von Anja Cantzler | 3.04.2023 | Podcast
In der heutigen Podcastfolge habe ich Barbara Leitner – Prozessbegleiterin, Trainerin, Coach und Autorin – zu Gast. Ich spreche mit ihr über das Thema Gewaltfreie Kommunikation und über die Bedeutung der Führungskraft für eine gewaltfreie Erziehung.
Barbara erzählt uns, was sie unter „Gewaltfreiheit“ versteht und warum nicht nur die Kitaleitung sondern auch jede Fachkraft auf ihre Art und Weise ebenso eine Führungskraft ist. Einen wichtigen Teil nehmen neben der Fachkraft und der Führungskraft außerdem die Eltern ein.
Dabei stellt Barbara die These auf, dass Gewaltfreiheit in einer Person selbst – und zwar im Bewusstwerden – beginnt. Es spielt vor allem eine Rolle, wie man mit sich selbst spricht, wie man sich körperlich begegnet und die eigene Denkweise. Außerdem begegnen uns immer wieder alte Muster, wie das Verhältnis zur Macht. Der bewusste Umgang mit der eigenen Macht ist davon abhängig wie man selbst geprägt wurde.
Weitere Themen sind außerdem die Fehlannahmen zur Gewaltfreien Kommunikation und die Gleichwürdigkeit.
Barbara erzählt sehr lebendig von ihrer eigenen Zusammenarbeit und Erfahrung mit Leitungs- und Fachkräften, woraus wir viele Anregungen für unsere Teamarbeit bekommen können.
Hier erfährst du mehr über Barbara Leitner: https://gfk-in-kita-und-schule.de/
von Anja Cantzler | 15.03.2023 | Allgemein, Resilienzförderung
In meinem Buch: „Schätze finden statt Fehler suchen“ beschreibe ich das kindliche Gehirn im Notfallprogramm und es wird schnell klar, dass wenn das Kind durch unterschiedlichste Auslöser und Ursachen bereits im Ausnahmezustand ist, es überhaupt nicht zuträglich ist, dass du als Fachkraft auch ausflippst. Da die Selbstregulierung der Kinder sich noch in der Entwicklung befindet, brauchen sie unsere Co-Regulation von außen. Und genau dafür müssen wir als Fachkräfte Wege finden, uns zunächst einmal selbst zu regulieren, um Ruhe zu bewahren und besonnen reagieren zu können.
Personalmangel, Schutzkonzepte, Partizipation, fordernde Eltern, herausfordernde Kinder… und dann sollst du bei dem ganzen Stress auch noch die Ruhe bewahren. Wie soll das gehen?
Selbstregulation vor Co-Regulation
Um das im turbulenten Alltag zu schaffen, braucht es: Innere Stärke, Kraft, Zuversicht, Kompetenz, Selbstbewusstsein und Vertrauen. Die große Kunst besteht immer wieder darin, diese Eigenschaften und Fähigkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu aktivieren. Am besten immer dann wenn du sie wirklich brauchst, nämlich mitten in einer Stressituation.
Wie klingt es für dich, wenn ich behaupte, dass es eine Methode gibt, wie du praktisch „auf Knopfdruck“ in einen ressourcenvollen Zustand kommen kannst? Ein Zustand indem du im Vollbesitz deiner Kräfte bist und ruhig und besonnen reagieren kannst?
Es handelt sich hierbei um die sogenannte Anker-Methode, die ich in meinen Weiterbildungen zur Traumapädagogin kennenlernen durfte und selbst schon viele Male in den unterschiedlichsten Lebensbereichen angewendet habe.
Die Anker-Methode
Die Methode nennt sich „Ankern“ oder auch „Moment of excellence“. Für mich ist sie ein wichtiger Baustein im Umgang mit herausfordernden und belastenden Situationen im pädagogischen Alltag.
Wie der Name es schon sagt, geht es darum etwas zu „verankern“. In diesem Fall werden mittels eines spezifischen Reizes/ Auslösers, positive Emotionen verankert. So kann bei Bedarf durch die Aktivierung des Reizes, die vorher verankerte Emotion wieder aktiviert werden.
Das „Ankern“ machst du vermutlich schon heute – meist geschieht dies jedoch unbewusst.
