von Anja Cantzler | 23.07.2024 | Bindung und Eingewöhnung, Gewaltfreie Pädagogik, Kinderschutz, Übergänge
Warum eine Bedürfnisorientierte Eingewöhnung Unverzichtbar ist: Ein Leitfaden für Fachkräfte in Krippe, Kita und Kindertagespflege
Die Eingewöhnung eines Kindes in die Krippe, Kita oder Kindertagespflege ist ein sensibler und essenzieller Prozess, der die Basis für eine erfolgreiche Betreuung und eine positive Entwicklung des Kindes legt. Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung ist dabei von zentraler Bedeutung und sollte von allen Fachkräften als grundlegender Bestandteil des Kinderschutzes verstanden werden.
Die Bedeutung der Bedürfnisorientierten Eingewöhnung
Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse und das Tempo jedes Kindes. Sie orientiert sich an den emotionalen, sozialen und physischen Bedürfnissen, die in dieser Übergangsphase besonders ausgeprägt sind. Die Basis hierfür bildet eine zugewandte und einfühlsame Begleitung, welche schrittweise und behutsam das Ankommen unterstützt und dem Kind die notwendige Sicherheit gibt, um sich in der neuen Umgebung wohlzufühlen.
Bedürfnisorientierte Eingewöhnung bedeutet, dass Fachkräfte jedes Kind als einzigartig betrachten und die Gestaltung des Übergangs auf seine individuellen Bedürfnisse abstimmen. Diese Herangehensweise fördert eine positive Einstellung des Kindes zur neuen Situation und stärkt sein Vertrauen in die Bezihungsspersonen.
Auswirkungen einer Fehlenden Eingewöhnung
Eine nicht bedürfnisorientierte oder gar fehlende Eingewöhnung kann schwerwiegende Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Entwicklung des Kindes haben:
- Kinder, die ohne behutsamen Übergang in eine neue Betreuungssituation kommen, erleben häufig Stress und Angst. Dies kann zu dauerhafter emotionaler Unsicherheit führen, die sich negativ auf ihr Wohlbefinden und ihre Entwicklung auswirkt. Solche Kinder zeigen oft erhöhtes Trennungsangstverhalten und Schwierigkeiten, sich auf die neue Umgebung einzulassen.
- Ohne eine sanfte Eingewöhnung fällt es vielen Kindern schwer, stabile Beziehungen zu den Betreuungspersonen aufzubauen. Ein sicheres Verbundensein ist jedoch entscheidend für das Vertrauen und die soziale Entwicklung des Kindes. Kinder benötigen verlässliche Beziehungspersonen, um ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu entwickeln.
- Stress und Unsicherheit können sich in herausforderndem Verhalten äußern, wie z. B. Rückzug, Aggressivität oder verstärktes Klammern an die Bindungspersonen. Diese Verhaltensweisen können den Alltag in der Betreuungseinrichtung zusätzlich belasten und die Integration des Kindes erschweren.
- Chronischer Stress kann das Immunsystem schwächen und das Kind anfälliger für Krankheiten machen. Auch Schlafprobleme und Essstörungen können die Folge sein. Kinder, die sich nicht wohlfühlen, haben häufig auch Schwierigkeiten, sich auf Aktivitäten und Lernprozesse einzulassen, was ihre kognitive und motorische Entwicklung beeinträchtigen kann.
Bedürfnisorientierte Eingewöhnung als Kern des Kinderschutzes
Der gelebte Kinderschutz beginnt bereits mit der Eingewöhnung. Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung stellt sicher, dass das Kind in einer neuen Umgebung sicher und geborgen ankommen kann. Dies umfasst mehrere wichtige Elemente:
- Wertschätzung und Empathie: Die Fachkräfte nehmen die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes ernst und reagieren sensibel darauf. Sie bieten Trost und Unterstützung, wenn das Kind sie braucht. Diese empathische Haltung schafft Vertrauen und Sicherheit, die für die emotionale Stabilität des Kindes essenziell sind.
- Zeit und Geduld: Jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Die Eingewöhnung sollte flexibel gestaltet sein, um dem Kind die Zeit zu geben, die es braucht, um sich sicher zu fühlen. Ein starres Eingewöhnungsschema kann das Kind überfordern und zusätzlichen Stress verursachen. Flexibilität und Geduld seitens der Fachkräfte sind daher unerlässlich.
- Partizipation der Eltern: Eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist entscheidend. Sie kennen ihr Kind am besten und können wertvolle Hinweise geben. Gleichzeitig vermittelt die Anwesenheit der Eltern dem Kind Sicherheit. Durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern wird die Eingewöhnung erleichtert und die Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gelegt.
- Rituale und Struktur: Vertraute Rituale und eine haltgebende Struktur geben dem Kind Orientierung und Sicherheit in der neuen Umgebung. Rituale helfen dem Kind, den Tagesablauf vorherzusehen und sich darauf einzustellen, was ihm ein Gefühl der Kontrolle und Sicherheit gibt.
- Kontinuierliche Beobachtung und Reflexion: Die Eingewöhnungsphase sollte durch ständige Beobachtung und Reflexion begleitet werden, um auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes flexibel reagieren zu können. Fachkräfte sollten regelmäßig den Übergangsprozess evaluieren und bei Bedarf Anpassungen vornehmen. Eine enge Dokumentation und der Austausch im Team sowie mit den Eltern sind dabei hilfreich.
Fazit
Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung ist nicht nur eine Frage der pädagogischen Qualität, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil des Kinderschutzes. Sie legt den Grundstein für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Kind und Betreuungsperson und unterstützt die gesunde Entwicklung des Kindes. Fachkräfte in Krippe, Kita und Kindertagespflege tragen eine große Verantwortung, diesen sensiblen Prozess mit Empathie, Geduld und Fachwissen zu gestalten. Nur so können wir sicherstellen, dass jedes Kind die bestmögliche Grundlage für seine weitere Entwicklung erhält.
Indem wir die individuellen Bedürfnisse der Kinder respektieren und auf sie eingehen, schaffen wir eine Umgebung, in der sie sich sicher und geborgen fühlen. Dies ist die Grundlage für ihre emotionale, soziale und kognitive Entwicklung. Bedürfnisorientierte Eingewöhnung ist daher ein wesentlicher Bestandteil des gelebten Kinderschutzes und sollte von allen Fachkräften als solcher verstanden und praktiziert werden.
