weiI sie nicht ganz so sehr in Abhängigkeit von der einzelnen Erzieherin stehen. Natürlich ist das Personal nach wie vor ein wichtiger Bez!ehungsanker, dennoch scheinen die Kinder schneller Kontakte zu den anderen Kindern aufzubauen, was auch bedeutet, dass sie schneller ins Spiel kommen.

Die Sicht von Petra, der Gruppenleitung

Seit 2017 gewöhnen wir die Kinder unserer U3 Gruppe nach dem Peergroupmodell ein. Nach wie vor verläuft die Eingewöhnung sehr strukturiert, unkompliziert und schnell ab.

Dass die Kinder „sicher“ eingewöhnt sind, zeigt sich auch nach längeren Fehlzeiten der Kinder oder Erzieherinnen. Dieses ließ sich in den Coronazeiten gut beobachten. In der Bringzeit betreten die Kinder selbstverständlich den Raum und werden fröhlich vom Rest der Gruppe empfangen, bewegen sich zielgerichtet auf ein bestimmtes Spielzeug zu oder gehen in ihre Lieblingsecke, in der sie sich besonders wohlfühlen. Manche Kinder suchen sich anfangs eine Bezugserzieherin aus, verhalten sich aber nach kurzer Zeit sehr offen gegenüber den anderen Erzieherinnen der Gruppe.

Zum reibungslosen Ablauf der Eingewöhnung gehören die Planung, die Informationen, die Absprachen mit dem Team und den Eltern sowie die Vorbereitung der Räumlichkeiten mit Spielzeug in doppelter Ausführung. Lezteres sorgt dafür, dass die Kinder durch Beobachtung und Nachahmung auf Augenhöhe kommunizeren können und so in Interaktion treten.

Schnell bekommen die Kinder Freude am Explorieren. Die Sicherheit bietet ihnen die integrierte Elternecke, wo die Kinder jederzeit Kontakt zu ihren Eltern aufnehmen können. Darüber hinaus dient diese Ecke auch dem Kennenlernen der Eltern untereinander, was sich für die weitere Mitarbeit in der Gruppe als sehr hilfreich erwiesen hat.

Die einzugewöhnenden Kinder werden in Absprache mit den Eltern in zwei Gruppen geteilt, einer Vor- und einer Nachmittagsgruppe. Diese beiden Gruppen wurden in den letzten Jahren am vierten Tag zusammengeführt. Ganz individuell halten sich die Eltern an den folgenden Tagen in der Gruppeneltenecke, der ausgelagerten Elternecke auf oder sind per Handy jederzeit errreichbar. Meistens bestätigt sich hier, wie unkompliziert und schnell diese Form der Eingewöhnung abläuft.

Im letzen Jahr hatte ein Kind bereits zwei Tage mit der Mutter den Kindergarten besucht, sich auch sichtlich wohlgefühlt und ist dann für anderthalb Wochen erkrankt. Nach dieser Krankheitsphase begann die Eingewöhnung für dieses Kind erneut. Hier hat es sich als hilfreich erwiesen, die Gruppe zu entzerren, um dem Kind die Möglichkeit zu bieten mit zwei weiteren Kindern in Ruhe in Beziehung zu treten.

Die Sicht von Estelle, einer Gruppenkollegin

Ich empfinde das Eingewöhnungsmodell als eine sehr strukturierte und angenehme Weise, die Kinder nach ihrem eigenen Tempo in den Kindergartenalltag einzugewöhnen.

Zudem finde ich es toll, dass nicht nur die Kinder eine Beziehung und Bindung zueinander aufbauen, sondern auch die Eltern die Möglichkeit haben, sich kennenzulernen und auszutauschen, was einer tollen Atmosphäre der Gruppe und auch der Elterngemeinschaft zu Gute kommt.

Ich finde, die Kinder sind meistens sehr entspannt, und freuen sich auf die anderen Kinder, auf ein bestimmtes Spielzeug oder auf eine bestimmte Räumlichkeit, in der sie sich ganz besonders wohl gefühlt haben.

Kinder, die im selben Alter sind, können toll voneinander lernen, sich bestimmte Dinge abgucken und eine besonders feste Bindung zueinander aucfbauen, was ihnen bei der Trennung von den Eltern enorm hilft.

Vorraussetzung dafür, dass das Modell umzusetzen ist, ist die Mitarbeit der Eltern.