Denn „Ankern“ heißt eigentlich nur, dass es einen sinnesspezifischen Reiz (Auslöser) gibt, der bei einem Menschen eine bestimmte Reaktion bewirkt. Je nachdem welche Sinne am meisten angesprochen werden, kann man zwischen folgenden Ankern unterscheiden:
- Visuelle Anker (Bild, Symbol, Zeichen, Landschaften, Menschen…).
Beispiel: Immer wenn ich merke, dass ich vor lauter Aufgabenwirrwarr und Terminstress nicht mehr klar denken kann. Dann versetze ich mich visuell in Gedanken ans Meer. Der weite Blick auf das Meer beruhigt mich innerlich und so kann ich meine Gedanken wieder viel besser sortieren. Die Weite verschafft mir Freiraum und Ruhe.
- Auditive Anker (Musik, Geräusche, Stimmen, Worte…)
Beispiel: Ich glaube jeder von uns hat gewisse Lieder, die uns in Erfahrungen und Emotionen schwelgen lassen. Vielleicht gibt es ja für dich eine besondere Melodie, die du vor dich hin summen kannst, um dich zu beruhigen. Mir hilft es beispielsweise, wenn ich langsam von 10 rückwärts zähle.
- Kinästhetischer Anker (Berührungen oder Bewegungen):
Beispiel: In ganz besonderen Momenten berühre ich meinen Ehering und verbnde mich so mit meinem Mann, der für mich haltgebend und wichtig ist. Ein Handschmeichler in der Hosentasche ist für viele auch ein bewährter Anker.
- Olfaktorischer/ Gustatorischer Anker (Düfte, Gerüche, Geschmack)
Beispiel: Der Duft frischer Pfannekuchen erinnern mich an meine Kindheit im großelterlichen Haus, eine Zeit an die ich sehr gerne zurück denke. Für andere ist es ein besonderes Parfüm oder der Geschmack süßer Beerenfrüchte, die positive Emotionen wachrufen.
Finde deinen Anker
Die Kunst liegt nun darin, selbst einen „Anker“ zu finden und setzten. D.h. du verknüpfst bewusst einen Reiz (Auslöser) mit einer bestehenden Erfahrung.
Schritt 1:
Zunächst einmal solltest du überlegen, wann du in deiner täglichen Arbeit an deine Grenzen kommst und dringend einen Anker brauchen könntest. Welche Eigenschaft bräuchtest du in diesem Augenblick am allermeisten.
Erst wenn du weißt, wann du einen Anker brauchst, kannst du auch gezielt einen „Anker“ setzen. Durch die Aktivierung des „Ankers“ mittels eines bewussten Auslösers, versetzt du dich wieder in einen ressourcenvollen Zustand, so dass sich die Aufregung und Nervosität legt und du besonnen reagieren kannst.
Schritt 2:
Dann erinnere dich an eine Situation oder ein Ereignis, in der du Emotionen empfunden hast, du die gerne verankern möchtest. Erlebe dabei in deiner Erinnerung die Situation mit allen Sinnen nochmal nach:
- Was siehst du?
- Was hörst du?
- Was spürst du?
- Was riechst du?
- Was schmeckst du?
In meinem Fall habe ich ein ganz klares Bild vor Augen. Ich stehe an der Ostsee und schaue auf das weite Meer. Der Wind bläst mir ins Gesicht. Ich schmecke ein bisschen Salz auf meinen Lippen. Ich schaue den über den Wellen segelnden Möwen zu. Ich fühle mich frei und unbeschwert.
Schritt 3:
Du bist nun mittendrin im (Nach)Erleben und kurz vor dem Höhepunkt des Erlebens, drückst du mit ein bis zwei Fingern für 8-10 Sekunden eine Körperstelle, deinen kleinen Finger, dein Ohrläppchen oder deinen Oberarm. Suche dir auf jeden Fall eine Stelle aus, die du jederzeit anfassen kannst. Ich lege gerne die Hand auf mein Herz.
Drücke diese Köperstelle und erlebe mit all deinen Sinnen, diese so kraftvolle Situation, die du für dich in Erinnerung gerufen hast.
Schritt 4:
Löse den Druck, lass die hervorgerufene Situation gedanklich wieder los und denke an was ganz Banales.