Deswegen gehört die Auseinandersetzung mit der Gestaltung des Übergangs von der Familie in die Kita auch grundlegend mit in die Kinderschutzkonzepte und sollten jedes Jahr aufs neue evaluiert werden.
von Anja Cantzler | 1.08.2023 | Bindung und Eingewöhnung, Peergroup Eingewöhnung, Übergänge
Hier in NRW enden diese Woche die Schulferien und die ersten Eingewöhnungen sind bereits im vollen Gange.
Aufnahme und Eingewöhnung von neuen Kindern und ihren Familien sind immer wiederkehrende Themen in Krippe, Kita und Kindertagespflege. Die Eingewöhnung ist die Basis für alles weitere: zum einen mit Blick auf die Entwicklung des Kindes und zum anderen mit Blick auf die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Eine Eingewöhnung ist in der Regel nicht nach zwei bis drei Wochen abgeschlossen, je nach Kind dauert sie auch gerne länger. Meines Erachtens ist dabei wichtig nicht an einem Modell starr zu kleben, sondern diesen Übergang möglichst individuell und bedürfnisorientiert zu gestalten und zu begleiten.
Bereits 2021 habe ich einen ähnlichen Blogartikel veröffentlicht, den ich hiermit aktualisieren und ergänzen möchte, da seither viele neue Beiträge, Materialien und Bücher von meinen Kolleg*innen und mir erschienen sind.
Vorab möchte ich dir meine 5 Tipps zur Eingewöhnung ans Herz legen. Hierbei handelt es sich um einen mehrteiligen E-Mail Kurs, mit dessen Hilfe du über eine Woche hinweg eure Eingewöhnung reflektieren und überprüfen kannst. Vielleicht gibt es ja noch die ein oder andere Anregungen, um im kommenden Jahr, die Gestaltung des Übergangs zu verändern.
Eingewöhnung, Ankommenszeit, Beziehungszeit…
Zunächst einmal ein paar kurze Gedanken zum Begriff „Eingewöhnung“. Ich bin schon seit einigen Jahren nicht mehr glücklich mit dem Begriff „Eingewöhnung“. Er hat zum einen etwas sehr passives: „die Kinder und ihre Familien“ werden eingewöhnt. Dabei sollten sie doch zu jedem Zeitpunkt aktiv am Prozess beteiligt sein. Sie bestimmen Tempo und Vorgehen je nach Bedürfnis mit. Zum anderen sollte es nicht darum gehen, dass sich irgendwer an irgendetwas „gewöhnen“ muss. Geht es nicht in erster Linie um den Beziehungsaufbau? Nicht Gewöhnung sondern sich miteinander vertraut machen und zueinander Vertrauen aufbauen, darum sollte es gehen. Im besten Fall gelingen Übergang und Beziehungsaufbau so, dass die Kinder gerne und mit Freude zu dir in die Krippe, Kita und Kindertagespflege kommen.
Deswegen würde ich mich gerne langfristig von dem Begriff der Eingewöhnung verabschieden. Ankommens- und Kennenlernzeit sind für mich viel stimmigere Begrifflichkeiten.
Meine Motivation
Warum ist mir das Thema so wichtig? Meine Erfahrungswissen reicht nun gut 30 Jahre zurück und als junge Fachkraft im Berufspraktikum habe ich noch miterlebt, was es hieß keinen gut begleiteten Übergang für Kinder und ihre Familien zu gestalten.
Mein erster Arbeitstag war die Hölle. Die mir fremden Kinder wurden gebracht und mussten umgehend bis zu 4 Stunden ohne Eltern in meiner Gruppe bleiben. Uns ging es allen unglaublich schlecht damit: viele Kinder haben gelitten- leise oder laut, je nach Persönlichkeit und Vorerfahrung. Die Eltern mussten gehen und waren buchstäblich unerwünscht- bloss nicht zu lange bleiben, das Kind könnte sich ja daran gewöhnen. Und ich war mega gestresst und abends fix und fertig.
Ich spürte sehr früh, dass da etwas gehörig falsch lief.
In den drei Folgejahren baute ich nach und nach 3 neue Kitas mit auf – erst als Fachkraft, später als Leitung. Die jüngsten Kinder waren 4-6 Monate alt. Uns war schnell klar, dass da die Eltern mit ins Boot geholt werden müssen, damit die Kinder sanft und sicher bei uns ankommen können.
Wir machten gute Erfahrungen und gut 12 Jahre nach meinem Berufseinstieg war mir als Weiterbildnerin klar, was ich für Kinder im Übergang von der Familie in die Kita möchte. Ich lernte das Berliner Eingewöhnungsmodell kennen und kämpfte gegen viele Windmühlen, um eine elternbegleitete und bezugspersonenorientierte Eingewöhnung als Standard für Kitas mit einzuführen.
Seither begleitet mich dieses Thema und lässt mich nicht mehr los. Auch wenn ich seit einigen Jahren mich intensiver mit der PeergroupEingewöhnung beschäftigt habe und darüber referiere- mein Herz hängt seit eh und je an einer an den Bedürfnissen des Kindes und seiner Familie orientierten Ankommenszeit. Aus meiner Sicht ist jede Familie individuell zu betrachten und zu begleiten.
Gesammelte Blogartikel
Auf diesem Wissen- und Erfahrungshintergrund sind in den letzten drei Jahren hier viele Blogartikel für die Begleitung der Kinder und Familien von zu Hause in die Kita entstanden. Zur besseren Übersicht findest du hier eine Aufstellung der verschiedenen Beiträge (mit einem einfachen Klick auf den Link gelangst du zu den einzelnen Artikeln) :
Bücher, Blogartikel und mehr speziell zur Peergroup-Eingewöhnung
Bereits im November 2023 ist mein Buch zur Peergroup Eingewöhnung im Verlag an der Ruhr erschienen. Das Buch erläutert die theoretischen Grundgedanken und stellt dar, welche Bedeutung die Gruppe der Gleichaltrigen für die kindliche Entwicklung hat. Mein Fokus lliegt dabei auf der praktischen Umsetzung des Modells. Hier kommst du direkt zur Bestellung.