Ich würde abschließend sagen, dass ich in den 3 Jahren durchweg Positives in der Eingewöhnung erlebt habe und sich diese Art des Modells in unserer Gruppe bewährt hat. Außerdem finde ich es super, dass sich die Kinder selber eine Bezugsperson aussuchen können und sie nicht zugeteilt werden.

Die Sicht von Verena, einer weiteren Gruppenkollegin

Eingewöhnung in der Peergroup – aus meiner Sicht eine sehr sanfte, langsame Eingewöhnung, die sowohl den Kindern als auch Eltern Zeit gibt, sich an den Kindergartenalltag zu gewöhnen.

Sie gibt viel Raum und Zeit um die Erzieherinnen, die anderen Kinder, die Räumlichkeiten und auch Rituale kennenzulernen. Die Kinder haben die Möglichkeit, sich Stück für Stück nach eigenem Zutrauen vom Sitzplatz der Eltern zu entfernen und auf „Entdeckungsreise“ zu gehen.

Sie dürfen die Sicherheit erfahren, dass ihre Eltern an dem gleichen Ort wiederzufinden sind.

Wir Erzieherinnen sind bemüht, Kontakt zu jedem Kind aufzubauen. So wird ein gegeseitiges Kennenlernen gefördert, den Kindern wird dennoch die Chance gelassen sich eine Bezugsperson auszusuchen.

Oft gelingt es sehr schnell das Vertrauen der Kinder zu gewinnen, sodass wir Erzieherinnen nach und nach immer mehr Aufgaben übernehmen können, die sonst den Eltern vorbehalten waren. Natürlich gelingt dieses besonders gut, wenn Eltern bereit sind zuzulassen, dass die Kinder die ersten „Abnabelungsversuche“ unternehmen und diesen Prozess bereitwillig unterstützen.

Für die Eltern bedeutet diese Art der Eingewöhnung, dass sie viel Zeit in die ersten Wochen investieren müssen und sie verlangt auch eine gewisse Art von Flexibilität ab. Hat ein Kind schon tolle Fortschritte gemacht und kann schon für kurze Zeit „alleine“ im Kindergarten bleiben, werden die Eltern in die Elternecke der Einrichtung oder bei kurzem Weg auch nach Hause geschickt.

Da alle Eltern während der Eingewöhnung an einem festen Platz sitzen, in unserem Fall ist das der Nebenraum, bekommen sie auch die Fortschritte der anderen Kinder mit und müssen es auch aushalten, wenn andere Kinder schnellere Fortschritte machen als das eigene Kind.

Ich bevorzuge diese Art der Eingewöhnung, da die Eltern und die Kinder dort abgeholt werden, wo sie gerade stehen. Sie bietet viel Raum und Zeit zum Kennenlernen, gibt den Erzieherinnen gute Beobachtungsmöglichkeiten, um individuell auf die Kinder einzugehen (z.B. wie das Kind getröstet wird, welches Spielzeug besonders interessant ist…).

Als wichtig erachte ich es auch, dass die Kinder mit einem guten Gefühl nach Hause gehen und gerne in den Kindergarten zurückkehren. Deshalb sollten die Spielphasen in den ersten Tagen von kurzer Dauer sein und dann langsam ausgeweitet werden.

Und zum Abschluss die Sicht einer Mutter

Unsere Tochter, 1,7 Jahre, geht seit August 2021 in den Kindergarten. In der Einführungszeit fühlten wir uns als Eltern sehr gut aufgehoben. Die Interaktion mit den Kindern/Eltern erfolgte, trotz Coronabedingungen, sehr intensiv. Unsere Tochter hat schnell Vertrauen zu den Fachkräften gefunden, was wohl auch daran liegt, dass diese alle jederzeit freundlich und offen gegenüber den Kindern und auch den Eltern sind.

In diesem ersten halben Jahr können wir von einer durchaus positiven Entwicklung unserer Tochter sprechen. Wir merken, dass mit den Kindern jeden Tag intensiv interagiert wird. Sei es sprachlich, musikalisch oder auch in der Bewegung. Ihr Wortschatz wächst von Tag zu Tag. Dazu tanzt und singt sie gerne. Auch scheint sie bereits erste engere Verbindungen mit einigen Kindern aufzubauen, da drei bis vier Namen auch außerhalb des Kindergartens eine Rolle spielen. In der Regel ist sie immer positiv gestimmt, wenn wir sie aus dem Kindergarten abholen. Auch morgens freut sie sich, wenn wir sie hinbringen. Für uns ein Zeichen, dass sie sich wohlfühlt und ihr eure Arbeit mit viel Engagement ausübt. Auch ihr Sozialverhalten wird durch den Kindergarten positiv beeinflusst. So signalisiert sie, was sie möchte und sagt auch Nein, wenn es ihr zu viel wird. Das Teilen/Abgeben von Spielsachen klappt ebenfalls schon sehr gut.