Schritt 5:
Teste dann über das Auslösen des Ankers, also durch das Drücken der besagten Körperstelle, ob sich die „verankerte Emotion“ bei dir wieder einstellt. Wiederhole das mehrmals. Falls sich die gewünschten Emotionen nicht einstellen sollte, bzw. du nicht das Gefühl eines ressourcenvollen Zustands hast, dann beginne nochmal bei 1.
Schritt 6:
Üben, wiederholen, üben, wiederholen: Anker wollen gepflegt sein! Aktiviere regelmäßig deinen Anker und fühle die Erfahrung und Emotionen, die du verankert hast.
Eine andere Möglichkeit seine Erfahrungen und Emotionen zu verankern, ist die Verwendung eines Gegenstandes, Talismanns oder einer Halskette. Prinzipiell ist das Vorgehen wie oben bereits beschrieben, nur drückst du dann keine Körperstelle, sondern den Gegenstand.
Ein gut gepflegter „Anker“ kann hilfreich sein!
Nicht selten begegnen wir unterschiedlichsten stressauslösenden Situationen: für Auszubildende kann das die anstehende Facharbeit oder Prüfungssituation sein. Im pädagogischen Alltag steht der nächste Elternabend oder ein schwieriges Elterngespräch an. Für einen Konflikt mit dem*r Kolleg*in brauchst du einen klaren Kopf. In diesen unterschiedlichen Situationen kann es wertvoll und hilfreich sein, auf deinen Anker zurück zu greifen.
Die Anker-Methode ist übrigens auch eine wichtige Methode für Teams, die regelmäßig biografische Selbstreflexion machen. Bei dieser Auseinandersetzung kann der*die Einzelne mit belastenden Anteilen der eigenen Geschichte in Kontakt kommen. Um sich in diesen Situationen gut schützen zu können, hilft die Anker-Methode, sich der eigenen inneren Kraft, Zuversicht und Stärke zu besinnen und positive Emotionen abzurufen.
Und nun wünsche ich dir viele möglichst stressfreie Zeiten mit Kindern, Eltern und Kolleg*innen.
Deine Anja
Meine aktuellen Bücher:
Cantzler, A. (2023): Schätze finden statt Fehler suchen, Herder Verlag
Wedewardt, L., Cantzler, A. (2022): Sich seiner selbst bewusst sein, Herder Verlag
Wedewardt, L., Cantzler, A. (2022): Workbook: Sich seiner selbst bewusst sein, Herder Verlag
von Anja Cantzler | 23.01.2023 | Podcast
In dieser Folge bin ich mit Saskia Franz, Leiterin der Kinta St. Franziskus im Kirchtal im Gespräch.
Wir sprechen über die Bedeutung der Werkstattpädagogik für Kinder in der Kita und wie in Miniateliers, Holzwerkstätten und ähnliche Werkstatträumen die Entwicklung von Kindern aller Altersstufen gefördert werden kann. Im vergangenen Jahr war ich zu Besuch in der Kita und konnte mich von der Brillianz der Arbeit vor Ort selbst überzeugen.
Was ist Werkstattpädagogik? – Saskia Franz erklärt, was unter Werkstattpädagogik zu verstehen ist und welche Ziele damit verfolgt werden. In ihrer Arbeit wird dieser Ansatz gekonnt mit der Reggiopädagogik verknüpft.
Sie erklärt, worin der Unterschied zwischen der Werkstattpädagogik und Reggio besteht und warum sie sich trotzdem wunderbar ergänzen.
Sie erläutert darüber hinaus, warum die Werkstattpädagogik so wertvoll für die Entwicklung und Entfaltung der Kinder ist. Du bekommst einen Einblick in die pädagogische Arbeit der Kita und bekommst verschiedene Beispiele für Aktivitäten, die in einem Miniatelier oder einer Holzwerkstatt durchgeführt werden können.
Saskia Franz macht mit ihren Erzählungen Lust auf mehr und vielleicht hast du ja Interesse, dich mit deinem Team auch auf den Weg zu machen.
Mehr über Saskia Franz und die Arbeit in ihrer Kita erfährst du auch in den Kita eigenen Podcast: Gezwitscher aus dem Kindergarten.
https://www.podcast.de/podcast/2577554/gezwitscher-aus-dem-kindergarten
Kontakt: Saskia Franz St. Franziskus im Kirchtal
Max-Planck-Str. 3 , 71726 Benningen am Neckar
info@im-kirchtal.de
www.im-kirchtal.de
von Anja Cantzler | 10.01.2023 | Podcast
Was ist Resilienz und was hat Achtsamkeit mit Resilienzförderung zu tun?