Um dich schon einmal ins Thema einzuschwingen, habe ich dir hier ein paar Blogartikel zusammengestellt:
Mittlerweile war ich schon in einigen Podcasts zu dem Thema als Expertin eingeladen:
Bei meinen KitaTalks begegnet dir die Peergroup auch gleich zweimal:
Wenn du ergänzend zu diesen Infos an einem Seminar zu diesem Thema interessiert bist, gibt es im Herbst 2023 und im Frühjahr 2024 wieder verschiedene Live-Online Seminare im Haus Neuland, Kath. Landvolkshochschule Hardehausen und VHS Hannover Land. Auf Anfrage biete ich auch Online Seminare für Teams an.
Meine KitaTalks
Es gibt auch noch einige Folgen der Kita Talks zum Thema Eingewöhnung, wo es um die bedürfnisorientierte Eingewöhnung, die Eingewöhnung von Kindern mit und ohne Fluchterfahrung und der kultursensiblen Eingewöhnung geht. Zum Stöbern in den KitaTalks klickst du am besten HIER.
Beliebte andere Podcasts
Weitere Bücher und Materialien
Gerade ganz neu erschienen ist das sehr empfehlenswerte Buch von Lea Wedewardt: Ankommen dürfen statt Loslassen müssen. Hier wird aus vielen Blickwinkeln beschrieben, wie eine Bedürfnisorientierte Eingewöhnung in der Praxis gelingen kann. Hier erfährst du mehr und kommst direkt zur Bestellung.
Eine weitere sehr empfehlenswerte Neuerscheinung ist das Praxisbuch zur Eingewöhnung vom Krüger&Thiel Institut. Das Buch bietet eine Fülle von Ideen und Anregungen für Eltern und Fachkräfte. Es gibt Orientierung, wie die Eingewöhnungsphase gestaltet werden kann, damit Kinder, Eltern und Fachkräfte einen gelingenden, gemeinsamen Start in die Kitazeit bekommen können.
Das Krüger & Thiel Institut hat außerdem eine kleine Broschüre mit dem Titel: Sanfte Eingewöhnung für mein Kind veröffentlicht. Die Broschüre bestehen aus liebevoll zusammengestellten Fotos mit Szenen aus dem Eingewöhnungsalltag einer KiTa. Hier wird den Kindern eine Stimme gegeben und somit ihre Sichtweise auf die Eingewöhnung verdeutlicht. Die Erwachsenen bekommen Handlungsanregungen für die Gestaltung und Begleitung des Eingewöhnungsprozesses. Sehr hilfreich und empfehlenswert für die Zusammenarbeit mit Eltern.
Für Kinder in der Eingewöhnung ist beim Krüger&Thiel Institut außerdem ein ganz reizendes kleines Bilderbuch: Mira, Tuffi und die Gefühle erhältlich. Hier begleitet der kleine Stoffelefant Tuffi die kleine Mira in ihrern ersten Kindergartentagen und beschreibt ihre Gefühle. Sehr schön, für die Gruppe oder als kleines Willkommensgeschenk für die neuen Kinder.
Meine geschätze Kollegin Gundula Göbel hat die Broschüre zu ihrem Bindungsbaumkonzept vor Kurzem überarbeitet. Besonders empfehlenswert für die umfassende Auseinandersetzung mit der Gestaltung einer bindungsorientierten Eingewöhnung ist ihre Schulungsbox: Bonding-Bindung-Bildung. Die schön gestaltete A4 Box ist gefüllt mit Bindungswissen. Auf 19 A4 Bildkarten ist jeweils ein Begriff des Bindungsbaumes beschrieben und mit jeweils drei konkreten Fragen zur Vertiefung versehen, auf der anderen Seite der Bildkarte ist ein sprechendes Foto mit passendem Zitat, um einen Impuls für einen Austausch im Team oder mit Eltern zu geben.
Und zu jeder guten Eingewöhnung gehört natürlich auch die Portfolioarbeit. In diesem Rahmen hat Sandra Warsewicz von der Werkstatt der Guten Gedanken sehr schöne Vorlagen entwickelt. s lohnt sich da mal durch ihre Seite zu stöbern.
Da sollte doch was für Jede*n dabei sein. Und selbstverständlich kannst du gerne in Kommentaren weitere Tipps geben, mit welchen Materialien du so in der Praxis arbeitest, um dich mit deinem Team vorzubereiten, Eltern mit ins Boot zu holen und Kinder z.B. durch Bilderbücher den Start zu erleichtern.
Ich wünsche einen guten Start ins Kita Jahr 23/24
Deine Anja
von Anja Cantzler | 27.10.2022 | Bindung und Eingewöhnung, Team, Übergänge
Mittlerweilen gibt es die verschiedensten Eingewöhnungsmodelle, damit Kinder und Familien den Übergang in die Kindertagesbetreuung gut bewältigen können. Am geläufigsten sind hierbei die Eingewöhnungen nach dem Berliner oder Müncher Modell. In den letzten Jahren sind die Peergroup Eingewöhnung und das Partizipatorische Modell dazu gekommen.
Wie du bestimmt weißt, habe ich mich in den letzten Jahren besonders mit der Peergroup Eingewöhnung beschäftigt und seit 17.10.2022 ist nun endlich das so häufig nachgefragte Buch zu diesem Modell erschienen.
Ziele und Nutzen überprüfen
Noch mitten drin in den Eingewöhnungen machen sich parallel gerade viele Teams auf den Weg und überprüfen noch einmal ihre Eingewöhnungskonzepte. Der Impuls kommt hier aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Der Träger drängelt, dass die Eingewöhnung aus wirtschaftlichen Gründen schneller stattfinden muss, die Leitung weiß nicht mehr wie sie den Dienstplan organisieren soll, ein*e Mitarbeitende kommt mit neuen Ideen von einer Fortbildung zurück.
Es ist also erst einmal gut hinzuzuschauen, was ist der Auslöser für den Wunsch nach Veränderung. Hat sich das bisherige Konzept tatsächlich überholt? Was spricht für eine Veränderung? Können die Mitarbeitenden bei dieser Veränderung gut mtgehen? Welche Vorteile bietet eine Veränderung den Kindern und Eltern, aber auch den Fachkräften?