Positiv erwähnen möchten wir auch unser erstes gemeinsames Gespräch, wo wir unsere gegenseitigen Erfahrungen bezüglich der Entwicklung unserer Tochter austauschen konnten. Trotz der Coronabedingungen fühlen wir uns von den Fachkräften der Gruppe jederzeit mitgenommen. Der kurze Austausch über den Tag beim Bringen/Abholen finden wir sehr gut.

Mehr über das Modell

Soweit die Stimmen aus der Praxi und den Erfahrungen mit der Peergroup-Eingewöhnung. Ich wünsche mir, dass sie dich vielleicht noch ein bisschen neugieriger auf diese Eingewöhnung gemacht haben.

Wenn du mehr über die Peergroup-Eingewöhnung erfahren möchtest. Im Oktober erscheint mein Buch: Peergroup-Eingewöhnung im Verlag an der Ruhr. Du kannst es schon jetzt im Buchhandel oder im Shop des Verlages vorbestellen.

 

Peergroup Eingewöhnung – Ein Erfahrungsbericht aus der Kindertagespflege

Im folgenden berichtet  Susanna D., aus S. von ihren Erfahrungen mit der Peergroup – Eingewöhnung in der Kindertagespflege.

Die Ausgangssituation

Kurze Infos zu meiner Kindertagespflege: ich arbeite alleine und darf daher 5 Kinder gleichzeitig betreuen. Durch Corona und meine eigene Schwangerschaft und Geburt in 2021, hatte ich das Pech, dass gleich 4 Plätze frei waren und gleichzeitig das Glück, dass es 4 Kinder gab, die nach meinem Mutterschutz durch mich betreut werden wollten.

Die Lösung für ein Problem

Da alle 4 Kinder im gleichen Alter waren (1 Jahr), wollten die Eltern auch gerne alle zur gleichen Zeit wieder zurück in ihren Beruf finden. Anfangs hatte ich sehr Bedenken, da das Berliner Modell in meinen Augen hierfür nicht geeignet ist. Auch wollte ich eine Eingewöhnungsphase von Monaten vermeiden, sondern lieber eine Alternative anbieten, in der es schneller geht, damit sich zeitnah eine Gruppendynamik aufbauen kann.

Durch Zufall habe ich dein Online-Seminar über die Peergroup Eingewöhnung per Facebook gefunden und sofort gedacht, dass ist die Lösung für mein Problem. Dank des Seminars konnte ich mit den von dir gereichten Werkzeugen meine Peergroup Eingewöhnung vorbereiten und mich sicher an das Projekt wagen.

Eine Gute Vorbereitung ist alles

Gesagt, getan … Natürlich musste hier eine gute Vorbereitung erfolgen – so als Alleinakteur. Glücklicherweise habe ich in meinem eigenen Haus 3 Räume für die Kindertagespflege: einen Gruppenraum, einen Schlafraum und einen Turnraum.
Für den Elternbereich wählte ich den Schlafraum, da ich zur Eingewöhnungszeit keine schlafenden Kinder hatte. Hier konnten die Eltern sich zurückziehen und die Kinder wussten immer, wo sie ihren Anker finden.

Das Abenteuer beginnt

Die Eltern waren alle vorab bereits miteinander bekannt und die Kinder kannten sich durch einen gemeinsamen Pekip-Kurs auch.

Wir haben bereits die ersten Tage mit einer Zeit von 1,5 Stunden gestartet, da die Kinder meist noch einen Moment gebraucht haben um anzukommen und sich frei zu bewegen. Ich finde gerade bei den Zeiten sollte man locker bleiben. Wenn die Kinder gut spielen und neugierig sind, sollte es hier kein starres „und jetzt ist Schluss für heute“ geben.

Bereits nach 3 Tagen konnten die ersten beiden Eltern ohne Probleme und mit einer direkten Verabschiedung für 10 min gehen. Das hat von Anfang an bei diesen Kindern sehr gut geklappt (in meinen vorherigen Eingewöhnungen gab es da öfter Schwierigkeiten). Ich konnte in relativ kurzer Zeit die Stunden erhöhen und nach 2 Wochen haben beide Kinder bereits freiwillig und sicher bei mir zu Mittag gegessen und ihren Mittagsschlaf gehalten.