Warum ist Resilienz so wichtig für Kinder?
Wie kann ich die Resilienzentwicklung bei Kindern bereits im Kindergarten unterstützen?
All das sind Themen mit denen ich mich mit Marion Tönges in diesem KitaTalk beschäftige.
Außerdem erfährst du näheres über das Projekt „Affenstill“- ein Projekt für mehr Achtsamkeit und Resilienz von Anfang an.
Du kannst Marion Tönges über Instagram folgen, um mehr über sie und Tun zu erfahren:
https://www.mt-mentoring.de
Vielen Dank an Roland Kah für die hier verwendete Musik: Happy Intro https://ronaldkah.de
von Anja Cantzler | 10.01.2023 | Biografiearbeit
Als pädagogische Fachkraft hast du eine wichtige Verantwortung: Du begleitest Kinder in ihrer Entwicklung, bestärkst sie in ihrem Sein und unterstützt sie, sich selbst zu entdecken. Doch wie kannst du dich selbst darauf vorbereiten, diese Aufgabe erfolgreich zu meistern? Eine Möglichkeit dazu bietet die biografische Selbstreflexion, mit der ich mich schon seit vielen Jahren beschäftige. Diese Auseinandersetzung mit mir selbst, begann aufgrund einer schweren Erkrankung vor über 20 Jahren, die ich in Begleitung einer Therapeutin zu verarbeiten suchte. Schon sehr schnell bemerkte ich, dass diese Form der Bearbeitung meiner biografischen Erlebnisse und Erfahrungen dazu führte, dass ich mich selbst besser verstehen und annehmen lernte. Die anschließenden systemischen Ausbildungen zur Coachin und Supervisorin vertieften dieses Erleben. Hier machte ich die Erfahrung, dass es nicht immer eine Therapie sein muss, um sich mit der eigenen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen oder um herauszufinden wer ich bin, was ich kann und wohin ich will.
Was genau ist biografische Selbstreflexion?
Unter biografischer Selbstreflexion versteht man die systematische Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte. Dabei geht es darum, die eigenen Erlebnisse, Gefühle und Einsichten zu reflektieren und sich bewusst damit auseinanderzusetzen. Die biografische Selbstreflexion kann dabei auf verschiedene Arten stattfinden, zum Beispiel durch das biografische Schreiben oder durch Gespräche mit anderen Menschen.
Warum ist biografische Selbstreflexion für pädagogische Fachkräfte wichtig?
Biografische Selbstreflexion kann für pädagogische Fachkräfte auf viele Arten von Nutzen sein. Zum einen kann sie dazu beitragen, die eigene Identität und die eigenen Werte besser zu verstehen und zu stärken. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn wir uns in schwierigen Situationen befinden oder uns unsicher sind, wie wir am besten handeln sollen.
Zum anderen kann biografische Selbstreflexion dazu beitragen, die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen. Dies ist wiederum von Vorteil, wenn wir uns beruflich neu orientieren oder uns für eine neue Stelle bewerben möchten. Indem wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was uns in der Vergangenheit besonders gut gelungen ist und wo wir noch Verbesserungspotential haben, können wir uns gezielt weiterentwickeln und uns auf die Zukunft vorbereiten.
Biografische Selbstreflexion als Werkzeug zur Standortbestimmung
Neben der Klärung der eigenen Werte und Stärken kann biografische Selbstreflexion auch dazu
beitragen, uns bei der Standortbestimmung zu unterstützen. Indem wir uns bewusst mit unseren bisherigen beruflichen Erfahrungen und Erlebnissen auseinandersetzen, können wir besser verstehen, welche Art von Arbeit uns wirklich erfüllt und welche nicht. Auf diese Weise können wir uns gezielt auf Stellen bewerben, die zu uns und unseren Werten, Interessen und Vostellungen passen.
Biografische Selbstreflexion als Möglichkeit, die eigene Entwicklung zu unterstützen
Nicht zuletzt kann biografische Selbstreflexion auch dazu beitragen, unsere eigene berufliche Entwicklung zu unterstützen. Indem wir uns bewusst mit unseren bisherigen Erfahrungen und Erlebnissen auseinandersetzen, können wir besser verstehen, welche Art von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten wir in der Vergangenheit wahrgenommen haben und welche wir in Zukunft noch nutzen möchten. Auf diese Weise können wir unsere Karriere gezielt gestalten und uns auf die Zukunft vorbereiten.