Eingewöhnung nicht nur Sache der Leitung
Die Einführung eines neuen Eingewöhnungsmodells ist demzufolge nie allein Sache des Trägers oder der Leitung. Eine solche Veränderung betrifft immer auch das gesamte Team. Daher besteht die wesentliche Aufgabe darin, das Team im Rahmen des anstehenden Veränderungsprozesses ins Boot zu holen und zu der damit verbundenen Weiterentwicklung der konzeptionellen Ausrichtung zu motivieren.
Wie in anderen Veränderungsprozessen kann die Einführung eines anderen oder veränderten Eingewöhnungsprozesses nur gelingen, wenn alle Mitarbeitenden an der Erarbeitung wesentlicher Qualitätsmerkmale und konkreter Umsetzungsmöglichkeiten beteiligt sind.
Ein Team macht sich auf den Weg …
Zunächst einmal gilt es, den Ausgangspunkt des einzelnen Teams herauszufinden. Wie sich ein Veränderungsprozess entwickelt, hängt entscheidend von der Diskussions-, Partizipations- und Entscheidungskultur in der Einrichtung ab. Hinzu kommen die unterschiedlichsten bisherigen Betreuungserfahrungen und die bestehende Teamkultur. Das Team eines Regelkindergartens, das über viele Jahre hinweg nur Kinder ab drei Jahren aufgenommen und bis mittags betreut hat, steht vor einer anderen Herausforderung als eine Ganztageseinrichtung mit einem integrativen Konzept.
Veränderung braucht Zeit
Die Leitungskraft sollte mehrere Teamsitzungen einplanen, um sich gemeinsam mit dem Team mit den theoretischen Grundlagen, den Säulen und der praktischen Umsetzung der gut gelingenden Eingewöhnung auseinanderzusetzen.
Zu den theoretischen Grundlagen gehören im wesentlichen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Bindungs-, Transitions- und Peergroupforschung. Aber auch Aspekte der Kultursensiblen Pädagogik, der Partizipation und der Bedürfnisorientierung sind zu berücksichtigen.
Nicht alle Mitarbeitenden werden sich von Anfang an von dem anstehenden Veränderungs- und Weiterentwicklungsprozess überzeugen lassen. Dabei ist es auf jeden Fall hilfreich, wenn sich die Leitung der Einrichtung im Vorfeld selbst intensiv mit den Feinheiten beschäftigt hat oder ggfs. eine*n erfahrene*n Referent*in dazu holt. IPP
Ausprobieren als erster Schritt
Manchmal ist es für ein Team einfacher, die vereinbarten Veränderungen zunächst in einer oder zwei Gruppen einzuführen und so erste Erfahrungen zu sammeln, bevor die gesamten Einrichtung weitere Schritte umsetzt.
Ganz gleich, ob ein verändertes Eingewöhnungsodell mit oder ohne externe Begleitung eingeführt wird – wichtig ist auf jeden Fall, dass Sorgen und Bedenken im Team ernst genommen werden und ausgesprochen werden dürfen. Das trägt massiv zum Gelingen einer Veränderung bei.
Erste Schritte in Richtung Veränderung
Wenn du dich nun mit Deinem Team auf den Weg machen möchtest, um dein Eingewöhnungskonzept zu überprüfen, hier ein paar Materialien und Anregungen, die dich im Teamprozess unterstützen können.
Hier kommst du zu meinen 5 Tipps zur Gestaltung einer gelingenden Eingewöhnung. Nach Eintrag in die Email Liste, erhälst du mehrere Emails mit Anregungen zur Reflexion deines Eingewöhnungsprozesses.
In dem Blogartikel: Verschiedene Modelle – ein Ziel erhälst du einen kleinen Überblick über die bestehenden Modelle. Auf Kita-Fachtexte (www.kita-fachtexte.de) gibt es ergänzend kostenfrei zugängliche Texte zu den verschiedenen Modellen z.B. der aktuelle Text von Heike Fink: Die Eingewöhnung in der Peer – das Tübinger Modell
Wenn du dich für die Peergroup Eingewöhnung interessierst, möchte ich dir folgende Podcasts ans Herz legen, die ihr euch auch im Team anhören könnt:
Feas Naive Welt: Eingewöhnung in der Peergroup – ein Interview mit Anja Cantzler
KitaTalks auf YouTube: Peergroup Eingewöhnung in der Kita mit Christa Manske
Das nächste Online-Seminar zur Peergroup Eingewöhnung findet am 5.11.2022 in Kooperation mit Haus Neuland statt. Hier kommst du direkt zur Anmeldung.
Und natürlich kannst du auch mein Buch zur Peergroup Eingewöhnung bestellen.
Never change a running Horse
Wenn du jetzt denkst: „Wieso sollten wir etwas verändern? Es läuft doch alles gut so wie es ist.“ Was gut läuft braucht nicht zwangsläufig eine Veränderung. Nimm meine Anregungen einfach als Einladung, Angebot und Inspiration.
Deine Anja
von Anja Cantzler | 30.08.2022 | Bindung und Eingewöhnung, Gastbeitrag, Resilienzförderung, Spiel, Übergänge
Erneut konnte ich eine wundervolle Gastautorin für diesen Blogbeitrag gewinnen. Passend zum Start ins neue KitaJahr verknüpft sie die Wichtigkeit des Spielens mit den Chancen, die das gemeinsame Spielen für den Beziehungsaufbau zwischen der Fachkraft und den Kindern eröffnet. Ich wünsche viele Anregungen und einen guten Start mit den Kindern und Eltern.
Bindungsstärkendes Spielen in der Eingewöhnung oder wie ich gerne sage in der „Willkommenszeit“
Ein Gastbeitrag von Gundula Göbel
Warum setze ich Willkommenszeit mit Eingewöhnung gleich? Für mich ist diese Zeit, ein Augenblick, Momente und Wochen der Beziehungsgestaltung zwischen der pädagogischen Fachkraft dem Kind und den Eltern. Alle zusammen werden zu einem ergänzenden Bindungs- und Beziehungssystem mit Sicherheit und Feinfühligkeit, um dem Kind bestmögliche psychische Stabilität und emotionale Sicherheit zu ermöglichen.