Ich war sehr erstaunt, wie schnell sich diese beiden Kinder an meinen Tagesablauf gewöhnt haben. Auch rückblickend nach einem halben Jahr, fühlen sich beide sicher und geborgen in meinen Räumen. Sie haben eine gute Bindung zu mir aufgebaut, bewegen sich frei im Raum und entwickeln sich ihrem Alter entsprechend hervorragend.

Kindorientierung vor Peergroupfokussierung

Die anderen beiden (Zwillinge) haben etwas länger gebraucht und diese Zeit haben wir Ihnen gegeben.

Anfangs konnte die Mutter nicht einmal den Raum verlassen und die beiden kreisten sehr eng um sie herum. Nach ca. 2 Wochen wurde es etwas entspannter.

Dann hat der Vater (aufgrund des beruflichen Wiedereinstiegs der Mutter) übernommen. Hier waren wir bereits soweit, dass sich die Eltern außerhalb des Raumes aufhalten konnten. Mit langsamen Steigerungen waren auch diese beiden Kinder nach 5 Wochen angekommen und eingewöhnt. Obwohl sie sich anfangs mit dem alleine bleiben schwer taten, haben sie sich dann sehr schnell an Mittagessen und Mittagsschlaf bei mir gewöhnt.

Nach einem halben Jahr kann ichrückblickend sagen, dass die beiden eine absolute Herausforderung waren und ich sehr glücklich bin, dass sie mich als neue Bezugsperson in ihr Herz geschlossen haben und sich sehr wohl bei mir fühlen. Auch hier ist eine enge Bindung vorhanden.

Das Fazit

Mein Fazit für die Peergroup: die Eingewöhnung, egal nach welchem Modell, ist in meinen Augen die Königsdisziplin in der Kinderbetreuung. Mit ihr steht und fällt die zukünftige Betreuung der Kinder.

Das Peergroup-Modell bedarf einer guten Vorbereitung der Räumlichkeiten. Nach Möglichkeit sollte es eine Elternecke geben, die sich nicht direkt im Hauptaufenthaltsbereich der Kinder befindet, aber auch nicht zu weit entfernt liegt. Auch sollten die Abläufe vor Arbeitsbeginn gut durchplant sein, am besten ist es, den Eltern beim Abschied bereits die Pläne für den nächsten Tag mitzuteilen. So entsteht hier gleich eine Vertrauensbasis und die Eltern können sich vorbereiten und einstellen (kurz aus meiner eigenen Erfahrung als Mutter von 3 Kinder: ich wusste in der Kita selten, was heute von mir und meinem Kind verlangt wurde. Somit war ich oft überrascht, wenn die Erzieher auf mich zu kamen und sagten, so jetzt geh mal eben vor die Tür).

Die Peergroup erleichtert einer Kindertagespflegeperson den späteren Alltag. Heißt: Üblicherweise würde bei 4 Kindern die Eingewöhnung sich bis zu 4 Monaten ziehen, da in anderen Modellen eine Einzeleingewöhnung dargestellt wird. Die Eingewöhnungsphase bringt aber immer Umbrüche und Unruhe in den Alltag für die bereits vorhandenen Kinder. Auch ist es oft für gerade eingewöhnte Kinder schwer zu verstehen, warum nach bspw. 4 Wochen auf einmal die Aufmerksamkeit der Betreuerin auf jemand „Neues“ gerichtet wird.

In der Vergangenheit habe ich es erlebt, dass gerade eingewöhnte Kinder sich schwer tun mit „neuen“ Kindern. Durch die Peergroup wird ihnen dieser Teil erleichtert. Sie sehen bereits von Anfang an, dass die Betreuerin für jeden Zeit hat und ihre Aufmerksamkeit gut aufteilen kann. Sie erleiden keinen „Trennungsschmerz“ von ihrer neuen Bezugsperson und ich als Tagesmutter habe die Zeit mich auch nach 4 Wochen ausgiebig auf die Kinder zu konzentrieren.

Durch die gleichzeitige Eingewöhnung ist es mir gelungen, dass wir schnell in einen geregelten Tagesablauf übergehen konnten und somit mein „altes“(2,5 Jahre) Kind schnell wieder seinen gewohnten Rhythmus hatte.