Wie findet das im Einzelnen statt?
Durch die Auseinandersetzung mit deiner eigenen Lebensgeschichte weckst du Erinnerungen und damit verbundene Gefühle – dies kann für dich sowohl zur Aufarbeitung und Versöhnung führen als auch ein wiederentdeckter Quell der persönlichen Freude sein. Du bist das Ergebnis deiner Vergangenheit, unabhängig davon ob sie nun positiv oder negativ war. Wenn du sie annimmst, kannst du fühlen, wer du bist!
Indem du dich mit deinem Leben auseinandersetzt, erkennst du deine eigenen Stärken und Ressourcen und kannst sie in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern, Eltern und Kolleg*innen bewusst und möglichst entwicklungsförderlich einsetzen. Nur, wenn du dich selbst kennst und weißt, was für Ressourcen und Kompetenzen in dir schlummern, kannst du das authentisch und stimmig in deine pädagogische Tätigkeit einbringen.
Manchmal verstehen wir erst durch den Blick in unsere Vergangenheit warum Dinge geschehen. Nicht selten wird dann deutlich, dass auch vermeintlich „schlechte“ Erfahrungen am Ende etwas Positives in deinem Leben bewirkt haben. Ben Fuhrmann hat hierzu das wunderbare Buch: „Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben“ geschrieben. Sein Fazit besteht darin, dass es nicht wichtig ist, was wir im Einzelnen erlebt haben, sondern unsere Bewertung im Nachhinein ausschlaggebend ist, welche Bedeutung das Erlebte für uns hat. Biografische Selbstreflexion ist ein Weg, der dir hilft, das zu erkennen.
Eine Auseinandersetzung mit deiner eigenen Lebensgeschichte und deinem beruflichen Werdegang führt zur Sinnfindung in deinem Leben. Indem du du vergangene Erfahrungen reflektierst, weißt du viel besser, warum du in bestimmten Situationen auf deine persönliche Art und Weise reagierst. Der „rote Faden“ in deinem Fühlen, Denken und Handeln wird sichtbar und du lernst dich selbst als Person intensiv kennen.
Bist du noch glücklich in deinem Team oder in deinem Beruf?
In letzter Zeit begegne ich zunehmend Leitungs- und Fachkräften, die in einer Sinnkrise stecken. Viele Kolleg*innen sind zwischen 35 und 60 Jahre alt, arbeiten schon viele Jahre mit viel Herz und Engagement in diesem Beruf. Die einen haben schon alles erreicht und sind auf der Suche nach neuen Herausforderungen, andere haben sich so verausgabt und versuchen den drohenden Burnout zu umgehen, wieder andere sind frustriert, weil ihnen Wertschätzung und und Anerkennung fehlt, und dann gibt es die, die ihre beruf lieben, jedoch immerwieder an Grenzen stoßen, weil ihre Vision einer beziehungsstarken, bedürfnisorientierten und gewaltfreien Kindheit bei den Kolleg*innen auf Widerstand stößt.
Findest du dich da gerade wieder? Dann solltest du dich fragen:
- Wie zufrieden bin ich gerade mit mir und meiner beruflichen Situation?
- Sehne ich mich nach einer Veränderung?
- Wie erlebe ich meinen beruflichen Alltag? Sind meine Tätigkeiten für mich noch sinnvoll oder gibt es für mich wichtigere bzw. andere Dinge, zu denen ich aber nicht komme, weil mir die Energie fehlt?
- Ertappe ich mich öfters bei Gedanken wie z.B. „Ich kann so nicht mehr weitermachen“ oder „wann kommt endlich das nächste Wochenende?“
- Habe ich im schlimmsten Fall vielleicht schon körperliche oder psychische Beschwerden, weil mir „alles zuviel“ wird?
- Oder hinterfrage ich ganz einfach „das große Ganze“ und stelle mir öfters mal die Frage nach dem „Sinn“ ?
Schließe nun für einen Moment die Augen, atme tief durch und fühle in dich hinein.