Nur, wenn auch die Eltern in der Krippe oder Kita willkommen und gesehen werden, werden sie ihr Kind bei diesem wichtigen Schritt und Übergang achtsam begleiten können. Kinder spüren die Gefühle der Erwachsenwelt.
Sich willkommen zu fühlen ist ein Bedürfnis eines jeden Menschen:
Mit einem Lächeln begrüßt zu werden
Verlässlichkeit durch Worte zu erleben
Begrüßungsrituale wie Lieder oder Abläufe zu erfahren
Getröstet zu werden, also Co-Regulation zu spüren
Körperkontakt mit angemessener Nähe und Distanz er erleben
und als Kind sein Nein zu behalten
ist was Kinder im Übergang von sicheren zuhause in die Krippe /Kita dringend brauchen. Feinfühlige Erwachsene. Da sind wir schon beim „Bindungsstärkenden Spielen“ in der Eingewöhnung. Denn ohne beziehungsaufbauende Erfahrungen ist für Kinder kein vertieftes und emotional stärkendes Spielen möglich oder lediglich, wenn die Bezugsperson (bspw. ein Elternteil ) als Sicherheitsanker in der Nähe ist.
Kleinstkinder und Kinder lernen mit allen Sinnen, wir nennen es auch das sensomotorisches Spielen. Kinder entdecken und begreifen die Welt im Spiel. Sie riechen, schmecken, tasten, hören, probieren aus, all das ist auch in der Bindungsentwicklung verankert. Das Baby riecht die Milch, die Mama, den Papa, tastet das Gesicht, die Brust, die Flasch, die Rassel ab, hört die Stimme der Bezugsperson, diese wirkt meist beruhigend und so lässt es sich fortsetzen. All das braucht auch ein Krippenkind in der Eingewöhnung. Dies ist die gemeinsame Stärkung und Aktivierung der Bindungswurzeln aus dem Bindungsbaum-Konzept (siehe Broschüre Bindungsbaum-Konzept).
Das kindliche Spielen ermöglicht dem Kind die Auseinandersetzung mit der neuen Situation, das entdecken der Räumlichkeiten, das Erleben von fremden Gerüchen, Geräuschen, Lautstärken und noch „fremden“ pädagogischen Fachkräften. Im Spielen entwickelt das Kind kreative, aktive oder andere Lösungsstrategien, für den Umgang mit der unbekannten und noch unsicheren Situation.
Das „ Bindungsstärkende Spielen“ ist gerade in der Eingewöhnung ein guter Begleiter. Denn ein Kind kann nur vertieft und versunken entwicklungs- und beziehungsstärkend spielen, wenn es sich sicher fühlt. Deshalb braucht das Kind zuerst die Nähe und Sicherheit der Bezugsperson, welche die Eingewöhnung begleitet. Bspw. Mutter, Vater, Oma oder Opa sind also das wichtigste Bindeglied zwischen Zuhause und Einrichtung, um Kindern Sicherheit zum Entdecken zu geben.
Eine entspannte und emotional sichere Eingewöhnung begleitet vom bindungsstärkenden Spielen, mit Grundlage der Stärkung der Bindungswurzeln festigt das Vertrauen des Kindes, aber auch seine Feinfühligkeit. Denn Kinder brauchen beides. Vertrauen zu ihren Bezugserzieher*innen und gleichzeitig ihre eigene Stimme und ihr eigenes NEIN, wenn sich etwas nicht gut anfühlt.
Durch das bindungsstärkende Spielen können verlässliche Beziehungen aufgebaut werden. Nur wenn Kinder Sicherheit und Orientierung spüren, können sie sich auf es vertieftes Spielen einlassen und auch so Phasen von Anspannung und Entspannung erleben.
Das sensomotorische Spielen ist also für die Entwicklung und Bindung gleichermaßen von Bedeutung. Kinder brauchen Sinnesreize um sich zu entwickeln, aber auch um ihre “Krippen-Welt“ oder „Kita-Welt“ mit allen Sinnen zu entdecken.
Den Begriff „Bindungsstärkendes Spielen“ habe ich 2013 entwickelt auf Grundlage des Bindungsbaum-Konzeptes. Denn nur wenn wir die Bindungswurzeln im Spiel, in der Interaktion und durch Vorbildsein stärken und diese bei uns und den Kindern angemessen versorgen wird Kindern ihre eigene Entwicklung als ganz eigene Persönlichkeit und mit ganz eigenem Temperament ermöglicht. Moegel sieht das Spielen als ein fundamentales Lebenssystem des Menschen. Wir dürfen und sollten für die psychische Gesundheit von Kindern, das vertiefte Spielen ohne ständige Unterbrechungen von Seiten der Erwachsenen in Einrichtungen in den Mittelpunkt stellen. Das kindliche Spielen zeigt auch in der Eingewöhnungszeit und im Weiteren, ob sich Kinder sicher fühlen, es ist ein Ausdruck ihres Wohlbefindens.
Wenn ein Kind in der Eingewöhnung nicht spielen möchte oder kann, ist es ein non-verbales Zeichen für die erwachsenen Welt.
Was könnte das Kind uns sagen:
- ich brauche mehr Sicherheit
- es ist mir hier zu laut
- der Geruch ist mir fremd oder erinnert mich an…
- soviel Kinder auf einmal
- warum sieht mich keiner
- Angst, dass Mama/Papa einfach geht (vielleicht frühe Erfahrungen)
- Mama, Papa ich spüre eure Angst um mich
- usw.
Der Aufbau einer Beziehung braucht Zeit und das Kind sowie die Eltern Orientierung, Sicherheit sowie Feinfühligkeit.
Pädagogische Fachkräfte haben oft schon einige Eingewöhnungen begleitet und sind Erwachsene, die es reflektieren können. Aber für jedes Kind ist es das „ERSTE-MAL“ und Kinder reagieren emotional mit ihrem ganzen Körper.