Empfehlung für die Kindertagespflege

Meine Empfehlung für Kindertagespflegepersonen ist, dass die Peergroup-Eingewöhnung sich sehr gut auch in einer kleinen Gruppe umsetzen lässt. Bei einer Kindertagespflegestelle von max. 5 Kindern würde ich aber zukünftig trotzdem nur max. 3 Kinder gleichzeitig eingewöhnen um allen gerecht zu werden.
Bei meiner ersten Umsetzung habe ich mich für die 4 Kinder gleichzeitig nur entschieden, da ich 1. Zwillinge dabei hatte und 2. wusste, dass die Kinder sich bereits kannten und privat bereits Kontakt bestand.
Sollten die Räumlichkeiten in der Kindertagespflege es nicht hergeben, dass eine Elternecke eingerichtet werden kann, sollte sich gut überlegt werden, welche Alternativen möglich sind.

Vorbereitung für die Eingewöhnung, nicht nur für die Peer-Group: ich habe im letzten Jahr damit begonnen, dass ich vor Beginn (ca.1-2 Monate) Spielnachmittage mit den zukünftigen Tageskindern angeboten habe. Diese habe ich fix einmal die Woche veranstaltet. So konnten die Kinder bereits sich mit mir und den Räumlichkeiten vertraut machen. Eine absolute Empfehlung, auch wenn es für uns Tagesmütter meist bedeutet, dass diese Zeiten nicht bezahlt werden, aber das ist ein anderes Thema.

Trotz Hürden ein Erfolg

Von Seiten meiner Fachberaterin beim Jugendamt gab es keine Unterstützung. Sie war sehr skeptisch, alle Kinder gleichzeitig einzugewöhnen. Ich habe Sie zwar gut informiert, aber meist werden ja neue Modelle erstmal kritisch beäugt. Auch fand sie die Anwesenheit von 3 Eltern gleichzeitig zu Corona-Zeiten sehr bedenklich. Ich habe trotzdem die Eingewöhnung nach Peergroup durchgezogen und bin sehr stolz darauf, dass ich es geschafft habe, dass alle Kinder gut angekommen sind und sich wohl bei mir fühlen.

Die Chancen der Eingewöhnung in der PeerGroup für die C-Kinder und ihre Familien

In vielen Krippen, Kitas und Kindertagespflegestellen starten gerade die ersten Eingewöhnungen und spätestens nach den Sommerferien kommen wieder viele neue Kinder. Eine gute Gelegenheit, um diese Zeit des Ankommens und des Miteinander-Vertraut-Werdens genauer unter die Lupe zu nehmen.

Veränderte Ausgangsbedingungen

In den zurückliegenden Jahren kamen oftmals Kinder in die Kinderbetreuung, die bereits Trennungserfahrungen und Kontakterfahrungen mitbrachten. Diese Kinder hatten bereits diverse Krabbel,- Spiel- und Turngruppen besucht. Die Eltern waren regelmäßig mit anderen Eltern über Schwangerschaftsgymnastik, Rückbildungskurse, Wassergewöhnung und Babymassagen im Kontakt. Einige Kinder wurden bereits von Tagespflegekräften, Babysittern oder Großeltern betreut. All dies hat in den vergangenen 1 1/2 Jahren durch die Pandemie nur eingeschränkt bis gar nicht stattgefunden.

Von vielen Seiten bekomme ich mit, dass die aktuellen Eingewöhnungen aufgrund dieser fehlenden Vorerfahrungen mehr Zeit brauchen. Für einige Kinder ist der Übergang in die Kindertagesbetreuung das erste Trennungserlebnis von den Eltern und der erste Kontakt zu anderen Kindern. Und darauf reagieren die einzelnen Kinder ganz unterschiedlich. Auch einzelne Eltern äußern im Vorfeld zunehmend Bedenken, ob ihr Kind den Herausforderungen gewachsen ist.
Auf diesem Hintergrund habe ich in meinem letzten KitaTalk mit Stefanie von Brück über die „Auswirkungen der Pandemie auf die Eingewöhnung“ gesprochen. Stefanie von Brück und ich  sind uns einig, dass die bevorstehenden Eingewöhnungen mit besonderer Feinfühligkeit zu begleiten sind. Vielleicht hattest Du ja bereits Zeit einmal in den Talk reinzuschauen und unser Gespräch hat Dich inspiriert, über die Bedürfnisse der Kinder und Eltern, die jetzt kommen, nachzudenken.