Wie hast du die Fragen im Einzelnen beantwortet und wie geht es dir damit? Fühlt sich das noch stimmig für dich an? Stehst du am Morgen im Normalfall gerne auf und startest gut in den Tag? Oder gibt es etwas, was dich bedrückt und das du vielleicht gerne ändern möchtest? Woher kommt deine aktuelle Unzufriedenheit?
Gehen wir einen Schritt weiter
Lass uns nun einmal ein kleines Experiment machen. Lass vor deinem geistigen Auge eine Sanduhr entstehen, die für dich deine persönlich gefühlte Lebens-Sanduhr darstellt – und damit meine ich nicht deine bereits vorhandenen Lebensjahre. Wie viel von deinem emotionalen Leben hast du nach deinem Empfinden schon gelebt bzw. wie viel Sand ist schon durch die Verengung geronnen? Nimm dir für die Beantwortung dieser Frage Zeit – und spüre in dich hinein.
Wie sieht deine Sanduhr aus? Ist deine Sanduhr im oberen Teil noch ganz voll, weil noch nicht viel Lebenszeit verronnen ist und du noch alle Möglichkeiten hast, dein Leben zu genießen und dich zu verwirklichen? Oder ist bei dir die Hälfte der Zeit schon abgelaufen ist? Oder bestimmt dich das Gefühl haben, dass dir nicht mehr allzu viel Zeit bleibt…
Alleine dich hier einzuordnen gibt dir schon eine gute Auskunft darüber, wo du in gerade stehst. Denke jetzt noch einmal einen Moment darüber nach. Was sagt dir das? Was möchtest du aus deiner verbleibenden Zeit machen? Hast du noch Pläne? Wenn ja, wann willst du damit beginnen, sie zu verwirklichen?
Um dem Ganzen aber noch genauer auf den Grund zu gehen, schau dir bitte nachfolgende Satzanfänge an.
- Bis jetzt habe ich noch nicht …
- Irgendwann will ich unbedingt …
- Mir fehlt derzeit …
- Ich freue mich gerade über …
Was braucht es, um dahin zu kommen, wo du gerne sein möchtest? Und was kannst du selbst dafür tun?
Nicht immer bedeutet das dann, den Beruf ganz an den Nagel zu hängen. Manchmal reicht der Wechsel in ein neues Team, das von den Werten und der Haltung besser zu einem passt. Manchmal sind es kleinere und größere Stellschrauben, die es zu verhandeln gilt wie z.B. die Einführung eines Nachmittags im Home Office für die Leitungskraft, um ungestörte Zeit für das Qualitätsmanagement zu haben.
Und wenn du merkst, dass du dich gerade im Kreis drehst und selbst keine passenden Wege für dich findest, dann wende dich am besten an eine*n Coach*in deines Vertrauens. Oftmals braucht es einfach den Blick und die Begleitung von außen. Auch ich als erfahrene Coachin suche manchmal professionelle Beratung auf, da Selbstcoaching nicht immer zielführend ist. Oder wie mein Mann sagt: „Das kann ja auch nicht funktionieren, schließlich kann man sich ja auch nicht selbst kitzeln.
Ein paar Worte zum Schluss
Biografische Selbstreflexion kann dir als pädagogische Fachkraft auf viele Arten von Nutzen sein. Sie kann dazu beitragen, deine eigene Identität und die eigenen Werte besser zu verstehen und zu stärken, die eigenen Stärken und Schwächen besser kennenzulernen und dich bei der Standortbestimmung und beruflichen Entscheidungsfindung zu unterstützen. Wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen, was uns in der Vergangenheit besonders gut gelungen ist und wo wir noch Verbesserungspotential haben, können wir uns gezielt weiterentwickeln und uns auf die Zukunft vorbereiten und ggfs. neue wege finden. Manches Mal bedarf es hierbei der professionellen Begleitung und Unterstützung.
Deine Anja
Zur Vertiefung:
Bogartikel: Warum glaubst du mir nicht- Umgang mit Mißtrauen und falschen Unterstellungen
Gastbeitrag von Anja Klostermann: Und jedem Abschied folgt ein Neubeginn
Wedewardt, Lea/ Cantzler, Anja (2022): Sich seiner Selbst Bewusst Sein – Biografische Selbstreflexion. Herder Verlag.
Wedewardt, Lea/ Cantzler, Anja (2022): Sich seiner Selbst Bewusst Sein – Biografische Selbstreflexion, Das Workbook. Herder Verlag.
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