Das „Bindungsstärkende Spielen ermöglicht dem Kind Freiraum und Halt, Eltern und alle Erwachsenen sehen die Bedürfnisse des Kindes nach Bindung und schwingen sich ein. Nicht die Bedürfnisse des Erwachsenen nach schneller Eingewöhnung, dem Gefühl das Eltern den Kitaablauf belasten oder der Personalmangelstress dürfen Gründe sein, Kinder ihr Grundbedürfnis nach Sicherheit nicht zu ermöglichen.
Vertieftes Spielen ist nur mit Bindungs- oder Beziehungssicherheit möglich. In der Eingewöhnung ist somit „Bindungsstärkendes Spielen“ von großer Bedeutung.
Eingewöhnung und „Bindungsstärkendes Spielen“:
- Impulse vom Kind aufnehmen und feinfühlig begleiten
- Interaktion (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Vorbild, Einschwingen)
- Co-Regulation als Grundlage für den Bindungs- und Beziehungsaufbau
- „Gefühle färben ab“ (eigene Haltung, eigene emotionale Verfassung, Erwartungen)
- Spielen braucht Sicherheit – Zeit – sensomotorisches Material
- Spielen ist: Entwicklung – Lösung – Freiheit – Lustgewinn und nicht Ablenkung von Gefühlen
- Alle Gefühle brauchen liebevolle Begleitung
„Bindungsstärkendes Spielen“ ist besonders in der Eingewöhnung von:
Feingefühl – Achtsamkeit – Wertschätzung und Offenheit geprägt.
Gundula Göbel
Kinder- und Jungendlichenpsychotherapeutin
Traumatherapeutin | Paar- und Familientherapeutin | Spieltherapeutin | Autorin |Referentin
21244 Buchholz in der Nordheide
mail@gundula-goebel.de, www.gundula-goebel.de
Meine Veröffentlichungen siehe: www.thekla.de/shop
von Anja Cantzler | 12.07.2022 | Bindung und Eingewöhnung, Peergroup Eingewöhnung, Übergänge
Im folgenden berichtet Susanna D., aus S. von ihren Erfahrungen mit der Peergroup – Eingewöhnung in der Kindertagespflege.
Die Ausgangssituation
Kurze Infos zu meiner Kindertagespflege: ich arbeite alleine und darf daher 5 Kinder gleichzeitig betreuen. Durch Corona und meine eigene Schwangerschaft und Geburt in 2021, hatte ich das Pech, dass gleich 4 Plätze frei waren und gleichzeitig das Glück, dass es 4 Kinder gab, die nach meinem Mutterschutz durch mich betreut werden wollten.
Die Lösung für ein Problem
Da alle 4 Kinder im gleichen Alter waren (1 Jahr), wollten die Eltern auch gerne alle zur gleichen Zeit wieder zurück in ihren Beruf finden. Anfangs hatte ich sehr Bedenken, da das Berliner Modell in meinen Augen hierfür nicht geeignet ist. Auch wollte ich eine Eingewöhnungsphase von Monaten vermeiden, sondern lieber eine Alternative anbieten, in der es schneller geht, damit sich zeitnah eine Gruppendynamik aufbauen kann.
Durch Zufall habe ich dein Online-Seminar über die Peergroup Eingewöhnung per Facebook gefunden und sofort gedacht, dass ist die Lösung für mein Problem. Dank des Seminars konnte ich mit den von dir gereichten Werkzeugen meine Peergroup Eingewöhnung vorbereiten und mich sicher an das Projekt wagen.
Eine Gute Vorbereitung ist alles
Gesagt, getan … Natürlich musste hier eine gute Vorbereitung erfolgen – so als Alleinakteur. Glücklicherweise habe ich in meinem eigenen Haus 3 Räume für die Kindertagespflege: einen Gruppenraum, einen Schlafraum und einen Turnraum.
Für den Elternbereich wählte ich den Schlafraum, da ich zur Eingewöhnungszeit keine schlafenden Kinder hatte. Hier konnten die Eltern sich zurückziehen und die Kinder wussten immer, wo sie ihren Anker finden.
Das Abenteuer beginnt
Die Eltern waren alle vorab bereits miteinander bekannt und die Kinder kannten sich durch einen gemeinsamen Pekip-Kurs auch.
Wir haben bereits die ersten Tage mit einer Zeit von 1,5 Stunden gestartet, da die Kinder meist noch einen Moment gebraucht haben um anzukommen und sich frei zu bewegen. Ich finde gerade bei den Zeiten sollte man locker bleiben. Wenn die Kinder gut spielen und neugierig sind, sollte es hier kein starres „und jetzt ist Schluss für heute“ geben.
Bereits nach 3 Tagen konnten die ersten beiden Eltern ohne Probleme und mit einer direkten Verabschiedung für 10 min gehen. Das hat von Anfang an bei diesen Kindern sehr gut geklappt (in meinen vorherigen Eingewöhnungen gab es da öfter Schwierigkeiten). Ich konnte in relativ kurzer Zeit die Stunden erhöhen und nach 2 Wochen haben beide Kinder bereits freiwillig und sicher bei mir zu Mittag gegessen und ihren Mittagsschlaf gehalten.
Ich war sehr erstaunt, wie schnell sich diese beiden Kinder an meinen Tagesablauf gewöhnt haben. Auch rückblickend nach einem halben Jahr, fühlen sich beide sicher und geborgen in meinen Räumen. Sie haben eine gute Bindung zu mir aufgebaut, bewegen sich frei im Raum und entwickeln sich ihrem Alter entsprechend hervorragend.
Kindorientierung vor Peergroupfokussierung
Die anderen beiden (Zwillinge) haben etwas länger gebraucht und diese Zeit haben wir Ihnen gegeben.
Anfangs konnte die Mutter nicht einmal den Raum verlassen und die beiden kreisten sehr eng um sie herum. Nach ca. 2 Wochen wurde es etwas entspannter.
Dann hat der Vater (aufgrund des beruflichen Wiedereinstiegs der Mutter) übernommen. Hier waren wir bereits soweit, dass sich die Eltern außerhalb des Raumes aufhalten konnten. Mit langsamen Steigerungen waren auch diese beiden Kinder nach 5 Wochen angekommen und eingewöhnt. Obwohl sie sich anfangs mit dem alleine bleiben schwer taten, haben sie sich dann sehr schnell an Mittagessen und Mittagsschlaf bei mir gewöhnt.