Bedeutung der PeerGroup

Parallel habe ich das Buch von Corinna Scherwath „Liebe lässt Gehirne wachsen“, das sich im Kern mit den Sicheren Beziehungen der Kinder zu den erwachsenen Bindungs- und Bezugpersonen beschäftigt, begonnen zu lesen. Besonders gut gefällt mir das Kapitel, das sie den besonderen Beziehungen der Kinder untereinander widmet. Sie stellt heraus, dass die jeweilige Kindergruppe für jedes Kind „die erste eigene Lebenswelt“ bildet, „in der es Beziehungen auf Augenhöhe gestaltet.“ (Scherwath, 2021, S.80). Die Kindertagesbetreuung ist ein Setting, in dem sich viele Menschen begegnen, nicht nur Pädagogische Fachkräfte mit Kindern und Eltern.
In erster Linie ist sie ein Ort, an dem Kinder anderen Kindern (Peers) begegnen und mit denen sie spielen und lernen.

In meinem Seminar zur „Eingewöhnung in der PeerGroup“ verdeutliche ich immer wieder, welche Bedeutung die PeerGroup für die Kinder und ihre Entwicklung hat.
Die PeerGroup ist für die Kinder ein Ort des sozialen Miteinanders, eröffnet Raum für den Umgang mit Gefühlen und bietet viele Möglichkeiten zur Nachahmung.
Eine Studie von Carolin Howes zeigt ergänzend, dass Kinder bereits in den ersten 18 Monaten beginnen sich an einer PeerGroup zu orientieren und sich in Trennungssituationen gegenseitig positiv stützen.

Chancen der PeerGroup Eingewöhnung in der aktuellen Situation

Durch aktuellen Gegebenheiten stellte sich mir die Frage, ob es überhaupt gut und sinnvoll ist, die Eingewöhnung in der PeerGroup mit Kindern und Familien durchzuführen, die bislang nur wenig bis gar keine Kontakte mit anderen Kindern und Familien hatten. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass gerade diese Eingewöhnung große Chancen birgt.

Da diese Eingewöhnung zunächst einmal ein Spielgruppenähnliches Setting eröffnet, treffen hier Kinder und Eltern in einer ähnlichen Lebenssituation aufeinander. Die Kinder können im Beisein der Eltern miteinander ins Spiel kommen und die Eltern lernen sich untereinander kennen. Die pädagogische Fachkräfte können Kinder und Eltern im geschützten Rahmen begegnen, die Kinder im Miteinander beobachten, erste Spielkontakte der Kinder untereinander anregen und die Beziehung zu der Kindergruppe und dem einzelnen Kind sanft aufbauen.

Da die Eingewöhnung zunächst in einem separaten Raum mit maximal 3-5 Kindern stattfindet, werden die Kinder nicht sofort mit der gesamten Großgruppe konfrontiert. Sie dürfen erst ein paar Kinder kennenlernen und sich diesen annähern. Dadurch bleibt die neue Situation zunächst überschaubar und berechenbarer.
Auch die Ablösung von den Eltern geschieht in diesem kleinen, überschaubaren Rahmen.

Erst wenn die Kindergruppe sich miteinander stabilisiert hat, kommen verstärkt die anderen Kinder aus der Gruppe dazu bzw. die Kinder gehen fließend im eigenen Tempo in den offenen Bereich über. Bei dieser Erweiterung geben die entstandenen Beziehungen weiteren Halt und Orientierung. Die pädagogischen Fachkräfte können sich dann gezielt um einzelne Kinder kümmern, die eine individuellere Begleitung bei diesem Schritt brauchen.

In der Eingewöhnung in der PeerGroup bilden auch die Eltern eine Gruppe von Gleichgesinnten (Peers). Alle sind in der Situation, ihr Kind erstmalig in eine Kinderbetreuung zu bringen und sich schrittweise abzulösen und loszulassen. Gemeinsam diese Situation zu bewältigen, kann hilfreich und unterstützend sein. Oftmals tut es gut, zu spüren, nicht alleine zu sein.

Ich bin überzeugt davon, dass diese Form der Eingewöhnung viele Chancen bietet, damit Kinder und Eltern ihrem jeweiligen Tempo entsprechend in der Kindertagesbetreuung ankommen können.

Es lohnt auf jeden Fall, sich mit diesem Modell einmal intensiver zu beschäftigen.