Nach einem halben Jahr kann ichrückblickend sagen, dass die beiden eine absolute Herausforderung waren und ich sehr glücklich bin, dass sie mich als neue Bezugsperson in ihr Herz geschlossen haben und sich sehr wohl bei mir fühlen. Auch hier ist eine enge Bindung vorhanden.
Das Fazit
Mein Fazit für die Peergroup: die Eingewöhnung, egal nach welchem Modell, ist in meinen Augen die Königsdisziplin in der Kinderbetreuung. Mit ihr steht und fällt die zukünftige Betreuung der Kinder.
Das Peergroup-Modell bedarf einer guten Vorbereitung der Räumlichkeiten. Nach Möglichkeit sollte es eine Elternecke geben, die sich nicht direkt im Hauptaufenthaltsbereich der Kinder befindet, aber auch nicht zu weit entfernt liegt. Auch sollten die Abläufe vor Arbeitsbeginn gut durchplant sein, am besten ist es, den Eltern beim Abschied bereits die Pläne für den nächsten Tag mitzuteilen. So entsteht hier gleich eine Vertrauensbasis und die Eltern können sich vorbereiten und einstellen (kurz aus meiner eigenen Erfahrung als Mutter von 3 Kinder: ich wusste in der Kita selten, was heute von mir und meinem Kind verlangt wurde. Somit war ich oft überrascht, wenn die Erzieher auf mich zu kamen und sagten, so jetzt geh mal eben vor die Tür).
Die Peergroup erleichtert einer Kindertagespflegeperson den späteren Alltag. Heißt: Üblicherweise würde bei 4 Kindern die Eingewöhnung sich bis zu 4 Monaten ziehen, da in anderen Modellen eine Einzeleingewöhnung dargestellt wird. Die Eingewöhnungsphase bringt aber immer Umbrüche und Unruhe in den Alltag für die bereits vorhandenen Kinder. Auch ist es oft für gerade eingewöhnte Kinder schwer zu verstehen, warum nach bspw. 4 Wochen auf einmal die Aufmerksamkeit der Betreuerin auf jemand „Neues“ gerichtet wird.
In der Vergangenheit habe ich es erlebt, dass gerade eingewöhnte Kinder sich schwer tun mit „neuen“ Kindern. Durch die Peergroup wird ihnen dieser Teil erleichtert. Sie sehen bereits von Anfang an, dass die Betreuerin für jeden Zeit hat und ihre Aufmerksamkeit gut aufteilen kann. Sie erleiden keinen „Trennungsschmerz“ von ihrer neuen Bezugsperson und ich als Tagesmutter habe die Zeit mich auch nach 4 Wochen ausgiebig auf die Kinder zu konzentrieren.
Durch die gleichzeitige Eingewöhnung ist es mir gelungen, dass wir schnell in einen geregelten Tagesablauf übergehen konnten und somit mein „altes“(2,5 Jahre) Kind schnell wieder seinen gewohnten Rhythmus hatte.
Empfehlung für die Kindertagespflege
Meine Empfehlung für Kindertagespflegepersonen ist, dass die Peergroup-Eingewöhnung sich sehr gut auch in einer kleinen Gruppe umsetzen lässt. Bei einer Kindertagespflegestelle von max. 5 Kindern würde ich aber zukünftig trotzdem nur max. 3 Kinder gleichzeitig eingewöhnen um allen gerecht zu werden.
Bei meiner ersten Umsetzung habe ich mich für die 4 Kinder gleichzeitig nur entschieden, da ich 1. Zwillinge dabei hatte und 2. wusste, dass die Kinder sich bereits kannten und privat bereits Kontakt bestand.
Sollten die Räumlichkeiten in der Kindertagespflege es nicht hergeben, dass eine Elternecke eingerichtet werden kann, sollte sich gut überlegt werden, welche Alternativen möglich sind.
Vorbereitung für die Eingewöhnung, nicht nur für die Peer-Group: ich habe im letzten Jahr damit begonnen, dass ich vor Beginn (ca.1-2 Monate) Spielnachmittage mit den zukünftigen Tageskindern angeboten habe. Diese habe ich fix einmal die Woche veranstaltet. So konnten die Kinder bereits sich mit mir und den Räumlichkeiten vertraut machen. Eine absolute Empfehlung, auch wenn es für uns Tagesmütter meist bedeutet, dass diese Zeiten nicht bezahlt werden, aber das ist ein anderes Thema.
Trotz Hürden ein Erfolg
Von Seiten meiner Fachberaterin beim Jugendamt gab es keine Unterstützung. Sie war sehr skeptisch, alle Kinder gleichzeitig einzugewöhnen. Ich habe Sie zwar gut informiert, aber meist werden ja neue Modelle erstmal kritisch beäugt. Auch fand sie die Anwesenheit von 3 Eltern gleichzeitig zu Corona-Zeiten sehr bedenklich. Ich habe trotzdem die Eingewöhnung nach Peergroup durchgezogen und bin sehr stolz darauf, dass ich es geschafft habe, dass alle Kinder gut angekommen sind und sich wohl bei mir fühlen.
von Anja Cantzler | 22.06.2021 | Bindung und Eingewöhnung, Übergänge
In vielen Krippen, Kitas und Kindertagespflegestellen starten gerade die ersten Eingewöhnungen und spätestens nach den Sommerferien kommen wieder viele neue Kinder. Eine gute Gelegenheit, um diese Zeit des Ankommens und des Miteinander-Vertraut-Werdens genauer unter die Lupe zu nehmen.
Veränderte Ausgangsbedingungen
In den zurückliegenden Jahren kamen oftmals Kinder in die Kinderbetreuung, die bereits Trennungserfahrungen und Kontakterfahrungen mitbrachten. Diese Kinder hatten bereits diverse Krabbel,- Spiel- und Turngruppen besucht. Die Eltern waren regelmäßig mit anderen Eltern über Schwangerschaftsgymnastik, Rückbildungskurse, Wassergewöhnung und Babymassagen im Kontakt. Einige Kinder wurden bereits von Tagespflegekräften, Babysittern oder Großeltern betreut. All dies hat in den vergangenen 1 1/2 Jahren durch die Pandemie nur eingeschränkt bis gar nicht stattgefunden.