Deine Anja

 

Weiterführender Blogbeitrag

Die Eingewöhnung in der Peer-Group

Live-Online-Seminar

Freitag, 25.06.2021 von (16.30) 17.00 – 20.00 Uhr  „Eingewöhnung in der Peer-Group“ bei www.ruekhalt-berlin.de

Weiterführende Podcasts/ KitaTalks

YouTube KitaTalk mit Sabrina Djogo: Eingewöhnung in der PeerGroup

Feas Naive Welt: Eingewöhnung in der PeerGroup

Buchtipp:

Scherwarth, Corinna: Liebe lässt Gehirne wachsen, Verlag an der Ruhr, 2021

 

Die Bedeutung der Peer Group bei der Wieder- Eingewöhnung

Im Rahmen einer Supervision kam bei einigen Pädagogischen Fachkräften die Frage auf, wie es wohl werden wird, wenn der Lockdown nach so vielen Wochen wieder endet und die Kinder, die über einen so langen Zeitraum zu Hause betreut wurden, wieder in die Kindertagesbetreuung zurückkehren. Bei einigen war die Eingewöhnung gerade erst abgeschlossen und die Frage wird auch seitens der Eltern laut, ob eine neue Eingewöhnung nötig werden könnte.

Bereits im vergangenen Jahr standen diese Sorgen im Raum und da waren es in vielen Einrichtungen noch mehr Kinder, die zu Hause betreut worden sind. In dieser Zeit habe ich meinen ersten Blogbeitrag zur (Wieder-) Eingewöhnung der Kinder veröffentlicht. Im Nachhinein betrachtet, haben die Kinder im letzten Jahr die Rückkehr in ihre Gruppen sehr gut bewältigt und viele Befürchtungen sind gar nicht erst eingetroffen. Die meisten Kinder haben sich einfach nur gefreut, wieder in Krippe, Kita und Kindertagespflege zurückkehren zu können. Sie haben freudig ihre Freunde und Freundinnen in den Arm genommen und ihre Spieltätigkeit wieder aufgenommen. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch dieses Mal so ähnlich sein wird und mittlerweile vertrau ich auch darauf, dass es so kommen kann.

Meine Zuversicht begründet sich aus den Erkenntnissen der Peer Group Forschung von Carolin Howes. Bereits in meinem Beitrag „Eingewöhnung in der Peer Group“ habe ich auf diese Forschungen zu den Peer Group Beziehungen bei Kindern von 0-3 Jahren hingewiesen. Dort wurde herausgefunden, dass Kinder bereits gegen Ende ihres ersten Lebensjahres mit anderen Gleichaltrigen sozial interagieren. Sie können ab diesem Alter gemeinsam emotionale Themen im gemeinsamen Spiel bearbeiten. So hat Howes auch herausgefunden, dass die Trennung von den Eltern den Kindern leichter fällt, wenn sie diese mit anderen Kindern bewältigen, die in der gleichen Situation sind.

Die Bedeutung der Peers

Im Allgemeinen versteht man nach Corsaro (1985) und von Salsch (2000) unter einer Peer Group mehrere Kinder (auch Jugendliche und Erwachsene),

  • die ungefähr gleichaltrig sind bzw. auf einem ähnlichen kognitiven, emotionalen und soziomoralischen Entwicklungsstand stehen
  • die gleiche Entwicklungsaufgaben und normative Lebensereignisse zu bewältigen haben
  • die untereinander bezüglich ihrer Macht und ihres sozialen Status gleichberechtigt und ebenbürtig sind.

Die Peer-Group bietet Kindern in Krippe, Kita und Kindertagespflege:

  • einen Orte des sozialen Lernens
    • durch das Gefüge sozialer Interessensgruppen
    • indem sie auf ihre Art untereinander Bedürfnisse kommunizieren, was in dieser Form mit Erwachsenen nicht möglich ist
    • indem sie an der Alltagswirklichkeit Anderer teilhaben
  • einen Schutzraum im Umgang mit Gefühlen
    • wo sie Regeln und Umgangsformen erproben können
    • in dem sozialer Austausch stattfindet
    • wo sie Dialoge führen, Kompromisse finden und Konflikte austragen können
  • Möglichkeiten zum Lernen durch Nachahmung
    • aufgrund ständiger Interaktion und Ko-Konstruktion im Miteinander
    • durch Socializing/ Geselligkeit (Ahnert 2011) auf Augenhöhe.

Bedeutung für den Wieder – Einstieg

Diese Erkenntnisse rund um den Stellenwert und die Bedeutsamkeit der PeerGroup hat einen stabilisierenden Faktor für die Rückkehr der Kinder in die Kindertagesbetreuung. Sie treffen auf die Freunde und Freundinnen, die schmerzlich vermisst wurden und sie sind nicht alleine mit der Situation der Trennung, sondern es gibt noch andere Kinder, denen es genauso geht. So kann beispielsweise ein Kind, dass sich mit der Trennung schwerer tut, sich das Verhalten und die emotionale Ebene bei einem anderen Kind, dem es weniger schwer fällt abgucken. Dies gibt den Kindern ein Stück Halt und Sicherheit.

Vorbeugend bestünde die Möglichkeit, die Kindern in Anlehnung an die Eingewöhnung in der PeerGroup, die Möglichkeit zu geben, z.B. mit ca 3 Kindern in Begleitung der Eltern die ersten 2-3 Tage die Krippe, Kita oder Kindertagespflege für 1-2 Stunden zu besuchen, um einen sanften und kindorientierten Übergang zu ermöglichen. In dieser Spielgruppenähnlichen Situation kannst Du dann beobachten, welche Kinder den Übergang erneut gut meistern und welches Kind vielleicht auch eine intensivere Begleitung durch die Eltern bedarf. Wichtig ist, dass in Rücksprache mit den Trägern für diese Wieder-Eingewöhnung das Betretungsverbot für die Eltern (unter Einhaltung der AHAL-Regeln) vorübergehend aufgehoben wird.

Ergänzende Informationen

Mehr über die Eingewöhnung in der PeerGroup findest Du:

Weitere stabilisierende Faktoren

Weitere stabilisierende Faktor bei der Wieder- Eingewöhnung bieten zum einen auch Geschwisterbeziehungen, wenn Geschwister in dergleichen Gruppe betreut oder im Rahmen einer offenen Arbeit (aktuell eher nur eingeschränkt möglich) viele Berührungspunkte haben. Zum anderen bist Du als pädagogische Fachkraft den Kindern bekannt und vertraut und somit ein wichtiger sicherer Hafen. Wenn Du darüber hinaus auch in den letzten Wochen auf unterschiedlichsten Wegen den Kontakt zu den Kindern gehalten hast, ist auch hier die Beziehung nicht komplett abgebrochen.

Unterstützend kann zudem die Trosttankstelle sein, eine Anregung von Gundula Göbel, bei Dir die Eltern dazu angeregt werden, ihre Kinder morgens vor der Verabschiedung nochmal ganz kräftig mit viel körperlicher Nähe und stärkenden Worten „aufzutanken“, damit sie gestärkt den Übergang von Familie zu Krippe, Kita und Kindertagespflege bewältigen können.

Sobald deutlich wird, wann alle Kinder wieder in den Regelbetrieb zurückkehren, kannst Du mit den Kindern, die bereits in der Gruppe sind, gemeinsam überlegen, was ihr tun könnt, um den anderen den Wiedereinstieg zu erleichtern. Ich bin überzeugt davon, dass die älteren Kinder bestimmt tolle Ideen haben. Gleichzeitig bereitest Du diese Kinder darauf vor, dass auch auf sie wieder eine Veränderung zu kommt.

Um Dich gut auf die Rückkehr der Kinder vorzubereiten, hat Lea Wedewardt meines Erachtens bereits im vergangenen Jahr sehr hilfreiche Fragen formuliert, die auch dieses Mal alle Beteiligten und deren Bedürfnisse in den Fokus rücken, um die Rückkehr der Kinder möglichst bedürfnisorientiert zu gestalten.

Ich wünsche Dir, den Kindern und den Eltern eine baldige Rückkehr in eine „Normalität“. Es wird Zeit, dass die Kinder wieder mit Kindern zusammenkommen und von und miteinander lernen können.

Bis dies wieder soweit ist, wünsche ich Dir, dass Du gesund bleibst

Deine Anja

 

P.S. Die Zusammenarbeit mit den Eltern nimmt auch beim Wieder-Einstieg der Kinder eine zentrale Rolle ein. Hierzu habe ich in den letzten Monaten zwei KitaTalks mit

veröffentlicht.

Mein letzter Blogbeitrag „Bildungs-und Erziehungspartnerschaft auf dem Prüfstand“ beschreibt das Dilemma, in dem Du Dich in dieser Zusammenarbeit befindest, da es gerade keine verbindlichen Regeln für die Betreuung der Kinder gibt und Appelle häufig wenig zielführend sind.