Von vielen Seiten bekomme ich mit, dass die aktuellen Eingewöhnungen aufgrund dieser fehlenden Vorerfahrungen mehr Zeit brauchen. Für einige Kinder ist der Übergang in die Kindertagesbetreuung das erste Trennungserlebnis von den Eltern und der erste Kontakt zu anderen Kindern. Und darauf reagieren die einzelnen Kinder ganz unterschiedlich. Auch einzelne Eltern äußern im Vorfeld zunehmend Bedenken, ob ihr Kind den Herausforderungen gewachsen ist.
Auf diesem Hintergrund habe ich in meinem letzten KitaTalk mit Stefanie von Brück über die „Auswirkungen der Pandemie auf die Eingewöhnung“ gesprochen. Stefanie von Brück und ich sind uns einig, dass die bevorstehenden Eingewöhnungen mit besonderer Feinfühligkeit zu begleiten sind. Vielleicht hattest Du ja bereits Zeit einmal in den Talk reinzuschauen und unser Gespräch hat Dich inspiriert, über die Bedürfnisse der Kinder und Eltern, die jetzt kommen, nachzudenken.
Bedeutung der PeerGroup
Parallel habe ich das Buch von Corinna Scherwath „Liebe lässt Gehirne wachsen“, das sich im Kern mit den Sicheren Beziehungen der Kinder zu den erwachsenen Bindungs- und Bezugpersonen beschäftigt, begonnen zu lesen. Besonders gut gefällt mir das Kapitel, das sie den besonderen Beziehungen der Kinder untereinander widmet. Sie stellt heraus, dass die jeweilige Kindergruppe für jedes Kind „die erste eigene Lebenswelt“ bildet, „in der es Beziehungen auf Augenhöhe gestaltet.“ (Scherwath, 2021, S.80). Die Kindertagesbetreuung ist ein Setting, in dem sich viele Menschen begegnen, nicht nur Pädagogische Fachkräfte mit Kindern und Eltern.
In erster Linie ist sie ein Ort, an dem Kinder anderen Kindern (Peers) begegnen und mit denen sie spielen und lernen.
In meinem Seminar zur „Eingewöhnung in der PeerGroup“ verdeutliche ich immer wieder, welche Bedeutung die PeerGroup für die Kinder und ihre Entwicklung hat.
Die PeerGroup ist für die Kinder ein Ort des sozialen Miteinanders, eröffnet Raum für den Umgang mit Gefühlen und bietet viele Möglichkeiten zur Nachahmung.
Eine Studie von Carolin Howes zeigt ergänzend, dass Kinder bereits in den ersten 18 Monaten beginnen sich an einer PeerGroup zu orientieren und sich in Trennungssituationen gegenseitig positiv stützen.
Chancen der PeerGroup Eingewöhnung in der aktuellen Situation
Durch aktuellen Gegebenheiten stellte sich mir die Frage, ob es überhaupt gut und sinnvoll ist, die Eingewöhnung in der PeerGroup mit Kindern und Familien durchzuführen, die bislang nur wenig bis gar keine Kontakte mit anderen Kindern und Familien hatten. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass gerade diese Eingewöhnung große Chancen birgt.
Da diese Eingewöhnung zunächst einmal ein Spielgruppenähnliches Setting eröffnet, treffen hier Kinder und Eltern in einer ähnlichen Lebenssituation aufeinander. Die Kinder können im Beisein der Eltern miteinander ins Spiel kommen und die Eltern lernen sich untereinander kennen. Die pädagogische Fachkräfte können Kinder und Eltern im geschützten Rahmen begegnen, die Kinder im Miteinander beobachten, erste Spielkontakte der Kinder untereinander anregen und die Beziehung zu der Kindergruppe und dem einzelnen Kind sanft aufbauen.
Da die Eingewöhnung zunächst in einem separaten Raum mit maximal 3-5 Kindern stattfindet, werden die Kinder nicht sofort mit der gesamten Großgruppe konfrontiert. Sie dürfen erst ein paar Kinder kennenlernen und sich diesen annähern. Dadurch bleibt die neue Situation zunächst überschaubar und berechenbarer.
Auch die Ablösung von den Eltern geschieht in diesem kleinen, überschaubaren Rahmen.
Erst wenn die Kindergruppe sich miteinander stabilisiert hat, kommen verstärkt die anderen Kinder aus der Gruppe dazu bzw. die Kinder gehen fließend im eigenen Tempo in den offenen Bereich über. Bei dieser Erweiterung geben die entstandenen Beziehungen weiteren Halt und Orientierung. Die pädagogischen Fachkräfte können sich dann gezielt um einzelne Kinder kümmern, die eine individuellere Begleitung bei diesem Schritt brauchen.
In der Eingewöhnung in der PeerGroup bilden auch die Eltern eine Gruppe von Gleichgesinnten (Peers). Alle sind in der Situation, ihr Kind erstmalig in eine Kinderbetreuung zu bringen und sich schrittweise abzulösen und loszulassen. Gemeinsam diese Situation zu bewältigen, kann hilfreich und unterstützend sein. Oftmals tut es gut, zu spüren, nicht alleine zu sein.
Ich bin überzeugt davon, dass diese Form der Eingewöhnung viele Chancen bietet, damit Kinder und Eltern ihrem jeweiligen Tempo entsprechend in der Kindertagesbetreuung ankommen können.
Es lohnt auf jeden Fall, sich mit diesem Modell einmal intensiver zu beschäftigen.
Deine Anja
Weiterführender Blogbeitrag
Die Eingewöhnung in der Peer-Group
Live-Online-Seminar
Freitag, 25.06.2021 von (16.30) 17.00 – 20.00 Uhr „Eingewöhnung in der Peer-Group“ bei www.ruekhalt-berlin.de
Weiterführende Podcasts/ KitaTalks
YouTube KitaTalk mit Sabrina Djogo: Eingewöhnung in der PeerGroup
Feas Naive Welt: Eingewöhnung in der PeerGroup
Buchtipp:
Scherwarth, Corinna: Liebe lässt Gehirne wachsen, Verlag an der Ruhr, 2021
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